Selten gehe ich mit soviel Emotionen an eine CD-Rezension heran, wie bei der mir vorliegenden Neuerscheinung von Walter Trout - "The Blues Came Callin'". Ich bin mir sicher, fast alle Freunde der Rockmusik werden wissen, dass der US-Blueser bis vor kurzem noch mit dem Tode rang. Nur eisernem Willen und einem von Kirby Bryant, der Frau seines Freundes Danny Bryant, initiierten beispiellosen Spendenaufruf, dem unfassbar zahlreiche Fans folgten, ist zu verdanken, dass "The Blues Came Callin'" überhaupt erst eingespielt werden konnte. Mittlerweile dürften sich alle Blues Rock-Freunde freuen, dass Walter eine Lebertransplantation erfolgreich überstanden hat und hiermit sein letztes Wort an neu produzierten Alben noch nicht gesprochen ist. Dennoch, bis zu seiner kompletten Genesung wird noch reichlich Wasser die Spree entlang fließen und man muss einfach weiterhin viel Geduld aufbringen, damit der Edelblueser irgendwann dort sein kann, wo er sich am wohlsten fühlt: auf jeder anständigen Rockbühne dieser Welt.
Mir liegt leider nur die CD-Version vor, doch für den Sammler dürfte die gleichzeitig angebotene Doppel-LP oder die Special-Edition in Form von CD mit zusätzlicher DVD eine glänzende Alternative sein. Übrigens konnte er sich in seiner lebensbedrohlichen Phase neben seinen zahlreichen Fans, der Familie Bryant, auch auf seinen Freund und Ziehvater John Mayall verlassen, der für ihn auf dieser Tonkonserve "Mayall's Piano Boogie" entwarf und ihn, neben "Take The Little Time" auch beim Titeltrack "The Blues Came Callin'", in allerbester Old-School-Pianomanier begleitete.
Mit "The Blues Came Callin'" feiert er in diesem Jahr nicht nur sein 25jähriges Jubiläum als Walter Trout Band, sondern verarbeitet mit dieser Platte seinen Überlebenskampf der letzten Monate. Dabei durchströmten ihn Gedanken über sein enormes Durchhaltevermögen, über den Tod und vor allem über sein neu geschenktes Leben, welchem er mit großer Freude und Demut entgegen sieht. 2011 hatten mein Kollege Holger und ich das große Glück ihn für ein Interview zu gewinnen. Großes Glück deshalb, weil wir neben einen großartigen Musiker einen äußerst humorigen und sympathischen Menschen kennenlernten. Unvergessen, als er meinem Wunsch, seine Interpretation vom AC/DC-Klassiker "Highway To Hell" uns persönlich vorzutragen, umgehend entsprach und dabei zahlreiche anwesende Journalisten warten ließ, bis wir es ihm mit gebührenden Applaus dankten. Es dürfte unseren Lesern klar sein, dass einem RockTimes-Redakteur so etwas nur alle Jubeljahre passiert.
Doch eins dürfte jedem Musikfeund ebenfalls klar sein: Walter bleibt auch mit dieser Tonkonserve seiner Linie vergangener Tage treu und bietet ausschließlich Blues Rock mit dem Gütesiegel '1 A'. Ich geh sogar so weit und meine: "The Blues Came Callin'" ist sein bisher bestes Album, das je aus seiner Feder entsprang. Denn wer damit rechnet, anhand seines Todeskampfes eher trübseliges Songmaterial zu Gehör zu bekommen, der wird nicht nur eines Besseren belehrt, sondern bekommt ein sehr intensives, emotionales und authentisches Album geboten, das aus meiner Sichtweise nur eine Bewertung zulässt: absolute Spitzenklasse!
In der Tat ist es bemerkenswert, mit welch enormer Spielfreude er die Saiten seiner Gitarre zupft und dabei sowohl bei ihm selbst, als auch bei mir und vermutlich jedem Blues Rock-Fan Glückshormone frei setzt. Ich verkneife mir bewusst, auf Walters Gitarrenkunst ganz explizit einzugehen, nur um meine Kollegen und die anderer Magazine, die in der Vergangenheit selbst tausendfach feststellten, welch großartiger Satitenvirtouse er ist, zu wiederholen. Trotzdem, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich niemals vermuten, dass hier ein schwerkranker Mann musizierte - mein Respekt und tiefe Verneigung Walter!
Seine musikalischen Begleiter, bestehend aus Bassist Rick Knapp, Schlagzeuger Michael Leasure und Hammond-Spezi Sammy Avila, lassen ihren Chef nicht im Stich und unterstützen ihn als glänzend eingespielte Rhythmusfraktion. Auf einem grundsoliden Klangfundament tobt sich Walter nach allen Regeln des Blues Rocks aus, brilliert mit zahlreichen Soli und es wäre jedem Song von "The Blues Came Callin'" gegenüber einfach ungerecht, einen besonders hervorzuheben. Nein, dafür ist das Album einfach zu stimmig und weist, selbst nach mehrmaligen Hördurchgängen, einfach keinerlei Schwächen auf. Nur wenn ich seine Frau nach ihrem Lieblingssong des Albums befragen würde, kann nur "Nobody Moves Me Like You Do" als Antwort herauskommen. Eine von Walter in ein Balladenkleid gesteckte Liebeserklärung an seine Frau, die sogar mein hartes Rockerherz sentimental werden lässt.
Walter Trout, der in seiner langjährigen Karriere schon einige musikalische Highlights setzte, hat mit "The Blues Came Callin'" nochmal einen drauf gesetzt. Dabei sind es nicht nur die zwölf exzellent vorgetragenen Tracks des Scheibchens, sondern Walter erlaubt dem Konsumenten tiefe Einblicke in seine Seele und wer sich die Zeit nimmt, sich selbst zu öffnen und dabei versucht mit "The Blues Came Callin'" eins zu werden, der wird mit unzähligen Hörorgasmen belohnt! Was bleibt mir letztlich anderes übrig, der eben ein beeindruckendes Album rezensierte und mich währenddessen innerlich zu wahren Begeisterungsstürmen veranlasste, als eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aus zusprechen? Nichts. Ansonsten bleibt alles beim Alten: Solange der amerikanische Ausnahmegitarrist unter uns weilt, zählt er zum Besten, was die Blues Rock-Szene zu bieten hat. Und zum Schluss möchte ich noch einen Wunsch loswerden: Walter Trout irgendwann wieder live on stage zu erleben und falls sich dabei die Gelegenheit bietet, ihn nochmal um ein Interview zu bitten. Ich denke, er hat noch eine Menge zu erzählen.
Line-up:
Walter Trout (vocals, guitar)
Rick Knapp (bass)
Sammy Avila (organ)
Michael Leasure (drums)
Guest:
John Mayall (piano - # 4,7,11)
Tracklist |
01:Wastin' Away (4:51)
02:The World Is Goin' Crazy (And So Am I) (4:32)
03:The Bottom Of The River (5:23)
04:Take A Little Time (2:52)
05:The Whale (4:52)
06:Willie (5:02)
07:Mayall's Piano Boogie (3:39)
08:Born In The City (5:49)
09:Tight Shoes (3:41)
10:The Blues Came Callin' (5:33)
11:Hard Time (4:19)
12:Nobody Moves Me Like You Do (7:12)
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