Für die Berliner RockTimes-Delegation begann der Arbeitstag am 10. November bereits um 16:30 Uhr, denn der renommierte Großstadt-Blues-Tempel Quasimodo hatte zur 'Giants Of Blues Rock' geladen und mein Kollege vorab schnell noch die Interviewtermine mit den Hauptakteuren klar gemacht.
Nach einer einstündigen Fahrt über Berlins renovierungsbedürftigen Asphalt betraten wir gegen 17:30 Uhr den Fritz-Club im Postbahnhof, um Chubby beim Soundcheck zu beobachten. Der Manager von Trout, Andrew Elt, setzte uns mit seinem Zeitplan der Interviews in Kenntnis, währenddessen Holger noch mal unseren vorbereiteten Fragenkatalog checkte, den wir den 'Giganten' des Blues Rock stellen wollten - siehe unten beide Interviews mit Chubby & Trout!
Alles lief wie am Schnürchen und ehe wir uns versahen, saß Holger dem Musiker Popa Chubby gegenüber. Während mein Kollege ihm einige Fragen stellte, sorgte ich für die nötigen Fotos. Dabei wirkte Popa aufgrund seiner Statur neben meinem Kollegen einfach gewaltig! Als mir nach Beendigung des Frage-Antwortspiels die Idee kam, bei einem Schnappschuss mein Gebiss in Popas Oberarm zu verewigen, lehnte der New Yorker diesen Spaß dankend ab. Schade eigentlich, hätte ich den Biss doch nur angedeutet. In der Folgezeit durften wir uns im Backstage-Bereich ungehindert bewegen und dabei war es schon sehr interessant zu beobachten, wie die Tontechniker am Sound bastelten oder die Roadies Kabel verlegten, Monitore umstellten und alles Weitere veranlassten, damit die Bühne für die Musiker perfekt angerichtet war.
Exakt um 20:00 Uhr begann die große Show von Popa, erst stehend, dann fortlaufend auf einem Schemel sitzend. Der Soundcheck hatte sich bezahlt gemacht und seine Klampfe sowie sein ausgeprägter Kehlkopf beschallten die Arena in großartiger Qualität. Leider mussten wir uns nach einer Dreiviertelstunde vorerst verabschieden, denn im separaten Trout-Backstage-Bereich wartete einer der größten Blues Rocker der Gegenwart auf uns. Auf einer Ledercouch sitzend spielte er sich ohne Verstärker ein und staunte nicht schlecht, als ich ihn bat, mir den "Highway To Hell" vorzuspielen. Doch es dauerte nicht mal den Bruchteil einer Sekunde und schon vernahm ich die ersten Riffs meines Wunschsongs. Anschließend plauderte er mit meinem Kollegen so locker und vertraut, als ob sich die beiden schon öfter über den Weg gelaufen wären. Nur der knappe Hinweis seines Managers beendete das Interview, das fast ein halbe Stunde dauerte! Dass Walter Trout ein äußerst sorgfältiger, aufmerksamer Gesprächspartner war, bewies er, als er sich nach unseren Namen erkundigte und anschließend unsere mitgebrachten Booklets signierte. Das komplette Interview ist anschließend nachzulesen.
Als Popa mit seiner Setlist durch war, die er aus eigenen Stücken großzügig ausgebaut hatte, erlebten wir hinter der Bühne die reinste Hektik, um die verlorene Zeit wieder aufzufangen. Um nicht unnötig im Weg zu stehen, halfen wir beim Abbau des Drum-Sets.
In der folgenden knappen Stunde passte sich Walter dem hohen Niveau seines Vorspielers nahtlos an und unterstrich mehrmals, dass er sein Handwerk bis ins kleinste Detail beherrscht. Im Prinzip ist es müßig, sich über dessen Qualitäten auszulassen, die sind unumstritten hervorragend und hinlänglich bekannt. Bemerkenswert aber, als sein Manager Elt sich seines Haargummis entledigte, die Bühne betrat, sich ein Mikro schnappte und fortan mit einer astreinen Rockröhre brillierte!
Plötzlich saß Chubby neben uns am Rand der Bühne und sparte nicht mit Applaus, um seinem Kollegen Anerkennung für dessen musikalische Darbietung zu demonstrieren! Und dann war es endlich soweit! Der XXL-Musiker bewegte sich zur Bühne, nahm seine Klampfe entgegen und spielte mit Walter im Duett, dass uns die Bluesrockerherzen frohlockten! Einziger Kritikpunkt des Abends war der, dass nach einem Song des gemeinsamen Musizierens die Messe gelesen war! Eine Vorabankündigung, in der es hieß, dass beide eine gute Stunde zusammen spielen würden, wurde glatt nicht eingehalten. Selbst zu einer Zugabe ließen sich die Musiker nicht mehr hinreißen, was nicht bei jedem Fan gut ankam. Später trafen wir Elt noch beim CD-Verkaufsstand, bedankten uns bei ihm und bei Ritchy, dem Chubby-Manager, für die problemlose Akkreditierung.
Interview mit Popa Chubby
Rocktimes: Popa, wie geht es dir?
Popa: Wie geht es dir selbst?
Rocktimes: Danke der Nachfrage, mir geht es gut, aber wir reden ja heute über dich.
Popa: Ja, Mann, bei mir ist alles okay, ich bin hier am Rocken.
Rocktimes: Wir haben dich soeben beim Soundcheck gesehen und währenddessen hast du viel Musik von Led Zeppelin gespielt. Wirst du das während der Show auch bringen?
Popa: Nein, heute nicht. Wir haben beim Soundcheck nur gejammt und spielen dabei immer, was mir gerade durch den Kopf geht.
Rocktimes: Du hast heute deine neue CD Back To New York City mit dabei und wirst sicherlich einige Songs davon spielen. Mittlerweile, so glaube ich, hast du schon über zwanzig Studioalben aufgenommen.
Popa: Ja, Mann, "Back To New York City" ist brandneu, aber es ist offiziell das zehnte Studioalbum. Die anderen Alben waren nur Nebenprojekte, die zwar unter meinem Namen liefen, aber mit ständig wechselnden Musikern eingespielt wurden und auch in verschiedene Musikrichtungen gingen.
Rocktimes: In den ersten Jahren deiner Karriere als Popa Chubby hast du bis zu drei CDs im Jahr veröffentlicht.
Popa: Ja, durch die vielen Projekte hatte es sich so ergeben, dass ich mit jeder Band ein Album gemacht und deshalb viel Zeit im Studio verbracht habe.
Rocktimes: Als du mit 18 Jahren nach New York City gekommen bist, war es mit Sicherheit schwer für dich, dort Fuß zu fassen und dich gegen eine enorme Konkurrenz durchzusetzen.
Popa: Ja, Mann, es war wirklich eine harte Zeit. Ich habe in der Bronx gelebt und musste jede Gelegenheit nutzen, die sich mir ergab.
Rocktimes: Womit hast du damals dein Geld verdient?
Popa: Ich hatte ein runtergekommenes, billiges Appartement in der Bronx und bin stundenlang mit der U-Bahn gefahren, habe dort gespielt und gesungen oder habe in den Bahnhöfen auf dem kalten Boden gesessen, mir die Seele aus dem Leib gespielt und dabei die Hand aufgehalten. Nachts bin ich in die Clubs gegangen und habe um Auftritte gebettelt. War schon eine harte Zeit und hat mich stark gemacht. Ich habe es immer wieder auch mit richtigen Jobs probiert, aber ich war kein guter Arbeiter und bin deshalb ständig gefeuert worden.
Rocktimes: Als du damals angefangen hast, warst du Punker und hast natürlich auch diese Musik gespielt. Als Punker in New York zu einer Zeit, als der Punk Rock nicht mehr angesagt war?
Popa: Ich war mit ganzem Herzen Punker und es war mir egal, was die Leute denken. Ich habe viel Covermusik von den bekanntesten Bands gespielt, auch viel von Beastie Boys, weil die in den USA sehr angesagt waren.
Rocktimes: Wie kam es dazu, dass du dich vom Punker zum Blues-Musiker gewandelt hast?
Popa: Ich habe mich in Kneipen rumgetrieben, in denen viel von Led Zeppelin, Queen, Black Sabbath, The Who und all den anderen Großen gespielt wurde. Mich hat das schon immer inspiriert … so zu sein wie diese Musiker, ich habe nach den Wurzeln der Musik geforscht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass alles beim Blues beginnt, habe mich immer mehr damit auseinander gesetzt, und bin dann dabei hängen geblieben.
Rocktimes: Welche Musik hörst du privat am liebsten?
Popa: Ich mag die ganz harten Sachen, höre sehr viel Motörhead, Iggy And The Stooges und Jimi Hendrix, weißt du. Ich spiele heute Abend auch ein Stück von Jimi.
Rocktimes: Wie war die Akzeptanz bei deinem Publikum, als du dich vom Punker zum Blueser gewandelt hast?
Popa: Mir war egal, was die Leute dachten. Ich habe das gemacht, woran ich Spaß hatte. Ich habe mir immer gesagt: Entweder nehmen mich die Leute wie ich bin, oder sie lassen es.
Rocktimes: Kannst du dich daran erinnern, welche Zeit oder welcher Tag die/der beste in deinem Leben war?
Popa: Heute ist mein bester Tag!
Rocktimes: Du meinst, jeder Tag im Leben ist dein bester Tag?
Popa: Exakt, jeder Tag bietet mir eine neue Überraschung und ich freue mich immer darauf, was das Leben für mich bereit hält.
Rocktimes: Im Gegensatz zu deinen weniger guten Erinnerungen?
Popa: Ja Mann, ich habe im Leben schon so viele Rückschläge hinnehmen müssen ... sei es Armut, Krankheiten, oder ein gebrochenes Herz. Aber die schlechten Tage vergesse ich schnell, weil ich ein positiver Mensch bin.
Rocktimes: Um wieder zur Musik zurück zu kommen: das Thema des heutigen Abends lautet 'Giants Of Blues Rock'. Fühlst du dich als ein Gigant des Blues-Rock?
Popa: Ja, das bin ich. Ebenso, wie ein Gigant des Rock. Ich bin nun zwanzig Jahre sehr erfolgreich auf der Bühne. Heute Abend sind wir ausverkauft und ich spiele zusammen mit einem der sehr Großen der Szene. Was will ich mehr?
Rocktimes: Du spielst heute zum ersten Mal gemeinsam mit Walter Trout?
Popa: Nicht zum ersten Mal. Wir haben schon ab und zu kleine Auftritte zusammen gehabt, aber es ist die erste gemeinsame Tour und wir werden heute auch zusammen auf der Bühne spielen.
Rocktimes: Habt ihr für diese Tour gemeinsam Songs komponiert?
Popa: Nein, wir haben uns noch nicht einmal abgesprochen. Wir gehen zusammen auf die Bühne, einer gibt ein Thema vor und alle steigen mit ein. Wir werden selbst überrascht sein, was passieren wird.
Rocktimes: Was für Projekte planst du für die Zukunft? Wird es im Frühjahr wieder eine neue CD geben?
Popa: Leider darf ich darüber noch nicht reden. Im Moment arbeiten wir an einer DVD, die ebenfalls im Frühjahr erscheinen wird und einen Querschnitt der vorangegangenen Tourneen zeigt, sowie viele Dinge aus meinem Leben. Wir werden auch im nächsten Jahr wieder viel auf Tour sein und spielen etwa zweihundert Shows im Jahr in 46 Bundesstaaten der USA. Zwischendurch werden wir im Frühjahr, also im Februar und März wieder in Deutschland sein und dabei unsere neue DVD promoten. Ob dabei Berlin auf dem Plan steht kann ich noch nicht sagen.
Rocktimes: Popa, viele Menschen in Deutschland kennen dich noch nicht und wissen auch nicht, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Erzähl' uns etwas mehr über dich.
Popa: Mein richtiger Name ist Ted [Theodor (die Red.)] Horowitz, ich habe viele Jahre in der Bronx gelebt. Mein Vater ist ein Boxer. Sein Name ist Dutch (hebt seinen Arm und zeigt auf das Namens-Tattoo). In der Bronx muss man sich gegen eine grobe Nachbarschaft durchsetzen können und das härtet einen ab. Wer weich ist, verliert und hat dort keine Chance zum Überleben.
Mit zehn Jahren habe ich Schlagzeug gespielt und bin damals mit meinem Vater bei einem Konzert von Chuck Berry gewesen. Das hat mir so sehr gefallen, dass ich unbedingt Musiker werden wollte, um so zu sein, wie die großen amerikanischen und britischen Bands. Und ich habe seitdem nicht mehr aufgehört Musik zu spielen. Ich bin zu der Zeit auch vom Schlagzeug zur Gitarre gewechselt, weil ich lieber mehr im Rampenlicht stehen wollte.
Rocktimes: Du hast neben dem Namen deines Vaters noch viele andere Tätowierungen auf deinen Armen. Was bedeuten diese?
Popa: Die meisten haben keine weitere Bedeutung. Sie sind einfach nur Dekoration für mich, bis auf das eine hier, es zeigt den Namen meiner Frau. Außerdem habe ich noch verschiedene chinesische Schriftzeichen auf den Unterarmen, eins davon bedeutet 'Harmonie' und eins bedeutet 'Chaos'. Es bedeutet für mich, dass alles in verschiedene Richtungen läuft und ich kann es nicht kontrollieren. Hier, dieses bedeutet 'Chance' und gibt mir die Möglichkeit, alles zu erreichen was ich möchte. Ich habe diese Tattoos aber nur auf den Armen, sonst nirgends. Ich spiele meistens im Tank Top und somit können die Zuschauer sehen was ich auf meinen Armen habe. Wenn du in der Bronx lebst und nicht gezeichnet bist, dann bist du ein Niemand.
Rocktimes: Leider müssen wir zum Ende kommen, deine Show beginnt gleich. Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück für die Zukunft.
Popa: Danke schön, Mann, und viele Grüße an die Leser von RockTimes.
Interview mit Walter Trout
Rocktimes: Herzlich Willkommen, Walter Trout.
Walter: Danke schön, es ist ein tolles Gefühl, wieder in Berlin zu sein. Ich habe zwar vom langen Flug noch etwas Jet Lag, aber so etwas ist spätestens nach fünf Tagen vorbei. Da ich schon einige Tage hier bin, fühle ich mich im Moment sehr gut.
Rocktimes: Hattest du schon etwas Zeit dir unsere Stadt anzusehen?
Walter: Leider nicht, ich hetze von einem Termin zum anderen und habe im Moment keine Zeit für mich selbst. Allerdings bin ich schon sehr oft in Berlin gewesen und kenne die markantesten Plätze. Ich habe ein gutes Verhältnis zu dieser Stadt und bin sehr gerne hier. Im Jahr 1984 habe ich zusammen mit John Mayall im Quasimodo gespielt. Letzten Sommer bin ich mit ihm beim Portland Blues Festival aufgetreten und freue mich immer, ihn zu sehen. Ich habe ihm viel zu verdanken. Er hat mit seiner Band im vergangenen Jahr eine CD aufgenommen, auf der ich bei einem Song mitwirke.
Rocktimes: Du hast neben John Mayall mit sehr vielen berühmten Musikern zusammen gespielt. Mit wem hast du am liebsten gespielt und wer ist deiner Meinung der Beste.
Walter: Da gibt es für mich nur eine Antwort und die lautet John Mayall. Von ihm habe ich am meisten für die Musik und für mein persönliches Leben gelernt. Er ist ein Individuum mit einem großen Herzen, lacht gerne, denkt nur positiv, verbreitet stets gute Laune und sorgt dafür, dass eine Tour zum Vergnügen wird.
Rocktimes: Vor nicht allzu langer Zeit hat uns Gary Moore verlassen. Hast du jemals mit ihm gespielt und was sind deine Erinnerungen an ihn?
Walter: Er war einfach nur ein großartiger Musiker und ein großer Gitarrist. Leider habe ich nie mit ihm spielen dürfen.
Rocktimes: Von wem stammt die Idee, zusammen mit Popa Chubby auf Tour zu gehen?
Walter: Wir waren vor einigen Jahren schon einmal zusammen auf Tour und redeten darüber, mehr zusammen zu machen. Daraus hat sich dann diese Idee entwickelt und nun stehen wir hier auf der Bühne. Angefangen hatte es aber bereits vor etwa fünfzehn Jahren. Wir haben damals eine Jimi Hendrix-Tour gemacht und haben dabei nur Songs von ihm gespielt. Davon gibt es auch ein Album. Seitdem hat sich zwischen uns eine gute Freundschaft entwickelt und wir fangen jetzt an, alles Schritt für Schritt zu verwirklichen. Zu Beginn wird jeder mit seiner eigenen Band spielen und sich somit gegenseitig unterstützen. Zum Ende stehen wir gemeinsam auf der Bühne und spielen, was uns gerade einfällt. Heute Abend ist die erste Show. Alles ist noch sehr neu und wird noch nicht perfekt sein. Ich bin selbst neugierig, wie es wird.
Rocktimes: Ich habe die folgende Frage vorhin auch Popa gestellt und würde auch gern deinen Standpunkt dazu hören. Es geht darum, dass ihr diese Veranstaltung unter dem Motto 'Giants of Blues Rock' laufen lasst. Würdest du dich als Gigant des Blues Rock bezeichnen?
Walter: Nein, eigentlich nicht. Ich spiele zwar schon über vierzig Jahre diese Musik, aber ich befinde mich noch immer in einer ständigen Lernphase und möchte nicht behaupten, dass ich ein Gigant in diesem Bereich bin. Ich bin einfach nur ein Musiker. In meinem Leben habe ich fast alle Arten von Musik gespielt. Ich war in einer Country-Band, ich habe Bluegrass gespielt und auch die Musik der 50er Jahre. Überall habe ich etwas dazu gelernt. Ganz zum Anfang meiner Karriere habe ich als Aushilfsmusiker in kleinen Bars gespielt. Ist mal jemand ausgefallen, bin ich auf Abruf eingesprungen und habe somit die ersten Erfahrungen gesammelt, auch wie es ist, ständig mit verschiedenen Musikern zusammen zu spielen. Das war sehr lange bevor ich mit John Lee Hooker oder Canned Heat gespielt habe.
Rocktimes: Kannst du dir vorstellen, auch Musik in härterer Gangart zu spielen, zum Beispiel Hard Rock oder Heavy Metal?
Walter: Du wirst dich heute noch wundern, wie hart wir spielen werden. Wir haben sehr viele Stil-Elemente in unserem Programm. Sicherlich werde ich nie Heavy Metal spielen, aber gegen ein paar klassische Rock-Nummern habe ich nichts einzuwenden. Deshalb auch die Symbiose mit Popa. Er ist ja dieser Richtung auch nicht abgeneigt und liebt die harten Sachen. Wir ergänzen uns darin hervorragend. Zu meinen großen Favoriten zählen AC/DC. Du hast ja soeben gehört wie ich euch "Highway To Hell" vorgespielt habe. Ist das nun Hard Rock oder Blues Rock? Wenn man das Solo in "Highway To Hell" hört, klingt es wie Blues Rock. Blues ist die Basis von all diesen Sachen und wenn du dir alte Stücke von Muddy Waters anhörst, wirst du viele Dinge heraushören, deren sich Hard Rock-Bands angenommen haben.
Rocktimes: Was hörst du privat für Musik, zum Beispiel wenn du mit dem Auto unterwegs bist?
Walter: Oh, wenn ich im Auto sitze, dann höre ich völlig andere Musik. Da läuft entweder Joni Mitchell, Miles Davis, Duke Ellington, Don Henley oder Crosby, Stills & Nash. Weißt du, wenn man acht Monate im Jahr auf Tour ist und dann nach Hause kommt, möchte man einfach nur das Gehirn frei haben. Ich lege dann Musik von James Taylor auf, lausche den Soli und versuche Unterschiede zu erkennen. Ebenso höre ich sehr viel Jazz. Ich bin ein großer Jazz-Fan.
Rocktimes: Während deiner Konzerte spielst du fast immer eine sehr alte Fender Stratocaster. Hast du eine besondere Beziehung zu dieser Gitarre?
Walter: Die alte Strat ist auf sehr vielen meiner CD-Cover abgebildet. Dieses Mal habe ich sie zu Hause gelassen, ich benutze sie kaum noch. Es ist mir zu gefährlich geworden sie mit mir zu nehmen, weil sie für mich enorm kostbar geworden ist. Ich habe sie zu Hause in einer Vitrine und werde sie nicht mehr spielen. Sie soll später an meine Kinder weiter vererbt werden.
Heute spiele ich mit dieser gelben Strat (er hält während des gesamten Interviews eine gelbe Stratocaster im Arm). Sie ist extra für mich angefertigt worden. Der Body ist viel leichter als gewöhnlich, da ich in den letzten Jahren Probleme mit der Schulter habe. Der Hals ist geschraubt und aus einem besonderen Material, ich hatte ihn noch in meinem Haus herumliegen, die Pick-Ups sind eine Einzelanfertigung von Seymour Duncan und geben mir den speziellen Klang der alten Strat. Die alte ist für mich wie ein viertes Kind.
In meinem Haus habe ich eine Replika davon aus Stein gefertigt, die im Fußboden in meinem Haus eingelassen ist. Wenn du das Foto auf dem Cover meiner CD Hardcore ansiehst, zeigt es diese Gitarre aus Stein in meinem Haus. Die Leute denken immer, dass wir ein Foto von der Original-Strat genommen haben und mit einem Fotoprogramm bearbeitet haben, aber es ist wirklich die Gitarre aus Stein in meinem Fußboden.
Rocktimes: Kannst du dich daran erinnern, welches dein schönster Tag im Leben, im Zusammenhang mit der Musik, war?
Walter: Ja, Mann, meine schönsten Tage waren die 21 Jahre mit meiner eigenen Band und die Zusammenarbeit mit Mayall, Hooker und Canned Heat. Als ich mein erstes Album aufgenommen habe, das war ebenso unvergesslich für mich, wie die verschiedenen Konzerte in besonderen Hallen, wie der Carnegie Hall in New York. Ich hatte auch einmal in einer Fernsehshow in Deutschland mitgewirkt. Zuerst als Gast neben John Mayall und dann mit meiner eigenen Band, was eine sehr große Ehre für mich war.
Rocktimes: Walter, wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Walter: Im Moment arbeite ich an einer neuen CD, die im Frühjahr erscheint. Es ist ein Blues-Album mit dem Titel "Blues For The Modern Daze". Darauf werden vierzehn Blues-Songs enthalten sein, über die Welt in der wir zurzeit Leben, mit all den alltäglichen Problemen und der immer größer werdenden Vernetzung der Menschen miteinander. Die Aufnahmen wurden vor sieben Tagen beendet und erscheinen wird das Album Anfang April. Ich denke das Album wird eine aktuelle Botschaft rüberbringen. Zum Beispiel ist ein Song darauf enthalten, der einen Mann beschreibt, wie er in einem Starbucks sitzt und Kaffee trinkt, während alle anderen um ihn herum kein Wort reden, sondern nur mit ihren Handys und Laptops beschäftigt sind. Ihm wird dabei klar, dass sich die Menschen nur noch virtuell unterhalten und es keine zwischenmenschlichen Beziehungen mehr gibt.
Ebenso werden Songs über politische und ökonomische Probleme enthalten sein, und ich will damit einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sich die Menschen wieder an die alten Werte erinnern und mehr persönlich kommunizieren. Ich spreche auch die Dinge an, die durch die Umweltkatastrophen entstanden sind, wie das Exxon-Unglück vor vielen Jahren und natürlich das Hauptproblem der heutigen Zeit, 'money rules the world'. Anschließend kommt natürlich wieder eine Tour, um das Album vorzustellen.
Rocktimes: Wirst du heute Songs aus dem neuen Album spielen?
Walter: Nein, das kann ich nicht tun. Weißt du, jeder filmt heute mit seinem Handy während der Show mit und morgen siehst du das alles auf YouTube. Wenn ich jetzt Songs daraus spiele, kann ich die CD gleich wieder einstampfen lassen. Ich würde gerne etwas daraus spielen. Ich liebe die neuen Songs, doch leider geht es noch nicht.
Rocktimes: Leider müssen wir zum Ende kommen. Ich möchte mich ganz herzlich im Namen von RockTimes für das schöne Gespräch bedanken und dass du deine Zeit für uns geopfert hast. Ich hoffe, das wir uns bald wieder sehen und wünsche dir alles Gute.
Walter: Ebenso vielen Dank und ich denke, dass ich nächstes Jahr wieder hier bin. Ich möchte in Berlin gerne wieder im Quasimodo spielen. Ich liebe diesen Laden weil ich dort unter anderem meine Karriere begonnen habe und sie immer für mich da waren. So etwas vergesse ich niemals. Ich spiele gerne sehr dicht vor dem Publikum, um einen besseren Kontakt zu haben. Ich schaue den Menschen gerne in die Augen, um ihre Reaktionen und Gefühle zu erkennen. Das Quasimodo ist für mich wie mein zweites Zuhause. Ich habe dort begonnen und das hat mich sehr geprägt. Selbstverständlich spiele ich auch sehr gerne in großen Hallen, aber mein Herz hängt an Berlin. Meine Großeltern stammen aus Deutschland und das verbindet mich mit diesem Land. Als ich das erste Mal hier war, dachte ich: 'Mann, jetzt bist du dort, wo deine Wurzeln sind, zum ersten Mal in Europa und gleich dort, woher meine Großeltern stammen'. Das war ein unvergessliches Gefühl für mich. Wenn ich bedenke, dass sie Deutsche waren, sie sprachen Deutsch und ich darf nun vor deutschem Publikum spielen, was da in einem vorgeht, ist unbeschreiblich.
Rocktimes: Empfindest du einen Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Fans?
Walter: Deutsche Fans sprechen besser deutsch, ansonsten sehe ich keinen Unterschied. Alle lieben gleichermaßen meine Musik und nur das zählt für mich. Ich finde auch, dass es keine Rolle spielt, woher die Menschen kommen. Jeder hat die gleichen Bedürfnisse nach Liebe und Musik, egal welcher Rasse, Kultur oder Nationalität er angehört. Ich versuche immer mit allen zu reden, gebe gerne Autogramme, schüttele gerne ihre Hände und höre ihnen zu.
Rocktimes: Andere Musiker beschweren sich immer darüber, dass deutsche Fans meist sehr verhalten sind und mehr zusehen, als bei den Songs Gefühle zu zeigen, sie sagen Deutsche wären kalt.
Walter: Nun, sie sollten sich meine Shows ansehen, dann wird ihnen schon warm und sie gehen aus sich heraus. Aber ebenso kann es mir in Amerika gehen. Manchmal sind dort die Leute auch verhalten und klatschen nicht, es kommt halt auf die Tagesform an. Ich gebe immer mein Bestes, immerhin bezahlen die Leute dafür und sie haben es verdient, mehr als 100 Prozent zurück zu bekommen. Was sie dann daraus machen, bleibt ihnen überlassen.
Rocktimes: Walter, ich möchte mich noch einmal bedanken und sage 'Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal'.
Line-up Popa Chubby:
Popa Chubby (vocals, guitar)
A.J. Pappas (backing vocals, bass)
Dan Hickey (drums)
Line-up Walter Trout:
Walter Trout (vocals, guitar)
Sammy Avila (backing vocals, keyboard)
Rick Knapp (bass)
Michael Leasure (drums)
Andrew Elt (add. back vocals, guitar)
Externe Links:
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