Zum Ausklang der siebziger Jahre mussten UFO, die eigentlich damals schon Hard Rock-Veteranen waren, den Ausstieg und somit herben Verlust ihres Gitarristen Michael Schenker verkraften. Dies wollte erstmal kompensiert werden, da Schenker nicht nur ein einzigartiger Gitarrist war (und ist), sondern vor allem auch, weil er zusammen mit Frontmann Phil Mogg auch im Alleingang für das Songwriting der Band verantwortlich war.
Zu allem Übel kam dann noch hinzu, dass etwa eineinhalb Jahre später auch noch Keyboarder/Gitarrist Paul Raymond seine Kündigung einreichte, um dem deutschen Gitarristen in die Michael Schenker Group zu folgen. Dennoch wurde schnell geschaltet und mit Paul Chapman ein Gitarrist verpflichtet, der 1974 bereits einmal für ca. sechs Monate in der Band war, bevor er sich an anderen Projekten wie etwa Lonestar versuchte. Paul Raymond wurde schließlich im Spätsommer 1980 durch Neil Carter (Ex- Wild Horses - zusammen mit Brian Robertson, Ex- Thin Lizzy ersetzt.
Es war am 29. November 1980, als das Rockpalast-Team den Auftritt der Engländer in der Dortmunder Westfalenhalle 2 aufzeichnete. Gegenüber der CD-Version wurde hier leider der erste Song, "Chains, Chains" weggelassen. Über die Gründe kann man wie immer nur spekulieren, wobei technische Probleme wohl am wahrscheinlichsten sind. Den fulminanten Beginn der DVD stellt somit "Lettin' Go" dar. Und - Veteranen hin oder her - UFO machen gleich zu Anfang klar, dass hier eine Band auf der Bühne steht, die noch lange nicht genug hat. Chapmans Gitarre macht mächtig Dampf, Parker und Way sind unheimlich kompakt und Phil Moggs charismatischer Gesang hatte nach wie vor nichts von seiner Individualität und Stärke verloren.
Die Setlist konzentrierte sich auf die Songs der letzten drei Studio-Alben ("Lights Out" (1977), "Obsession" (1978) und "No Place To Run" von 1980), aber natürlich durften zum Ende des Auftritts auch die Klassiker "Rock Bottom" und "Doctor, Doctor" nicht fehlen. Zudem wurden hier bereits Songs des nur wenige Monate später folgenden, neuen Albums "The Wild, The Willing And The Innocent" vorgestellt. Was wirklich überzeugt, ist die Spielfreude der Band, der sowohl volle wie auch transparente Sound und selbstverständlich die starken Songs der Truppe. Nach zwei neueren Tracks und dem nicht ganz so spektakulären "Cherry" genießt man dann mit "Only You Can Rock Me" das erste echte Highlight.
Es folgen das textlich etwas vom damaligen Punk-Zeitgeist inspirierte "No Place To Run" und das superstarke "Making Moves" (das vom Arrangement zu Beginn etwas an "Doctor, Doctor" erinnert), bevor uns mit "Love To Love" die einzige balladenhafte Nummer präsentiert wird. Die Band ist mittlerweile natürlich richtig warm und da sitzt (fast) jeder Ton, es fließt viel Schweiß und es kommt echte Begeisterung vor dem Bildschirm auf. Die Musiker selbst sind in scheinbar bester Verfassung, ein Zustand, der ja davor und danach nicht immer zutraf. Phil Mogg singt zwar wie ein junger Gott und wirkt sehr souverän, allerdings hat man bei Ansagen zwischen den Songs und manchen Textzeilen (er singt auch mal ein » …lights out, lights out in Texas…«) schon manchmal das Gefühl, als hätte er vor Konzertbeginn bereits einige Tässchen Hochprozentiges verhaftet.
Außer der Musik gibt es wenig Spektakuläres auf der Bühne zu sehen. Höchstens, und da musste ich schon schmunzeln, die Situation, als Paul Chapman eine verärgerte Armbewegung in Richtung Mogg macht, da dieser wegen Entledigung seines Shirts seinen Einsatz um eine halbe Sekunde verpasste. Oh weh, dachte ich mir, ob er das mal nicht sehr schnell (unmittelbar nach dem Konzert) bereut hat, bedenkt man das aufbrausende Temperament des Sängers und seine nicht nur allgemein, sondern auch bandintern sehr locker sitzenden Fäuste ... Der gute Phil lässt ihm danach auch ein paar Blicke zukommen, die nichts Gutes erahnen lassen. Mag aber auch sein, dass dieser Film nur in meinem Hirn abläuft und alles ganz anders kam…
Der Darbietung von "Mystery Train" kann dies jedoch nichts anhaben. Vielmehr wirkt Phil Mogg noch aufgedrehter und legt sich voll ins Zeug. Chapmans Gitarrenspiel hat zwar nicht ganz die Individualität und den Wiedererkennungswert wie das eines Michael Schenkers, überzeugen kann er dennoch zu 100 %. Über die das Konzert beschließenden Tracks "Too Hot To Handle", "Lights Out", "Rock Bottom" und natürlich "Doctor, Doctor" braucht man nicht mehr viel zu erzählen. Wer diesbezüglich noch eine musikalische Bildungslücke hat, der sollte diese allerdings allerschnellstens schließen, möchte er/sie sich selbst einen Gefallen tun.
Fazit: Auf dieser DVD werden uns 72 Minuten Hard Rock-Vollbedienung einer der besten Bands dieses Genres geboten. Die Musiker sind allesamt hoch motiviert und legen eine Spielfreude an den Tag, die sich gewaschen hat. Der Sound ist astrein (man kann sogar Pete Ways Bass klar heraushören), kommt druckvoll und mit viel Power. Die Bildführung ist sehr angenehm und verzichtet auf jegliche Sperenzien. Der damaligen Technik entsprechend tauchen schon mal Streifen im Bild auf, wenn die Kamera frontal in die bunten Bühnenlichter hält, aber das sollte keinen großen Geist stören.
Leider gibt es keinerlei Bonusmaterial und im Menue hat man neben dem Konzert lediglich noch die Möglichkeit, einzelne Songs direkt anzusteuern. Trotzdem gilt ohne jeden Vorbehalt: Superstarkes Teil, das ich sowohl Jung wie auch Alt dringend empfehlen möchte und muss!
Line-up:
Phil Mogg (lead vocals)
Paul Chapman (lead & rhythm guitars)
Pete Way (bass)
Neil Carter (keyboards, rhythm guitars, background vocals)
Andy Parker (drums)
Tracklist |
01:Lettin' Go
02:Long Gone
03:Cherry
04:Only You Can Rock Me
05:No Place To Run
06:Making Moves
07:Love To Love
08:Mystery Train
09:Too Hot To Handle
10:Lights Out
11:Rock Bottom
12:Doctor, Doctor
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