UFO / Showtime
Showtime
Also, es gibt musikalische Produkte, da können selbst ellenlange Leitartikel nicht alle Facetten ausleuchten und es gibt Erzeugnisse, da passt die Quintessenz auf den berühmten Merz-Bierdeckel.
Bei der aktuellen Live-Doppel - CD "Showtime" der britischen Hardrockveteranen UFO handelt es sich eindeutig um letzteres.
Da ja das Medium CD bekanntlich keine Bilder produziert, bleibt es der parallel erscheinenden Doppel-DVD vorbehalten, Eindrücke davon zu vermitteln, ob der Gig am 13.05.2005 im Wilhelmshavener 'Pumpwerk' tatsächlich Showattribute bereithielt.
Bei dem vorliegenden CD-Doppeldecker können wir uns völlig ohne Ablenkung auf den konservierten musikalischen Vortrag konzentrieren.
Zunächst bleibt festzuhalten, dass mit dem Duo Phil Moog (Lead Vocals) und Pete Way (Bass) immerhin noch ein Nukleus der bereits im Jahre 1969 gegründeten Band dabei ist. Richtig berühmt gemacht hatte diese Combo aber ein gewisser Michael Schenker, der an dieser Stelle vermutlich nicht näher vorgestellt werden muss.
Der Herr Schenker ist allerdings dieser Tage mal wieder nicht mit von der Partie und wird von Vinnie Moore an den 6 Saiten ersetzt.
Dazu gesellen sich dann noch der alte Bekannte Paul Raymond an Keyboards und Rhythmusgitarre und der Filius eines Mannes namens John Bonham an der Schießbude. Jawohl, hiermit ist tatsächlich der Sohnemann vom legendären LedZep-Trommelderwisch gemeint, Mister Jason Bonham, seines Zeichens ein 'Tier' von einem Mann, zumindest vom körperlichen Erscheinungsbild her.
Diese Formation spielte im vergangenen Jahr eine neue Studioplatte ein ("You Are Here") und präsentiert auf "Showtime" immerhin 4 Stücke dieses Longplayers. Darüber hinaus bringt UFO mit Ausnahme von "Natural Thing" und "Out In The Streets"das komplette "Strangers In The Night" Live-Album vom Dezember 1978 zu Gehör, welches von vielen wohl nicht ganz zu Unrecht als eines der Rock-Livealben schlechthin bezeichnet wird. Die Setlist ergänzen die Herren noch durch ein Highlight des Vorgängerstudioalbums "Sharks" von 2002 (noch mit Mr. Schenker), nämlich "Fighting Man".
Also handelt es sich Alles im Allen nicht unbedingt um ein besonders innovatives Konzertprogramm.
Aber was soll mensch von UFO heute wirklich noch ernsthaft erwarten?
Die Fans wollen die alten Hits bzw. die allseits bekannten und liebgewonnenen Kracher hören. Den meisten UFO-Anhängern steht schlicht der Sinn alles andere als nach großen Veränderungen oder gar Neuerungen. Mit dieser Problematik steht aber die Band heute mitnichten alleine da, viele andere noch aktive GenerationskollegInnen kämpfen ebenfalls mit hochgradig konservativen und vorhersehbaren Programmen, die einen scheinbaren musikalischen Stillstand suggerieren, der dann häufig den Bands völlig zu Unrecht angekreidet wird.
An der bloßen musikalischen Darbietung von UFO gibt es dagegen insgesamt gesehen nichts auszusetzen.
Alles kommt außerordentlich solide daher, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zumindest ist nicht erkenn- bzw. hörbar, dass die Band von ihrer früheren Dynamik entscheidende Prozente eingebüßt hätte.
Interessanterweise klingt für mich der heutige Phil Moog dem heutigen Ian Gillan von den Purple-Kollegen nicht unähnlich, wie auch das aktuelle Songmaterial diverse Soundähnlichkeiten mit den Jetztzeit-Deep Purple nicht leugnen kann (freilich ohne deren Trademark-Orgel).
Das kommt wohl auch daher, dass mich Vinnie Moore von seinem Gitarrensound her wesentlich eher an Steve Morse denn an Michael Schenker denken lässt. Allerdings erreicht er für meine Begriffe zu keiner Zeit die Finesse des Purple-Kollegen.
Stattdessen wird auf CD 2 gerne mal gefrickelt was das Zeug hält und Vinnie Moore überholt sich mit Wonne mehrfach selbst. Ob das den wahren Hardrockfan klassischer Prägung wirklich begeistern kann, wage ich leicht zu bezweifeln. Wirklich neue Perspektiven oder musikalische Horizonte eröffnet das aber auch nicht, da es in diesem Metier noch diverse andere Saitenquäler gibt, die ähnliches schon längst zu Gehör gebracht haben.
Pete Way dagegen geht in der Abmischung etwas unter, die in meinen Ohren deutlich transparenter, luftiger und differenzierter hätte ausfallen dürfen. So erlebe ich selbst einen Urgewalttrommler wie Jason Bonham nur als soliden und vergleichsweise braven Drummer, was in Wirklichkeit vermutlich doch etwas untertrieben sein dürfte.
Und schließlich feuert Paul Raymond sporadisch feine Riffgewitter ab, besonders beim herrlich klassisch rockenden "Fighting Man", obwohl es sich dabei um einen neueren Song handelt. Zusätzlich gibt er dem UFO-Programm einzelne und gewinnbringende Farbtupfer an Orgel, Synthesizer und E-Piano.
Fazit:
Wenn es im Falle von UFO wirklich noch Neueinsteiger gibt - und warum sollte das nicht der Fall sein? - dann wäre aus aktueller Sicht "Showtime" sicherlich kein schlechter Einstieg, um sich dann zu den vergangenen Höhepunkten der Bandkarriere zurückzuarbeiten. Hier zählt dann das Entdeckerhormon, welches es latent aufrechtzuerhalten gilt, sonst stirbt irgendwann die Spezies der Anhänger des klassischen (Hard-)Rocks aus, und wer kann das ernsthaft wollen?
Für Fortgeschrittene bietet diese Kollektion allerdings keine neuen Erkenntnisse und kann daher maximal als schönes Souvenir für alle gelten, die bei diesem Gig persönlich dabei waren, oder UFO mal hübsch auf den Seziertisch packen wollen um festzustellen, was die Combo ohne Michael Schenker tatsächlich wert ist.
Wohl bekommts!


Spielzeit: CD 1 = 50:03; CD 2 = 48:44, Medium: Do-CD, Steamhammer/SPV, 2005
CD 1:
1:Mother Mary 2:When Daylight Goes To Town 3:Let It Roll 4:I'm A Loser 5:This Kids 6:The Wild One 7:Fighting Man 8:Only You Can Rock Me 9:Baby Blue 10:Mr. Freeze CD 2:
1:Love To Love 2:Too Hot Too Handle 3:Lights Out 4:Rock Bottom 5:Doctor Doctor 6:Shoot Shoot
Olaf "Olli" Oetken, 10.11.2005