Ufomammut / Lucifer Songs
Lucifer Songs Spielzeit: 65:56 (CD), 34:25 (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: Supernatural Cat Records, 2007
Stil: Experimental, Psychedelic, Stoner Doom

Review vom 07.11.2007


Ulli Heiser
Believe what You see   Believe what You hear
Mein lieber Schwan. Abgrundtief, verzerrt und durch nichts aufzuhalten walzt sich Urlo, beziehungsweise dessen Bass in meine Gehörgänge und gleich danach gesellt sich die nicht minder verzerrte Gitarre dazu. Synthesizersequenzen überfallen scheinbar aus allen Ecken des Zimmers die musikalische Szenerie und stehen minutenlang in minimal veränderter Frequenz im Raum, zirpen, zischen und dröhnen. Dazu fallen klanglich dargestellt Wassertropfen von einer imaginären Höhlendecke und die Bassmembran muss Schwerstarbeit leisten.
Sonargeräusche, die einen tief unter der Wasseroberfläche wähnen, reißen einen aus staunender und irgendwie 'wacher Lethargie' und man überlegt, ob man noch am Musikhören oder bereits am Träumen ist. Normalerweise ist der frühe Samstagmorgen immer eine willkommene Zeit, um Reviews zu schreiben, aber ein glücklicher Umstand hat dafür gesorgt, mir "Lucifer Songs" für den Abend aufzuheben. Nicht auszudenken, diese Musik an einem klaren aber sonnigen Herbstmorgen einzulegen.
Frequenzen jenseits gemeinhin geläufiger Hörgewohnheiten reizen Synapsen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie besitze. Experimentalmusik at its best mit einem Schuss Stoner Doom und das Ganze unter einem dichten Nebel aus psychedelischen, verzerrten und irrealen Sprachfetzen. Das Einzige, was sich stellenweise normal anhört, sind die Drums. Aber auch die werden gnadenlos von diesem grollenden Höllenbass überrollt.
Da freut sich die Musikwelt dass die Boogierocker, auch nach Jahrzehnten immer noch den vierten Akkord suchen und Ufomammut scheren sich generell einen Kehricht um Akkorde überhaupt. "Lucifer Songs", ja, das ist ein trefflicher Titel, denn wenn es in der Hölle Musik gibt, dann wird sie genau so klingen.
Was den letzten Track, "Lucifer Song", angeht, stehe ich vor einem Rätsel - oder auch nicht. Die Spielzeit ist mit 42:14 Minuten angegeben, aber bereits nach etwa elf Minuten ist Stille. Absolute Stille. Mein erster Gedanke war der, dass meine Platte wohl einen Fehler hat. Aber nach exakt 30:45 Minuten werden die Synthies noch mal zum Leben erweckt und ich denke, das gehört zum Konzept von Ufomammuts Werk. Nehmen wir an, die drei Italiener wollten mir eine Pause gönnen, mich quasi entspannen lassen und in Sicherheit wiegen, um dann unerwartet nochmals zuzuschlagen.
»Believe what You see   Believe what You hear«, steht groß im Booklet. Gehört habe ich bereits und lege nun die DVD mit den MPEG-2 Videos ein und kann via Dolby Digital 2.0 noch mal hören und auch sehen. "Am Anfang war das Feuer". Auch die DVD startet mit einem Feuer, psychedelische Farben und Muster laufen passend zu den Klängen über den Bildschirm. Symmetrische Muster mit einem Eigenleben entwickelnden Farben. Es kommen verzerrte und gespiegelte Landschaften in surrealen Farbschattierungen - das Malleus Rock Art Lab hat da tief in die Psycho-Video-Kiste gegriffen und liefert uns Sequenzen, die jeden Augendoktor zur Verzweiflung bringen würden.
Man blickt in den Weltraum und reist Bruchteile später durch Time Tunnels, bis es einem plötzlich dünkt, man rast durch einen lebenden Körper und kann im Vorbeifliegen den Organen beim Arbeiten zusehen. Dann wiederum fühlt man sich als durch ein Batik-Shirt reisendes Atom, bis im Stroboskop-Effekt bunte Planeten an einem vorbeihuschen. Zwischen rot brennenden Teelichtern blendet sich kurz ein Schädel ein, später Hände und wenn ich mich nicht irre, dann werden auch einige Frauenkörperteile eingeblendet. Oder suggeriert mir die parallel laufende Musik das nur und mein Gehirn sieht, was es sehen will?
Mein lieber Schwan, was für ein Trip. Selbsterhaltungstriebe in mir wollen nun eine Regeneration und es tauchen Namen wie Roy Black oder Maria Hellwig auf. Nur, um was total anderes zu hören und die Seh- und Hörnerven wieder zu beruhigen. Aber diese Musik steht nicht im Regal und die Hölle auf Erden muss es ja nicht auch noch sein, denn nach dem Besuch in Lucifers Klangreich braucht es auf Erden ja nicht gleich 'höllisch' weitergehen.
Das ist kein Album, welches man (ich) oft anhören dürfte, aber den Protagonisten gebührt Respekt für ihren Output, der den Hörer per DVD auch visuell auf eine Sinnesreise der besonderen Art mitnimmt.
Line-up:
Poia (guitars, synths)
Urlo (bass, vocals, synths and fx)
Vita (drums)
Tracklist
CD
01:Blind (5:14)
02:Hellcore (5:09)
03:Hypnotized (2:02)
04:Mars (5:38)
05:Astrodronaut (5:39)
06:Lucifer Song (42:14)
DVD
01:Blind
02:Hellcore
03:Hypnotized
04:Mars
05:Astrodronaut
06:Lucifer Song
Externe Links: