Ugly Stick / Still Glistening
Still Glistening Spielzeit: 39:10
Medium: CD
Label: Hovercraft, 2008
Stil: Rock, Country, Punk

Review vom 17.07.2009


Moritz Alves
Na, wer kann sich denn etwas unter einem 'Ugly Stick' vorstellen…? Ehe ich hier aber nur in fragende Gesichter blicke, habe ich schnell die Lösung parat: Als 'Ugly Stick' wird gemeinhin ein traditionelles, neufundländisches Musikinstrument bezeichnet, mit dem man allerhand Krach machen kann. Es besteht aus einem Besenstiel, an dem Schraubverschlüsse von Trinkflaschen, leere Konservenbüchsen, kleine Glocken und ähnliche Krachmacher befestigt sind. Auf diese Konstruktion wird dann beherzt mit einem Drumstick eingedroschen, und herauskommen dürfte ein ziemlicher Höllenlärm, mit dem man unliebsame Nachbarn garantiert zur Weißglut treiben kann.
Glücklicherweise hat die Band aus Columbus, Ohio mit dem 'Ugly Stick' aber bis auf den Namen nichts gemein, denn ein solches Instrument kann ich in den 15 Songs nun beim besten Willen nicht ausmachen. Was aber auch gut so ist, denn auf derartigen Krach hätte ich ganz bestimmt keine Lust gehabt - von meinen Nachbarn mal ganz zu schweigen. Stattdessen rotiert nun mit "Still Glistening" (2008) die neue Scheibe des Quartetts im CD-Player, welche ein hübsches, verschrobenes Gemisch aus Classic Rock, Country, Hillbilly, Roots Rock und Punk-Einspritzern zu bieten hat. Ganze 15 Jahre ist es übrigens her, dass Ugly Stick zuletzt auf der Bildfläche erschienen sind, denn der Vorgänger "Absinthe" datiert auf 1993.
Benötigen 15 Songs wirklich 15 Jahre, um zu entstehen? Ähnliche Dimensionen kennt man aktuell doch eigentlich nur von Guns N' Roses, mit denen die vier Sticks aber rein gar nichts am Hut haben.
Ugly Stick sind zwischenzeitlich getrennte Wege gegangen und hatten erst im vorigen Jahr wieder Lust auf gemeinsames Jammen. Jetzt ist die Band wie gesagt wieder da und überzeugt auf "Still Glistening" mit solch fröhlich-aufgeweckten Songs, dass bestimmt kein Zuhörer Gefahr laufen muss, durch einen kalten Wasserstrahl ins Gesicht vom Einschlafen abgehalten zu werden. Denn langweilig und müde wird einem beileibe nicht während der gut 40-minütigen Spielzeit.
Los geht's nämlich gleich mit dem locker-rockigen "Little Lynn", dessen Chorus zum Mitsingen anregt und dessen Rhythmus sofort in Mark und Bein übergeht. Bleibt im Ohr hängen, das Stück. "Woodbine" nimmt das Tempo daraufhin deutlich raus, schleppt und shuffelt sich ganz wunderbar dahin, während die Band bei "Tammie's Landing" wieder in flottere Rhythmen verfällt. Sehr geil sind hier die leicht angezerrten Gitarrenläufe während des Refrains, dazu der nahezu chaotische Chorgesang, der echten Punk-Vibe versprüht.
Bei "Gone My Love" werden die Sticks dann plötzlich melancholisch und zeichnen ein bittersüßes Herzschmerz-Bild. »Lost holiday you twisted, turned, pulled away/ And we ceased to be« - herrlich, schnüff. Das folgende "Hang Dog Sickness" tut dann durch seine galoppierenden, leicht chaotischen Strophen geradezu so, als wäre nichts geschehen, kommt nur zwischenzeitlich zur Ruhe: »Lay in the shade all day«, heißt es plötzlich und man kann sich vorstellen, wie die Band bei 30 Grad im Schatten faul auf der Veranda hockt.
Ein echtes Highlight folgt mit dem fetzigen, Stones-mäßigen "Wind Up In It", das mit coolem Background-Gesang im Refrain überzeugt und überhaupt durch klasse Melodien bestechen kann. Besonders geil kommt auch die durch Orgeln gestützte, verlangsamte Bridge.
Ein weiterer Höhepunkt ist zum einen das simple und fiese "She's Sick", das abermals mit schönen Backing Vocals im Refrain punktet. Dieser Song trottet geradezu träge nach vorn. Dann wäre da noch das "Rock & Roll Party Weekend", sozusagen das Gute-Laune-Stück der Platte. Mit leicht durchgeknalltem Gesang, aber auch mit ordentlich Spaß inne Backen erinnert es leicht an trashigen, psychedelischen Sechziger-Garage Punk.
Cool ist auch "Soul Satisfaction", das echt eingängig daher kommt, dessen Text sich aber sehr gegensätzlich und irgendwie krank liest: »What would you like to know about me?/ What's your favorite kind of monkey?/ Do you like collecting things?/ Let me explain I'd like to know if you need a new kind of junkie friend« - ja, klar, natürlich, schon kapiert.
"We Like Your Love" fließt wieder ziemlich träge dahin, während bei "Jerry Can't Make Me" abermals die hektisch-durchgeknallte Seite durchscheint. "Candy Corvette Arrangement" ist ein mit Surf-Gitarren gespicktes, tolles Instrumental, das den Hörer packt. Retro-Cabrio-Musik. "Left To Lay" rockt gerade nach vorne weg und "Biomill's Burning" gefällt durch seine balladeske Country-Schlagseite, mit der sich die Jungs ganz entspannt aus "Still Glistening" verabschieden.
Fazit: Hier paart sich traditionelle amerikanische Roots Rock- und Country-Musik mit Classic Rock und Punk der Siebziger, das Ganze gewürzt mit einer sympathisch-verschrobenen Attitüde, die vor allem in den komischen Texten durchscheint. Wer schon immer wissen wollte, wie es klingt, wenn sich die Rolling Stones mit den Clash zum Country-Stelldichein treffen, der besorgt sich "Still Glistening" von Ugly Stick und erfreut sich an diesem vielfältigen, kurzweiligen Album.
Line-up:
Jeff Clowdus
Al Huckabee
David Holm
Ed Mann
Tracklist
01:Little Lynn (2:58)
02:Woodbine (3:04)
03:Tammie's Landing (2:43)
04:Gone My Love (2:27)
05:Hang Dog Sickness (2:31)
06:Wind Up In It (2:48)
07:She's Sick (3:58)
08:Intro (0:19)
09:Rock & Roll Party Weekend (3:40)
10:Soul Satisfaction (2:21)
11:We Like Your Love (3:25)
12:Jerry Can't Make Me (1:39)
13:Candy Corvette Arrangement (2:11)
14:Left To Lay (2:18)
15:Biomill's Burning (2:48)
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