Den Saarbrücker Abend mit den alten Herren aus Großbritannien eröffnete die nachwachsende Generation aus dem Saarland - die Anmutung der Einheizer war für das Heep-Volk jedoch etwas gewöhnungsbedürfig. Die Lokalmatadoren Taletellers sorgten mit ihrem sehr Arsch tretenden, rotz-riffigen Hard Rock irgendwo zwischen Motörhead und Sepultura zwar für ein frühzeitiges und komplettes Entstauben der Lautsprecherboxen, allerdings auch für ein paar Fragezeichen über den Köpfen der Konzertbesucher. Front-Nietenträger Alan Costa mag ein formidabler Einpeitscher sein; Song gewordene Wutschnaubereien wie "Bad Motherfucker" oder "Go To Hell" fanden aber an diesem Abend nur begrenzt die richtigen Adressaten.
Wobei diese in Saarbrücken aus einem erstaunlich gemischten Publikum bestanden! Uriah Heep spielten vor Leuten, die Heep seit mehr als 40 Jahren verfolgten, Leuten, die sie zuletzt mit David Byron live gesehen und Jahrzehnte lang aus Augen und Ohren verloren hatten, und auch vielen Leuten, die noch Jahre bis Jahrzehnte nicht geboren waren, als viele Nummern des Abends Rockgeschichte geschrieben haben. Und genau so wild gemixt zeigte die Band auch, was sie hat! Los ging's mit dem genial groovenden "I'm Ready" vom brandneuen Album "Into The Wild". Und gleich danach begann der wunderbare Zeitsprung-Wahnsinn dieses Abends mit dem pumpenden Klassiker "Return To Fantasy".
Die Stimmung war sehr früh sehr gut, nicht zuletzt weil Strahlemann Bernie Shaw mit sympathischem Smalltalk und fetzenweise Deutsch daher kam. Rechtzeitig zum ersten Höhepunkt waren auch ein paar Abstimmungsdefizite in Sachen Sound ausgeräumt, und die Band konnte den Stimmungsgaranten "Stealin'" unter kräftiger vokaler Mithilfe des Saales richtig schön zelebrieren. Die vierstimmigen Vocals der Band kamen hier schon richtig gut, aber spätestens danach, beim mystischen "Rainbow Demon", lief einem ein Schauer nach dem anderen den Rücken runter! Mit einer dramatischen Bühnenpräsenz und einer betörenden Intensität interpretierte die Band Klassiker wie diesen oder auch "Gypsy" oder "Look At Yourself" - Wahnsinn, wie frisch und voller Magie die Jungs diese Juwelen präsentiert haben!
Und mit einer ganzen Handvoll Stücke vom neuen Album haben sie gleichzeitig bewiesen, dass sie nicht nur in und von der Vergangenheit leben. Dramaturgisch allerfeinstens eingebunden waren die Neulinge obendrein - das mächtig hart rockende "Nail On The Head" direkt vorm zauberhaften "The Wizard" (Kribbeln pur bei Mick Box' Akustikgitarre!), und auf das hohe Tempo von "Look At Yourself" folgte das atmosphärische, getragene "Kiss Of Freedom". Das hat gepasst! Und das großartigste Erlebnis des Abends stand noch aus: "July Morning" ... vielleicht nicht so überraschend, aber es zog einem echt die Schuhe aus! Schon die ersten Orgelklänge von Tastenmann Phil Lanzon versetzten den normalsterblichen Rockfan in eine Hypnose, aus der er zehn bis 15 Minuten später von einer bis zur Ekstase aufspielenden Band erweckt wurde.
Ohne die beeindruckende spielerische Dimension könnten Uriah Heep freilich kein solches Inferno entfachen - die Virtuosität, die Grooves ( Trevor Bolders Basslines lassen einem die Kinnlade runterklappen), die Tightness ... phänomenal gut. Und das jüngste (in mehrerlei Hinsicht) Bandmitglied, Drummer Russell Gilbrook tut dem Ganzen zusätzlich extrem gut - seine Dienste müssen auf jeden Fall gewürdigt werden! Mit einer unglaublichen Härte wuchtet er seine Sticks auf die Felle und treibt altbekannte Klassiker mit ungeahnter Power an; und wenn es Richtung Finale geht, nutzt er gern die zweite Bass Drum! Die Fills sind stark, und auch in den 'ruhigen' Momenten punktet Gilbrook. So war ihm wohl der ganz 'normale' Drive von "Lady In Black" zu langweilig und er groovte sich hinein und spielte auch noch mit seinen Becken rum. Sogar das Drum-Solo - in 90% der Fälle braucht das kein Mensch - war sehr unterhaltsam, weil man merkte, wie viel Spaß es Gilbrook selbst machte!
Die Sahne-Stimmung erreichte in der dreiteiligen Zugabe nochmal eine weitere Stufe. Zuerst kündigte Altmeister Mick Box - grinsender Ruhepol mit cooooler Gestik - den seiner Aussage nach vielleicht ersten Heavy Metal-Song, "Free'n'Easy" an und orderte dazu eine Hand voll Headbanger aus dem Publikum auf die Bühne. Dann beeindruckte Bernie Shaw nach zuvor schon zahllosen technischen und emotionalen Glanzleistungen ein weiteres Mal, indem er sogar die Gesangs-Lines von "Bird Of Prey" perfekt und original drauf hatte - unglaublich! Zu diesem Zeitpunkt war seine weiße Haarpracht schon pitschepatsche nass - voller Einsatz für den Rock'n'Roll! Mit der Pflichtnummer "Easy Livin'" endete ein glücklich machender Auftritt, der praktisch 'nur' mit ganz neuen und ganz alten Nummern perfekt funktioniert hat ...
... und dadurch, dass auch die Band ganz eindeutig nach wie vor einen Wahnsinns-Spaß auf der Bühne hat und verbreitet. Bernie Shaw war so ein bisschen derjenige, der vor jeder "Into The Wild"-Nummer stets freudig betonte, dass die Band ja hier sei, um ein neues Album zu präsentieren. Und Mick Box sinnierte über die alten Zeiten, konnte nicht fassen, wie lange alles schon her ist - aber irgendwie gar nicht negativ im Sinne von 'früher war alles besser', sondern mit einem zwinkernden Auge auf die Zeiten von Sex, Drugs & Rock'n'Roll: »I can't remember a thing. But I know I was there ...« Faszinierend, wie viel Seele diese Musik hat, wie zeitlos gute Musik ist, und wie Uriah Heep beides anno 2011 beweisen!
Danke schön an Heiko Renno von der Garage für die problemlose Akkreditierung.
Setlist:
I'm Ready
Return To Fantasy
Stealin'
Rainbow Demon
Money Talk
Drum Solo
Nail On The Head
The Wizard
Into The Wild
Gypsy
Look At Yourself
Kiss Of Freedom
July Morning
Lady In Black
Encore:
Free'n'Easy
Bird Of Prey
Easy Livin'
Line-up:
Bernie Shaw (lead vocals)
Mick Box (guitar & vocals)
Phil Lanzon (keyboards & vocals)
Trevor Bolder (bass guitar & vocals)
Russell Gilbrook (drums & vocals)
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