Wenn wir live spielen und genügend Leute hören es, wird schon etwas Gutes dabei heraus kommen.
Jamie Hallen Die Vegabonds lieferten mit ihrem Debütalbum "Dear Revolution" eine faustdicke Überraschung ab. Mit so einem Erstling katapultiert man sich schlagartig aus dem Nichts in die (zumindest) zweite Reihe des Jam- und Southern Rock. Derzeit arbeitet die Band an dem Nachfolger "Southern Sons", der Anfang des kommenden Jahres erscheinen soll. RockTimes hatte die Möglichkeit, dem Keyboarder Jamie Hallen per E-Mail ein paar Fragen zu den beiden Alben, ihrer Arbeitsweise und ihrem Background zu stellen


Interview vom 03.10.2011


Steve Braun
RockTimes: Ich habe in eurer Biographie gelesen, dass ihr aus zwei Bands entstanden seid. Kannst Du mal die näheren Umstände erläutern?
Jamie Hallen: Sicherlich. Alex (Gitarre), Bryan (Schlagzeug) und Paul (Bass) waren zuvor in einer Band namens TopHouse aktiv. Alex und ein Freund formierten die Band, als sie 2006 aufs College kamen. Kurz darauf traten Bryan und Paul bei. Danny, unser Sänger, war damals in einer Band, die sich Danny And The Tanks nannten. Beide Bands hatten jeweils vier Mitglieder.
Die beiden Bands hatten einander in der Stadt oft spielen gesehen und ich denke, wir wussten alle, dass wir am Ende zusammen spielen werden. So fragten Alex, Bryan und Paul Danny, ob er bereit wäre, die Bands zu verschmelzen, selbst wenn wir dann ein paar Jungs verlieren würden. Es funktionierte, weil der TopHouse-Sänger keine rechte Lust mehr zum Spielen hatte und der Rest aus Dannys Band eigene Wege ging.
Die vier Gründungsmitglieder beschlossen, Richard Forehand (Gitarre), der ein paar Monate zuvor einen Gig mit TopHouse gespielt hatte, anzurufen. Damals kannte niemand von uns Richard, aber er wollte eine Show mit TopHouse 'jammen'. Glücklicherweise hatte er 'Southern Soul' in den Fingerspitzen, so dass sie ihn eingeladen haben, den Vegabonds beizutreten.
Anschließend dachte die Band, Keyboards und Orgel würde gut zu ihrem Sound passen. Also meinte Danny, er würde da einen Kerl kennen. Sie riefen mich an und wird 'jammten' zusammen. So kannte sich eigentlich vorher außer Alex, Paul und Bryan niemand einander. Alle anderen wurden bei den Vegabonds zusammengeführt und wir haben unsere Ideen kombiniert.
RockTimes: Ich habe gelesen, dass eure Roots bei Bands wie Led Zeppelin, Kings Of Leon oder Pink Floyd zu suchen sind. Beim Hören von "Dear Revolution" dachte ich eher an die
Black Crowes, die Allman Brothers Band und Gov't Mule. Wo haben die beiden letztgenannten Gruppen ihre Spuren bei euch hinterlassen? Und was bedeuten die Crowes für Euch?
Jamie Hallen: Als sechsköpfige Band sind es natürlich mehrere Einflüsse, die unseren Sound definieren. Wir verbringen so viel Zeit, miteinander zu spielen und uns 'on the road' zu zeigen. Unser persönlicher Musikgeschmack reibt sich eher aneinander. Wir alle sehen Led Zeppelin und Pink Floyd als zwei der klassischen Bands aller Zeiten an. Weil wir alle Mitte zwanzig sind, sind die Black Crowes auf jeden Fall eine Band, die wir alle respektieren. Während unserer Lebenszeit sie haben sich als eine der besten Bands erwiesen, die den klassischen 'Southern Rock Vibe' reinkarnieren konnten.
RockTimes: Wie würdet ihr euren Stil beschreiben? Americana? Southern Rock? Jam Rock?
Jamie Hallen: Wir haben vor kurzem die Erklärung gefunden, den Menschen unseren Stil als 'New Southern Rock' zu beschreiben. Wir fühlen, dass wir Southern Rock in unserer eigenen, modernisierten Variante spielen.
RockTimes: Der Titel eures Debütalbums lautet Dear Revolution. Auf welche 'Revolution' bezieht ihr euch?
Jamie Hallen: Die 'Revolution' bezieht sich auf die Einführung unserer Musik in die Öffentlichkeit. Die 'Revolution' ist, der Welt zu sagen, dass sie unsere Musik hören soll, und - noch wichtiger - sie zu beeinflussen und so viele Menschen wie möglich zu berühren.
RockTimes: Wie seid ihr im Studio vorgegangen? Habt ihr viele Songs live eingespielt? Habt ihr gemeinsam die Arrangements ausgearbeitet?
Jamie Hallen: Unser Aufnahmeprozess beginnt stets mit der Aufnahme jedes Liedes (live) mit allen sechs Bandmitgliedern. Die Basics werden mit Bass, Schlagzeug, Keyboards und Gitarren eingespielt. Als nächster Schritt werden die Gitarren, Keyboards und der Gesang neu eingespielt. Soweit die allgemeinen Regelungen, es ist wirklich nur der Song, auf den es ankommt. Es kann vorkommen, dass ein bestimmter Song in beliebigen Kombinationen von uns arrangiert wird. Wir haben zudem eine großartige Beziehung zu unseren beiden Produzenten. Deshalb sind wir auf jeden Fall offen für ihre Einflüsse.
The Vegabonds RockTimes: Wie sieht euer Equipment aus, wenn ihr live auftretet?
Jamie Hallen: Unsere Band besteht aus sechs Mitgliedern: zwei Gitarren (beides, Lead wie Rhythm), Bass, Schlagzeug, Keyboards (digitales Piano und Orgel) und ein Sänger.
[Hier haben die Tücken eines E-Mail-Interviews zu einem Missverständnis geführt, d. Verf.]
RockTimes: Ich kann mir vorstellen, dass eure Musik live besonders gut 'funktioniert'. Macht ihr richtig lange Jams daraus?
Jamie Hallen: Wir brechen während unserer Shows sehr oft in Jams aus, allerdings nicht bei jedem Song! Sie sind auch nicht so lang und ausufernd wie bei den üblichen Jams - selten länger als ein paar Minuten. Wir tun unser Bestes, um die Jams in unserer Art von Musik zu nutzen. Wenn der Song danach 'schreit', werden wir es tun.
RockTimes: Ihr seid aus Sweet Home Alabama. Wie bricht sich das Lebensgefühl des Südens in eurer Musik seine Bahn?
Jamie Hallen: Es ist schwierig, das genau zu beschreiben. Wir wurden alle im Süden geboren und sind dort aufgewachsen. Wir sind mit dem dort üblichen entspannten Lebensstil aufgewachsen. Ich würde sagen, dass unsere Musik auch durch unsere Erziehung beeinflusst wurde, denn sie hat das Potenzial dafür entfaltet und gefördert. Wir sind dankbar, dass wir damit gesegnet wurden.
RockTimes: Wir fragen uns in Deutschland oft, warum im Südosten der US so viele junge, ambitionierte Bands (The Last Straw, Crobar Cane, Zach Williams und andere) geboren werden. Welche Bedingungen fördern die Kreativität der dortigen Musiker?
Jamie Hallen: Es ist sehr schwer, für die anderen Bands zu sprechen. Wir hatten immer die Strategie verfochten, so viel wie möglich live zu spielen. Von Anfang an glaubten wir an unsere Musik. Unsere Philosophie ist: Wenn wir spielen und es genügend Leute hören, wird schon etwas Gutes dabei heraus kommen.
RockTimes: Ihr arbeitet gerade an dem Nachfolger "Southern Sons". Welche Herausforderung seht ihr für euer zweites Album? Was wollt ihr anders machen?
Jamie Hallen: Wir versuchen das Beste aus einem Song zu machen, das möglich ist. Auf jeden Fall wollen wir Kreativität einbringen, was durch das Songwriting stark beeinflusst wird. Wenn der Prozess des Songwritings erstmal beendet ist, folgt die Weiterentwicklung des Songs mit etwas Zeit und Erfahrung durch unsere musikalischen handwerklichen Fähigkeiten ziemlich reibungslos.
RockTimes: Habt ihr etwas an eurer Arbeitsweise gegenüber "Dear Revolution" verändert?
Jamie Hallen: Das einzige, was wir wirklich geändert haben, war der Zeitaufwand, den wir für die Vorbereitungen der Aufnahmen aufgebracht haben. Wir haben viel mehr Zeit verwendet, um die Songs in einer Weise zu schreiben, in der jeder Teil des Songs ein integraler Bestandteil wird und ein Grund zugedacht wird. Wir hoffen, dass die Leute das zur Kenntnis nehmen werden.
RockTimes: Beim Hören der Demos fallen mir gegenüber "Dear Revolution" besonders die vielfach gesetzten Double Leads auf - ein klassisches Southern Rock-Element. Wollt ihr euch stärker in Richtung Southern Rock weiterentwickeln? Deshalb auch der Titel "Southern Sons"?
Jamie Hallen: Eindeutig ja. Nach den vielen Shows wurde dies für unseren Stil immer bedeutender. Die Double Leads wurden aus sehr persönlichen musikalischen Empfindungen heraus geschrieben und geplant. Sie wurden nicht kreiert, um ein 'Southern Feeling' zu schaffen, sondern es geschah völlig selbstverständlich.
RockTimes: Zudem ist auffällig, dass die Songstrukturen griffiger geworden sind. "Georgia Fire" bspw. ist eingängig wie ein Song der Outlaws. Seid ihr auch einen Schritt näher in Richtung Country Rock gegangen?
Jamie Hallen: Nochmal, die Songs sind nicht geschrieben worden, um ein bestimmtes Genre vorzugeben oder zu bedienen. Wir versuchen, jedes Lied einzigartig zu schreiben und dem Gesamtsound mit unserer speziellen Instrumentierung gerecht zu werden.
RockTimes: Ihr wollt im kommenden Januar in Europa touren. Wir haben in Deutschland eine kleine (aber feine) Szene für eure Art von Musik. Spricht sich so etwas bis nach Alabama herum?
Jamie Hallen: Aus unserer Perspektive gibt es bei euch eine kleine, aber respektable Anhängerschaft für unsere Musik aus Alabama.
RockTimes: Gibt es etwas Bestimmtes, was ihr an Deutschland schätzt?
Jamie Hallen: Die eine Hälfte der Band war schon in Europa - die andere Hälfte nicht. Wir alle betrachten dies als äußerst seltene Gelegenheit, die nicht jedem zuteil wird. Wir freuen uns, nach Deutschland zu kommen und unseren Stil und unseren Sinn für Musik in eurer großartiges Land zu bringen!
RockTimes: dankt Dir für dieses Interview. Wir werden uns glücklich schätzen, über eure kommende Deutschland-Tour berichten zu dürfen!
Wir danken Carmen von Teenage Head Music, die dieses E-Mail-Interview ermöglichte, und Jamie Hallen, der uns die Bilder zur Verfügung stellte.
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