Ein Pianotrio über Jahre hinaus dadurch am Leben zu erhalten, dass man Abwechslung bietet und stets neue Impulse einfließen lässt, ist sicher kein leichtes Unterfangen. Dass es geht, hat der Kanadier Oscar Peterson im Laufe seiner langen Karriere exzellent bewiesen. Nun, ab und an hat auch er jedoch das Trioformat erweitert und weitere Musiker hinzugezogen. So war es auch bei Vein und ihrem letzten Album Lemuria, das mit Dave Liebman aufgenommen wurde.
Jetzt wieder im Trio und vom eigentlich 'erschröcklich' gestalteten Cover erblicken uns dann drei 'Saubermänner' in schicken Anzügen. Nun ja, es ist schließlich ein Wahlaufruf und immer dann verkleidet man sich ja auch immer wieder gerne. Also - Ironie unterstellt - passt es natürlich vortrefflich, sich so zu verkleiden, wie wir es vor jeder Wahl wieder vorgestellt bekommen. Aber wir sollten ja nun für Vein voten! Ihnen meine Stimme zu geben, fällt mir schon beim Hören des Eröffnungstitels gar nicht schwer, denn gleich der Start überzeugt über alle Maßen! Humor ist etwas, das satt in das Arrangement einfließt - das ist alles andere als steif, Elemente von Ragtime paaren sich mit freien Ausbrüchen und energischen Swingmustern.
Nach dem wilden Aufmarsch ist dann aber auch Ruhe angezeigt und so führt uns "Dedicated To The Quintessence" dann in ruhigere Gefilde, aber nicht in das übliche Balladenmuster. Hier werfen sich die drei Musiker auf sensible Weise die Bälle zu und verschmelzen zu einem Gesamterlebnis, bestehend aus perlendem Piano, elastischem Bass und spielerischem Schlagzeug. Ganz große Klasse wird geboten, dieses Zusammenspiel und diese Ideen bereiten schiere Freude! Bass und Schlagzeug bestimmen einen klaren Rhythmus, den das Piano aufgreift und so wird mit dem dritten Titel bereits ein weiteres Kapitel des Buches aufgeschlagen, das da heißen könnte: 'Wie spiele ich packenden und modernen Jazz, ohne die Tradition zu vernachlässigen?' Dieses Stück beweist mir schon vor dem kompletten Durchlauf der Platte, dass Vein eines der derzeit besten Trios im Jazz ist! Es geht völlig locker, verspielt und unverkrampft ab - ein wenig spüre ich etwas von der improvisatorischen Quirligkeit eines McCoy Tyner.
Es geht schnell und zügig zu einem sehr ungewöhnlich klingenden Thema auf "No Change Is Strange" ab. Der Bass übernimmt schnell mit einem gestrichenen Solo und ich habe so langsam die Ohren gestrichen voll - voll von dieser faszinierenden Ideenwelt des Trios. Jazz, der alles andere als verkopft ist. Jazz, der mitreißt und die Seele zum Jauchzen bringen kann. Mystisch ist es auf "Clear Light". Dumpfe Basstöne und filigrane Perkussionselemente erzeugen eine Atmosphäre, die uns in einen asiatischen Zauberwald zu entführen scheinen, bis dann mit dem sechsten Track der Schlagzeuger seinen großen Auftritt hat. Nicht nur brasilianische Elemente, sondern auch skurril anmutende und mitunter lustig wirkende Faktoren bestimmen das Bild dieses ungewöhnlichen Schlagzeugsolos, das nach kurzer Einleitung einsetzt, aber immer wieder durch das Piano unterstützt wird.
Den Abschluss dieses wilden Reigens bildet ein teils wüstes Miteinander der drei Musiker. Da swingt ein wenig Thelonious Monk, das Stück wirbelt in unruhigem Ambiente scheinbar mehrere Stile durcheinander, neben Monk noch ein wenig Horace Silver und vielleicht noch ein Schuss Ramsey Lewis? In Anlehnung an einen berühmten Spruch heißt es hier "No We Can't", doch das ist schlichtweg gelogen, wie eben in der Politik oft anzutreffen. Der Reigen hat sich also geschlossen, und darum leite ich über zum zweiten Teil des Songtitels - "Vote For Us Anyway!" Keine Frage, dieser Musik bin ich verfallen, ich mache drei Kreuze, aber nicht, weil es nun vorbei ist. Ach ja - klare Sache: Tipp!!!
Line-up:
Michael Arbenz (piano)
Thomas Lähns (bass)
Florian Arbenz (drums)
Tracklist |
01:Appearance And Speech [Michael Arbenz] (4:12)
02:Dedicated To The Quintessence [Florian Arbenz] (4:25)
03:Movin' Toward The End Of ACountertrend [Florian Arbenz] (6:35)
04:No Change Is Strange [Michael Arbenz] (4:35)
05:Clear Light [Michael Arbenz] (4:17)
06:A Very Alternative Draft [Florian Arbenz] (4:08)
07:Eat The Rich [Thomas Lähns] (1:38)
08:Everything For Everybody! [Michael Arbenz] (5:55)
09:Love The Difference [Michael Arbenz] (4:33)
10:No We Can't - Vote for Us Anyway! [Florian Arbenz] (5:04)
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