Velveteen / 27
27 Spielzeit: 40:17
Medium: CD
Label: Fuego, 2010
Stil: Indie Rock

Review vom 26.02.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Keine Zahlenspielereien!
Das vierte Album der Frankfurter Band heißt "27", weil man siebenundzwanzig Wochen im Studio war, um die Platte im Kasten zu haben. Moment! Das ist ja über ein halbes Jahr. Respekt, da hat man wohl alles perfekt auf den Punkt gebracht.
Seit neun Jahren gibt es die Gruppe in dieser Besetzung und bei der Covergestaltung bleiben sie sich auch so ziemlich treu. Bis auf den Erstling "Keep It To Yourself" gibt es Landschaften zu sehen.
Die auf "27" gezeigten Berge verbreiten auch ein etwas kühles, unangenehmes Gefühl. Die Musik von Velveteen regt nicht nur zum Träumen an.
Mit ihren Gitarren bauen sie Sounds, höher als Hügel und verquicken die Sechssaiterklänge mit eleganter Keyboardartistik.
Der Vierer aus Frankfurt möchte bestimmt auch den einen oder anderen Gipfel erklimmen. Dazu können sie mit dem Album "27" schon einmal elf Kletterhilfen, wie zum Beispiel Steigeisen in einen Felsen hämmern, denn die Lieder sind klasse. Da macht man nicht nur seinem Bandnamen alle Ehre.
Der Samt kann so kratzborstig wie Baumwolle sein und Velveteen webt auch Klänge zwischen Plüsch und Flor.
Die vier Musiker sind ein Unsicherheitsfaktor.
Kalkulierbar ist auf dem Album nichts. Berge von harmonischen Gitarrenklängen brechen auf angenehme Weise über dem Hörer zusammen und dann ändern sich die Stimmung sowie Instrumente. Andersherum geht es natürlich auch.
Viel los ist auf dem Album eh.
Mit der Be- und Entschleunigung kann das hessische Quartett vom Feinsten jonglieren. Nicht genug der Gitarren, Synthesizer und Keyboards ist man auf die Idee gekommen, York Bandow ins Studio einzuladen. Er spielt Saxofon in "I Divided Europe". Ein Versteckspiel, das gegen Ende des Tracks verdeutlicht, wo der Bandow ist. So etwas könnte man öfters einbauen.
Velveteen leisten Pionierarbeit.
Sie machen aus der Altkleidersammlung früherer Dekaden neue Kostüme, die man sich nicht nur zur Karnevalszeit überstreifen darf. Erfolgreich einfallsreich ist Velveteen ebenfalls als Detailforscher. Bevor es in "Cars" mit dem besagten überfallartigen Gitarrenberg losgeht, ist die verhallte Handtrommel (oder eine Schlagzeugtrommel) wie eine opulent tickende Uhr, die sich dem Takt angepasst, nur in Intervallen vernehmbar. Einfach klasse, wenn es um solche Kleinigkeiten geht. Allerdings machen die genau das gewisse Extra an Hörfreude aus.
Da sind wir schon bei "We Measured Twice" angekommen. Mittlerweile wartet man auf den Vulkan, der seine Glut speit, aber dieses Mal halten die Gitarren inne und bleiben auf einem höchst melodischen Niveau.
Tja, da kann man mal sehen, Velveteen kann auch anders. Ein straighter Track geht ebenfalls durch die Qualitätskontrolle.
Eine ganz besondere Mischung aus Kühle und Wärme ist ausgerechnet der Song, den man "Final" getauft hat. Die Musik hat die Ausstrahlung eines offen stehenden Gefrierschrankes und Carsten Schrauffs Stimme ist der Gegenpart dazu. Die Luft kondensiert bei seinem Gesang. Hypnotisch geben die Gitarren modellierte Töne von sich und man hat abermals die Berge vor sich.
"Aspen": Ballade? Durchgängig?
Nach Ruhe hört es sich an, auch wenn Aufnahmespuren rückwärts laufen. Die E-Gitarren bleiben wohltemperiert und hier hat die Band ein wunderbares Kleinod nicht nur für Naturfreunde geschaffen. Bei der bereits auf dem Coverfoto veranschaulichten Richtung, macht die Band aus den dreieinhalb Minuten den balladesken Song des ganzen Albums.
Velveteen ist mit "27" ein tolles Album gelungen.
Line-up:
Carsten Schrauff (vocals, guitar)
Christoph Faust (guitar, keyboards)
Christopher Sparkes (bass, Rhodes)
Thomas Müller (drums, synthesizer)
Tracklist
01:Pictures & Medication (1:23)
02:L.S.P. Wars (3:38)
03:I Divided Europe (3:55)
04:Rookie Of What? (2:46)
05:Cars (4:06)
06:We Measured Twice (4:43)
07:The Crystal Bar (4:10)
08:Escape Plans (3:22)
09:Final (3:49)
10:Aspen (3:36)
11:Little Gaps (4:49)
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