Eine Art Kunstwerk auf dem Plattencover, ein faszinierender Albumtitel - so erwecken Votum aus Polen bereits gekonnt die Aufmerksamkeit des geneigten Prog-Hörers. Und mit ihren Worten gleich noch eine immense Erwartungshaltung. »Sound, visual art, lyrics and facts« sollen miteinander verschmelzen - »bigger than music« soll es sein... »The first step to meta-music. Meta-art. Metafiction.« So auch der Name des zweiten Albums der Band - ein ziemlich interessanter, wie ich finde...
Doch am Wichtigsten ist immer noch die Musik - und wenn Votum sogar 'Meta-Musik' präsentieren, dann muss es musikalisch schon durch und durch passen. Und das tut es! "Metafiction" ist ein hervorragendes Album mit großer Klasse und wunderbarem Tiefgang. Eine sehr intensive dreiviertel Stunde mit enorm vielen Facetten. Die Musik bewegt sich immer wieder zwischen den Polen (no pun intended...), zwischen fragiler, psychedelischer Melancholie und aufwühlendem Prog Metal - dazwischen liegt Neo Prog mit traumhaft schönen Melodien.
Einflussgeber gibt es sicherlich sehr viele, das reicht von Riverside über Neo Progger wie Pendragon und experimentierfreudige Prog Rocker wie Sylvan bis hin zur progressiven Metallfraktion mit Vertretern wie Andromeda oder Pathosray. Und weil Votum so wehmütig-schöne, melancholisch eingetrübte Atmosphären erzeugen, sei es hart und druckvoll oder ruhig und zerbrechlich, empfehle ich ihre Musik auch ausdrücklich Liebhabern von Fates Warning.
Alle diese Künstler kann man auf "Metafiction" punktuell raushören. Aber dennoch haben Votum hier etwas Neues, etwas ganz Eigenes erschaffen. Sie verzichten auf verkopfte, ausladende Komplexität und bleiben in ihren Strukturen recht kompakt und laufen nie Gefahr, die Aufmerksamkeit des Hörers zu verlieren. Das liegt auch daran, dass "Metafiction" ein sehr emotionales Album ist. Ganz intuitiv scheinen sich die Spannungsbögen zu entwickeln, innerhalb der Stücke und auch Song-übergreifend - wellenförmig, zumeist.
Nach und nach bauen sich Dynamik und Dramatik auf, und zersetzen sich dann wieder Stück für Stück. Auf dem Höhepunkt ziehen Votum den Hörer ein ums andere Mal mit sehr atmosphärischer Power in den Bann. Aber auch im Auf- und Abbau überzeugen sie mit wirklich großem Songwriting. Herrlich, wie da mehrere Melodien in Gesang, Gitarre und am Klavier zusammenspielen, in akribischer Detailarbeit und mit ganz viel Gefühl.
Ich finde keine schwachen Momente auf diesem Album. Von balladenhaften Stücken wie "Faces" und "Indifferent" mit nachdenklichem, teils mit Samples angereichertem Ambiente bis zu den Metal-lastigen und teils experimentellen "Stranger Than Fiction" und "December 20th" - beide erinnern auch an Opeth, Pain Of Salvation oder Porcupine Tree - hat jede Minute auf diesem Album ihre ganze eigene Daseinsberechtigung, ist ein Stück des Puzzles, das nicht fehlen darf. Aber insbesondere der Opener "Falling Dream" hat es mir angetan - ein Stück, das süchtig macht, und für mich einer der packendsten Prog-Songs, den ich seit Langem gehört habe.
'Natürlich' ist "Metafiction" ein Konzeptalbum - wie sonst sollte das 'mehr' sein, als nur die Musik... Die Texte aus der Feder von Sänger Maciej Kosinski sind äußerst hörens- und lesenswert. Wenn ich das richtig verstehe - denn so leicht, dass man alles ganz ohne Rätseln auf die Reihe kriegt, sind die Lyrics natürlich nicht verfasst - dann geht es um das Seelenleben eines Mannes, der nach einem Selbstmordversuch im Krankenbett liegt... empfindungsfähig, aber 'gefesselt' im eigenen Körper. Beachtenswert, wie da mit bedrückenden sprachlichen Bildern und visuellen Eindrücken gespielt wird, zum Beispiel mit dem gebrochenen Licht, das durchs Fenster dringt, und den gebrochenen Gliedmaßen... Und so wie der Protagonist sein Zeitempfinden verliert, so paradox verläuft am Schluss auch die Zeitachse des gesamten Albums. Diese traurig-schöne Konzeptwerk überlässt dem Hörer die 'Arbeit', seine Inhalte richtig zusammenzufügen und eigene Schlüsse zu ziehen; und auch das macht es besonders wertvoll.
Am Ende, wenn man die Inhalte im Ohr und im Kopf hat, dann fügt sich sogar das Artwork noch besser in das Gesamtkonzept ein - dieses geheimnisvoll verfinsterte Porträt, die hellen und die dunklen Stellen, die Risse, wie zerbrochenes Glas, und irgendwas fehlt... Damit sind Votum tatsächlich ihrer Ankündigung gerecht geworden, die musikalische, die visuelle und die Textebene miteinander zu verschmelzen. Ein klasse Gesamtkunstwerk!
Line-up:
Maciej Kosinski (vocals)
Alek Salamonik (guitar)
Adam Kaczmarek (guitar)
Zbigniew Szatkowski (keyboards)
Bartek Turkowski (bass)
Adam Lukaszek (drums)
Tracklist |
01:Falling Dream (9:03)
02:Glassy Essence (6:15)
03:Home (6:31)
04:Faces (3:55)
05:Stranger Than Fiction (4:22)
06:Indifferent (4:57)
07:December 20th (9:25)
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