Andreas Weiser ist ein Künstler im wahrsten Sinne des Wortes: Komponist, vielseitiger Musiker, Autor, Fotograf und und und.
Seit 1986 hat er zwanzig längerfristige Reisen nach Brasilien unternommen und dort die Musik, insbesondere die, welche mit dem Stichwort 'Percussion' zu tun hat erforscht.
1993 wurde er sein Radio-Feature "Wie die Nacht den Tag verschluckt. Überleben in Rio de Janeiro" (WDR/NDR) mit dem Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet.
Außerdem komponiert Weiser Musik fürs Theater (unter anderem Tanzfabrik Berlin, Societätstheater Dresden, Freilichtspiele Schwäbisch Hall).
Als Komponist für Filmmusik sei der Tatort "Scheherazade" (RB/WDR, 2005) genannt.
Sein aktuelles auditives Werk hört auf den Namen "Close Distance" und stellt so einen Widerspruch in sich dar. Nähe und Distanz: Wie will man dafür unmittelbare Verknüpfungen, wie es der Album-Titel macht, schaffen?
Darauf gibt Andreas Weiser persönlich die Antwort: »So many units of information keep dancing up and down before our physical and mental system only to impress and manipulate us… The closer we think we are getting to 'it', the more distant from real life we are. So why not step on the brakes once in a while, slow down and concentrate on just one thought and one feel? Instead of being close to things but distant from life it might be worthwhile to distance oneself from things and get much closer to oneself and to what life should be.«
Im Einklang mit sich und der Welt, zumindest der unmittelbaren zu sein, setzt Eigenverständnis voraus… in sich hineinhören…
Mit diesem Leitfaden macht Weiser nichts anderes, als dem Hörer ein Vehikel in die Hand zu legen, die direkte Umwelt für etwas über eine Stunde hinter den Bühnenvorhang zu schieben. Das gelingt ihm und seinen Begleitmusikern auf eine unbeschreiblich leichte Art und Weise, vorausgesetzt natürlich, man hat beide Gehörgänge für jazzige Musik freigeschaltet.
Sphärische Kompositionen, die zwar in dreizehn Stücke aufgeteilt sind, ergeben wiederum eine Einheit, denn man kann seine Sound-Landschaften ohne Pause in einem kompletten Durchgang hören und muss nicht erst am Ende feststellen, dass es der Protagonist, quasi als Komplize geschafft hat, den Hörern bei der 'Flucht' in eine Traumwelt Hilfestellung gegeben zu haben.
Schon das Cover-Foto mit der Abbildung eines Lindensamens hat mich sehr angesprochen. Das Booklet ist fest mit dem Digipack verbunden und alleine schon die Bilder zu den einzelnen Stücken haben mich vergessen lassen, die CD in den Player zu schieben. Andreas Weiser ist auch ein ausgesprochen toller Fotograf, wahrscheinlich mit entsprechendem Equipment. So liefert der Künstler "Close Distance" als Gesamtpaket ab, denn zusätzlich enthält die CD eine Slideshow zu den einzelnen Kompositionen. Klasse, kann man da nur schreiben! Die Aufnahmen stammen allesamt von ihm.
"Zeit Los" ist ein minimalistisches Stück, bei dem nur Weiser an der akustischen Gitarre zu hören ist. Angereichert wird der Track durch diverse Klang-Gemälde, im speziellen hört man Glöckchen, Wassertropfen und flächige Keyboards.
"Twilight, Time Of Gods", mit federleichter Rhythmik unterlegt, hat einen orientalischen Flair. Joachim Litty (baritone saxophone) und Ravichandra Kulur (bansuri flute) sind die Hauptakteure in diesem Track. Einerseits integrieren sie sich, Song-dienlich sozusagen, im Gesamtgefüge der Nummer, anderseits liefern sie auch beeindruckende Solo-Ausflüge ab. Debasmi singt keinen Text im herkömmlich Sinn. Mit ihren Stimmbändern erzeugt sie, ähnlich wie die Instrumente Lautmalereien.
Das ryhthmische Korsett der Stücke wird nicht, wie üblich, durch ein Schlagzeug in Gang gesetzt. Das wäre bei Weisers Musik auch völlig fehl am Platz. Unterschiedlichste Handtrommeln sind angesagt und die schaffen wesentlich mehr Ambiente als Drums.
Welch ein instrumentaler Tausendsassa Weiser ist, stellt er immer wieder auf dem Piano spielend unter Beweis und z.B. nur im Duo mit Detlef Beier (double bass) "Winter" spielt. Eher wird einem warm ums Herz als das es zu frostigen Empfindungen Anlass gibt.
Nur am Rande sei erwähnt, dass "Close Distance" einen umwerfenden Klang hat. Auch das bewirkt einen Hörgenuss der anderen Art.
"Forgotten Love": Jürgen Kupke an der Klarinette spielt die akustische Handlung und Weiser macht mit seinen Stimmbändern so ziemlich das, wofür ein Al Jarreau bekannt geworden ist.
Selbst mit der Harp kann man herrliche Stimmungen erzeugen, fernab von jeglichem Genre Atmosphäre schaffend. Selten ist mir eine derartige Harmonika zu Ohren gekommen. Auch hier sind Weiser und Sahrin Razai in beschriebenen Klangstrukturen vokal unterwegs.
Mit 'Fantasie-Musik', treffender, als Weiser selber es macht, kann man sie nicht beschreiben.
Auf seine Art lässt man sich liebend gerne entführen. "Take Me Away" dürfte wohl der experimentellste Song auf dem Album sein, wenn man einen solchen Maßstab überhaupt anlegen möchte. Dafür sorgt in erster Linie Martin Klingeberg mit seiner Trompete.
Nahtlos schließt sich passend "Der Flug des Vogels" an.
Weiser hat mit "Close Distance" ein vertontes Fotoalbum veröffentlicht, das man auf keinen Fall in die Ecke Easy Listening schieben darf. Davon distanzieren sich die Kompositionen und auch die Musiker spielend auf einer beachtlich hohen Qualitätsstufe.
Andreas Weisers dreizehn Fantasie-Reisen haben überzeugt und sind als zeitlos zu bezeichnen. "Zeit Los" startete der Rundling und wird mit einem "Schattenkinder" durch Streicher-Einheiten fast klassisch beendet.
8 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Andreas Weiser (programming, percussion, guitar, bass, keyboards, harmonica)
Kai Brückner (guitar)
Detlef Beier (double bass)
Thomy Jordi (electric bass)
Joachim Litty (baritone saxophone)
Ravichandra Kulur (bansuri flute)
Jürgen Kupke (clarinet)
Martin Klingeberg (trumpet)
Caroline Siegers (violin)
Sahrin Razai (vocals)
Debasmi (vocals)
Tracklist |
01:Zeit Los (6:26)
02:Twilight, Time Of Gods (5:22)
03:Come Back To Me (4:07)
04:Winter (5:47)
05:Forgotten Love (5:38)
06:Nach dem Regen (4:57)
07:Once I Crossed The Ocean (5:20)
08:Where Am I Belonging To? (5:05)
09:Take Me Away (6:23)
10:Der Flug des Vogels (2:59)
11:What Are We Waiting For? (1:57)
12:Drops (5:32)
13:Schattenkinder (1:58)
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