Das sind genau diese Momente, die einen Schreiberling schon mal hart an den Rand der Fassungslosigkeit bringen können: Man hält das neue Album eines Musikers in den Händen, der kurz vor der Veröffentlichung völlig überraschend verstorben ist, diesen sicherlich ersehnten Moment gar nicht mehr miterleben kann. So gerät die Besprechung einer Platte unerwartet quasi zu einem Nachruf...
Am 8. Juli verstarb der angesehene Singer/Songwriter Brett Walker im Schlaf. Er hinterließ seine Frau Sheron Hope und drei Kinder aus erster Ehe. Sheron schreibt in den Liner Notes, dass ihr Mann begeistert und sehr stolz auf dieses Album war, es sogar als seine beste Arbeit bis dato bezeichnete. Er fieberte förmlich dem Veröffentlichungstermin entgegen. Zwei Jahre hatte er an den Aufnahmen für "Straight Jacket Vacation" gefeilt und dabei - wie so oft - bis auf die Schlagzeugparts alle Instrumente selbst eingespielt. Es dürfte also verdammt viel Herzblut in seinem achten Soloalbum stecken.
Brett Walker war ein großartiger Songschreiber, auch wenn andere mit seinen Liedern ihre Hits einfuhren. Mit einem Augenzwinkern verarbeitete er diesen Umstand im letzten Song von "Straight Jacket Vacation", "Someday I'm Gonna Be Famous". Allerdings wird es schon etwas schaurig, wenn er dort im Refrain singt: »maybe I'll end up just like Kurt Cobain« - uff, da muss man schon mal schlucken!!
Wer das Album aufmerksam hört, kann Brett Walkers Stolz durchaus nachvollziehen. Die Kompositionen sind durchdacht, griffig, mit enormem Zug und immer schön direkt auf den Punkt gerockt. Hier kommt einem unweigerlich Tom Hambridge in den Sinn, ein ebenfalls 'verkannter' Bruder im Geiste. Allerdings sind Walkers Texte um Längen besser als die abgestandenen Plattitüden Hambridges. Die Songs scheinen von der Sonne der kalifornischen Wahlheimat des Protagonisten durchzogen. Das lässige Westcoast-Feeling strahlt ebenso wie kerniger Roots Rock durch die zwölf Takes. Bei "So Happy I'm Crying" klingt's gewaltig nach dem AOR der Toto'schen Strickart... allerdings der einzige Ausrutscher dieser Art. Alles klingt uramerikanisch - das ist authentische Amimucke, fürs (anspruchsvollere) Rockradio bestens geeignet.
Natürlich hat man das alles schon mal irgendwo gehört, aber warum muss denn das Rad ständig neu erfunden werden? Ein Rad ist ein Alltagsgegenstand, ohne den man sich ein Leben nur schwerlich vorstellen kann, ebenso wie eine Existenz ohne gut konsumierbare Alltagsmucke. Täglich Haute Cuisine kann nämlich auf Dauer reichlich eintönig und fade werden!!
Und so lasse ich mit von "Straight Jacket Vacation" schlicht und einfach gut unterhalten. Von losballernden Rockern wie "I'm Gonna Fly" oder "More Than I", von zum Hinschmelzen schönen Balladen wie "Good Enough" (ganz groß!!), von eingängig-melodiösen Arschtretern wie "Better Than Goodbye" und "Streetlights Burning", von Rootsrockern à la "I'll Bet It Hurts" - keine einzige 'Zitrone' ist auf dieser Scheibe zu finden! Einfach Musik für einen guten Start in den Tag - nicht mehr, aber auch keinesfalls weniger.
Es ist schlichtweg tragisch: "Straight Jacket Vacation" verströmt kübelweise Brett Walkers Lebensfreude und -hunger. Es ist schwer vorstellbar, dass dieses Energiebündel vor ein paar Wochen - mit lediglich 51 Jahren - für immer von uns gegangen ist.
Unterdessen dreht sich die Spirit Junky... und unterstreicht, was für ein großer Musiker hier von uns gegangen ist und trotzdem weiterlebt. Ruhe in Frieden, Brett!!
Line-up:
Brett Walker (lead and background vocals, acoustic, slide and electric guitars, bass, keyboards)
Guests:
Tommy 'Mugs' Cain (drums - #8,10)
Pat Leon (drums - #1-3,5,12)
Steven Walker (drums - #7,11)
Tommy Rickard (drums - #4,6,9)
Timothy Drury (keyboards - #8)
Michael Cox (keyboards - #10)
Matt MacKelvie (background vocals - #8, guitar solo - #12)
Todd Herfindal (guitar - #9)
Rich McCulley (guitar - #9)
Marc Camp (bass - #7)
Tracklist |
01:Reaching For The Stars (4:06)
02:What About You (4:17)
03:Better Than Goodbye (4:00)
04:Streetlights Burning (3:49)
05:I'll Bet It Hurts (4:15)
06:More Than I (3:50)
07:Good Enough (4:58)
08:Waiting For Love (4:44)
09:I'm Gonna Fly (4:00)
10:So Happy I'm Crying (4:46)
11:Unlucky At Love (4:21)
12:Someday I'm Gonna Be Famous (4:48)
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