In der gegenwärtigen Zeit ist es schwer, sich aus der Fülle von Bluesrockern, die es wie Sand am Meer gibt, hervor zu heben.
Mit all den (angeblichen) Gitarrenvirtuosen, 'Hau-Drauf-Hauptsache-Laut' Gitarristen, Bands die aus der Biker-Szene kommen und über den Tellerrand schauen, ist es in diesen Tagen unerhört schwer deutlich die Schale vom Ei zu trennen.
Viele Bands/Gitarristen leuchten in der Bluesrock-Sparte kurz auf und verschwinden wieder in der Versenkung. Andere halten sich, mehr schlecht als recht an der Wasseroberfläche.
Wenige Bands bilden eine Spitze, würde man das Bluesrock-EKG ausdrucken.
Als einen dieser Bluesrock-Peaks sehe ich die Coen Wolters Band aus den Niederlanden. Mit ihrem Erstling Broken Glass haben sie schon für mächtiges Aufsehen in der Szene gesorgt. Nicht nur das, ist die Coen Wolters Band eine der positiven Offenbarungen auf der Bühne, ob in Clubs oder auf Festivals, wie zuletzt bei den '15. Rother Blues Tagen'.
Endlich liegt mir nun das lange erwartete Zweitwerk der Band vor: "As The Crow Flies".
Konnte zum Zeitpunkt der Aufnahmen zu "Broken Glass", Coens langjähriger Mitstreiter Marco Kleinnibbelink (drums) aus Krankheitsgründen nicht dabei sein, hat Wolters ihn nach der Genesung wieder ins Boot geholt.
Beide verstehen sich blind, wie es so schön heißt und der seit fast einem Jahr zur Band gehörige Bert Oostveen komplettiert das Trio.
Waren auf "Broken Glass" noch einige Gäste auf der Liste so ist "As The Crow Flies" Coen Wolters Band pur, unverfälscht, so wie ich sie auf einigen Konzerten bereits live erleben durfte.
Dass Coen Wolters ein begnadeter Songwriter ist, hat er schon auf dem Debüt bewiesen. Nach einem solchen Erstling ist es natürlich schwierig, den Erwartungen der Kritiker und Fans gerecht zu werden.
Der Titel der neuen CD ist eine Textzeile aus dem Eröffnungsstück "Devil's Train". Ein mustergültiger Bluesrocker, straighte Drums, voluminöser Bass und natürlich Coens Gitarre, die ohne Effekte nach vorne treibt. Der Einstieg in "As The Crow Flies" ist gelungen und die Schwingen der Krähe machen schon ordentlich Wind.
"Ain't No Way" ist eines meiner Highlight auf "Broken Glass". Coen Wolters hat es verstanden mit "Dance On The Moon" einen würdigen Nachfolger geschrieben zu haben. Die Mixtur aus riff- und solo-orientierter Gitarre ist zum Zunge schnalzen und die Vocals zusammen mit Marco Kleinnibbelink sind einfach nur schön.
Wie in anderen Songs, zeigt Coen, dass er nicht nur ein Meister der Riffs ist, sondern auch der Zauberer von einzelnen, aussagekräftigen Tönen.
Ein weiterer Song, der vom Titel her passt ist "Dancing With Shadows". Marco gibt den Takt vor, Coen und Bert steigen mit ein. Da ist sie wieder, die von mir so geliebte Wah-Wah Gitarre. Auch in der Beziehung ist Coen ein Vertreter der obersten Liga.
Der Blues dient stets als massives Fundament für die Songs. Der Tanz mit den Schatten geschieht in einem funkelnden Rock-Gewand. Das, was im ruhigen Mittelteil gitarrentechnisch von Wolters auf Band gezaubert wurde, ist exzeptionell. Die Tempiwechsel haben Klasse und machen den Tanz höchst abwechslungsreich.
Ganz großes Tennis wird vom Trio auf "Gales" geboten. Das ist buchstäblich der Sturm, der frische Wind, den "As The Crow Flies" ausmacht. Wolters spielt das Giffbrett seiner 'Zsa zsa' Gitarre (ist es die weiße, die er so gerne auf Konzerten spielt?) glühend.
Ist man froh wenn ein Sturm in der Realität schnellst möglich weiterzieht, werde ich mir täglich frischen Wind um die Ohren blasen lassen.
Zu einer rockigen, emotional orientierten Midtempo-Nummer mausert sich "Wilder Than The Wind". Coens Stimme schraubt sich perfekt in ungeahnte Höhen. Abermals liefert er ein klasse Solo ab.
Verfolgen wir den Flug der Krähe, überqueren wir auch das Groove-Land. Es heißt kurz und knapp "Hiding". Nicht nur musikalisch bilden Kleinnibbelink und Wolters eine verschworene Gemeinschaft. Lyrics schreiben können sie auch. Coen singt abwechslungsreich und hat auf "Hiding" einen ausgesprochen relaxten Einschlag. Dem Songtitel entsprechend braucht er sich wahrlich nicht zu verstecken.
Ein wenig entspannter verweilen wir weiterhin im Groove-Land: "Slow Motion" hat den typischen CWB-Beat. Text Kleinnibbelink, Musik geschrieben vom Trio.
Die Crow hat vor ihrem Flug genügend Energie getankt. Sie weiß, wohin sie will und kommt nie vom Kurs ab. Mit anderen Worten: Durchhänger sind hier Mangelware. Die finden sich dann auf Discs anderer Bands.
Begleitete uns zu Anfang der "Devil's Train", haut "The Day I Died" in die Bluesrock Kerbe, dass es sich gewaschen hat. Der unverschämt melodische Refrain sorgt für ausgelassene Stimmung im mit einem allerfeinsten Break versehenen Song.
An den Wolters'schen Riffs und Licks kann man sich nicht satt hören: "Holy Water" ist absolut voll gepackt damit.
Dass Coen Wolters besonders mit Marco Kleinnibbelink (twin brother in crime) aber auch mit Bert Oostveen endlich eine Gemeinschaft gefunden hat, merkt man der CD an.
So wie es sich auf diversen Konzerten bereits angedeutet hat, erhält man mit "As The Crow Flies" CWB pur, so wie sie einem on stage beeindrucken können.
Starkes Songwriting macht Coversongs überflüssig. Coen Wolters hat mit dem neuen Album seinen eigenen, persönlichen Stil zementiert und im bereits oben erwähnten Bluesrock-EKG eine noch deutlichere Marke als mit "Broken Glass" gesetzt.
Sein individueller Stil ist gereift, hat Klasse und macht ihn im Bluesrock unverwechselbar. Und das will im heutigen Musikgeschäft was heißen.
Spielzeit: 46:23, Medium: CD, Crying Tone Records, 2006
1:Devil's Train 2:The Day I Died 3:Gales 4:Dance On The Moon 5:Holy Water 6:Hiding 7:Don't Turn Your Back On Me 8:Slow Motion 9:Wilder Than The Wind 10:Dancing With Shadows
Joachim P. Brookes, 21.04.2006
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