Damian Wilson / I Thought The World Was Listening 1997-2011
I Thought The World Was Listening 1997-2011 Spielzeit: 58:17 (CD1), 57:31 (CD2)
Medium: Doppel-CD
Label: Blacklake, 2011
Stil: Rock

Review vom 16.02.2012


Boris Theobald
Threshold-Sänger Damian Wilson ist in letzter Zeit in großer Feierlaune. Gerade erst hat der Engländer sein 20-jähriges Bühnenjubiläum zelebriert. Dazu hat er mit seiner Begleitband die fabelhafte Live-DVD "Cheers Lads!" rausgebracht - der Untertitel lautet bezeichnenderweise "20 Years Of Avoiding A Job". Darauf spielt er Stücke von Bands und Projekten, an denen er beteiligt war und ist, zum Beispiel Rick Wakeman's English Rock Ensemble, Ayreon, Praying Mantis, Headspace, Landmarq und natürlich Threshold. Und er spielt auch seine eigenen Stücke. Und es ist kein Zufall, dass die Damian Wilson-Tracks bei der Live-Show ein eigenes, in sich geschlossenes Set bekommen. Denn sie haben nun wirklich nichts mit dem zu tun, was die meisten von dem Herrn kennen!
Und damit sind wir bei Teil zwei der Wilson-Feier. Denn auch hinsichtlich seines eigenen Materials nimmt sich Wilson die Gelegenheit, zurückzublicken. "I Thought The World Was Listening 1997-2011" nennt er sein erstes Compilation-Album. In Form von 31 Tracks, knapp zwei Stunden lang, blickt die Doppel-CD auf 15 Jahre zurück, in denen die Studioalben "Cosmas" (1997), "Disciple" (2001) und "Let's Start A Commune" (2003) entstanden sind. Ein ebenfalls in der Songauswahl berücksichtiger, wunderbarer Spezialfall ist dann noch die 2002er-Scheibe "Live In Rehearsal" - eine Art Jam-Session im Studio. Und hier ist der 'Bonus': Fünf Tracks sind neue Versionen, fünf weitere sind bislang unveröffentlichte Songs!
So, und nun ist es an der Zeit, für alle Prog Metaller und Epic Rocker zu sagen: Reset. Alles zurück auf Werkseinstellung! Der Solokünstler Damian Wilson ist ganz anders als der Damian Wilson, der in erwähnten Bands mitmischt. Er ist ein Singer-Songwriter. Seine Stücke atmen Folk und Country. Die wichtigsten Instrumente sind die Akustikgitarre und das Klavier. Percussion, Flöten und Streicher veredeln den Klang. Wer sich Wilsons Werksschau einfach so 'ins Blaue' ordert, kann leicht zurückschrecken vor so viel Nicht-Metal. Vor so viel Damian Wilson. Aber er kann auch im positivsten Sinne überwältigt werden, wenn er offen dafür ist, über den berühmten Tellerrand zu schauen.
Überraschend ist dabei vor allem, wie facettenreich sich der Singer/Songwriter Damian Wilson zeigt. Da ist zum Einen die ruhige und nachdenkliche Seite. "Disciple", "Never Close The Door", oder "Just The Way It Goes", das ist Gesang mit den besagten, typischen Instrumenten eines Akustik-Sets. Die Stimmung ist... bitter-süß, möchte man fast sagen. Nachdenklich, leicht melancholisch, aber keineswegs niedergeschlagen. Wilsons Stimme, die viele nur in der schwermetallischen 'High pitched'-Version kennen, bringt hier enorm viel emotionale Tiefe rein. Zudem sind die Songs ausnahmslos klasse; echte Kleinode der Songwriterkunst. Manchmal, wie im Falle von "Adam's Child", klingt es etwas nach Simon And Garfunkel.
Eine Hand voll seiner Songs hat Wilson eigens neu eingespielt. Ihr Klang sticht noch einmal besonders heraus. Hier spürt man eine ganz besondere 'Nähe', eine Wärme... hat Wilson bei "Nothing In This World Remains The Same" oder "Part Of Me" im Studio womöglich sogar die Akustikgitarre live zum Gesang gespielt? Es wäre kein Problem für ihn - die Live-DVD beweist das. Falls nicht, dann wirkt es so. Bei "Fine Weather" kommt noch eine Mundharmonika ins Spiel; beim gerade mal eine Minute langen "Naturally" der Bruder, Duettpartner Paul Jude Wilson. Von ihm stammt übrigens jener Spruch, '20 Years Of Avoiding A Job'. Man versteht Spaß im Hause Wilson...
"Naturally" ist außerdem eines von vielen Beispielen dafür, dass ein reines Akustikstückchen noch lange nicht als Ballade abgestempelt werden muss. Da ist Dynamik drin! So auch bei "One Life", einem nachdenklichen und trotzdem relaxt lächelnden Stück mit rockigen Drums und etwas Orgel, das dank Akustik-Drive dennoch federleicht bleibt. Wie auch der fast enthusiastisch nach vorn treibende Klavier-Dreivierteltakter "She's Like A Fable" - hat schon einen Hauch von Billy Joel! Nochmal eins draufsatteln? "Please Don't Leave Me 'Til I Leave You" (Ragtime-Rock?!) und "Brightest Way" - wow, ist da Sonne drin! Und alles rein akustisch. Beide Stücke sind vom "Live In Rehearsal"-Album und klingen eben... live! Muss das ein Spaß gewesen sein im Studio...
Ab und zu gibt es den Solo-Wilson auch ganz 'unakustisch', mit kompletter Band und Strom. "Light In The Middle" und "Smile" sind solche Songs. Das ist Orgel-getränkter Positiv-Rock vom allgemein recht flotten, hörbar Beatles-beeinflussten "Let's Start A Commune"-Album. Apropos... der Titeltrack dieses Machwerks ist nicht nur ein Highlight dieser Zusammenstellung, sondern auch eines in Damian Wilsons Solokarriere. Ein Stück, das flugs zu einem Höhepunkt seiner Gigs wurde, eine Art trotzige Alternativo-Big-Band-Party-Hymne: 'So viel Mist auf der Welt und keiner tut was - lass es wenigstens uns anders machen'... die Zeile »I Thought The World Was Listening« stammt daraus.
Noch zwei ganz große Highlights: "Homegrown". Wilson besingt sein letztes Schwätzchen mit dem lieben Gott, der ganz schön erschrickt, als er sieht, was aus seiner Schöpfung geworden ist. Ein originelles Stück, das unglaublich unter die Haut geht - eine sensationelle Melodie und ein famoses Feeling - das Stück könnte eine uralte, verschollene Uriah Heep-Ballade sein! "Naked" - noch so ein Stück wunderbaren Wahnsinns. Hier klingt Damian Wilson Robert Plant zum Verwechseln ähnlich; und die gnadenlos durchbimmelnde Cowbell zu Wah-Wah-Gitarren und wimmernden Orgelteppich machen den Retro-Charme perekt. Das sind auch die Momente, in denen der rockende Wilson nochmal durchkommt und stimmlich elegant und mit bestechender Leichtigkeit auf der Klaviatur rechtsaußen rumtollt.
Auch wer Damian Wilson schon kannte - also den Damian Wilson ohne Band oder mit seiner eigenen - bekommt einen Mehrwert. Die fünf ganz neuen eingespielten Songs gehen vornehmlich in die selbe, sehr ruhige Richtung wie die fünf neu eingespielten Stücke. Hier sticht das besonders einfühlsame "Array Of Lights" nur mit Gesang, Akustikgitarre, Geige und Cello heraus. Das Feeling erinnert mich an ein typisches Arrangement für den alten Johnny Cash. Nur ohne Cash und mit Wilson. Für alle anderen ist "I Thought The World Was Listening 1997-2011" einfach nur eine herrliche Neuentdeckung eines alten Bekannten. Und jetzt wieder die "Wounded Land" von Threshold. Wow, ist dieser Damian Wilson klasse ...
Line-up:
Damian Wilson (vocals)
Andrew Holdsworth (piano - #15, CD2)
Richard George (violin - #1,7,15, CD2)
Tony Woollard (cello - #16, CD1; #1,7,15, CD2)
Richard West (piano - #16, CD1)
Mark Northfield (piano - #14, CD1)
Kendal Sant (harmonica - #10, CD2)
Paul Jude Wilson (backing vocals - #8, CD1)
Tracklist
CD1:
01:Disciple (5:01)
02:Commune (4:32)
03:Beating Inside (5:02)
04:Please Don't Leave Me 'Til I Leave You (3:03)
05:Never Close The Door (2:52)
06:One Life (3:18)
07:A Long Way Home (4:19)
08:Naturally (1:10)
09:Homegrown (4:25)
10:Adam's Child (3:21)
11:Quietly Spoken (3:04)
12:When I Lieave This Land (4:56)
13:She's Like A Fable (3:23)
14:Spin (5:13)
15:See You There (1:53)
16:Wedding Song (2:53)
CD2:
01:Array Of Lights (4:30)
02:Brightest Way (3:18)
03:Light In The Middle (4:39)
04:Smile (4:26)
05:For The One I Long (3:36)
06:Warning Light (3:55)
07:Moment Of Your Doubt (4:20)
08:Naked (4:02)
09:Subway (3:16)
10:Fine Weather (2:47)
11:Nothing In This World Remains The Same (3:14)
12:Just The Way It Goes (4:31)
13:Feels Good (4:37)
14:Nothing Without You (2:35)
15:Part Of Me (3:45)
Externe Links: