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Da wächst ein am Piano hochtalentiertes Kind auf, das einfach nicht akzeptieren will, dass man auch tatsächlich jede einzelne Note eines Mozart-Stückes spielen muss. Zumindest wenn es nach seinen Lehrern geht. Als die dann auch noch so festgefahren sind, dass der junge Kenny bei den jahrhundert alten Werken nicht einmal ein paar der Noten verändern oder variieren darf, verlässt er den Unterricht unter wildem Protest. Zu seinen Lehrern zurückgekehrt ist er nie, aber das Piano hat Kenny White dennoch zu keinem Zeitpunkt verlassen. Nur hat er es ab diesem Zeitpunkt eben so gespielt, wie er es wollte.
Und mittlerweile kennen Millionen von Menschen seine Melodien! Euch ist der Name Kenny White trotzdem total unbekannt? Kein Wunder, denn bis vor ca. 7 Jahren verdiente der Mann seinen Unterhalt hauptsächlich mit dem Komponieren von mehreren hundert Werbe-Jingles oder auch mal dem ein oder anderen Soundtrack, wo es als musikalischen Höhepunkt auch einmal zur Zusammenarbeit mit Keith Richards kam. Schließlich erschien im Jahr 2002 sein Solo-Debüt-Album "Uninvited Guest", dessen Nachfolgewerk "Symphony In Sixteen Bars" in den USA im Jahr 2004 veröffentlicht wurde und nun auch in unseren Breitengraden seine Premiere feiern darf.
Bereits bei den ersten drei Stücken, "Until You Learn", "Shoot The Moon" und "Anabel" wird deutlich, dass White ein sehr starker Singer/Songwriter mit einem feinen Gespür dafür gesegnet ist, auch poppige Einflüsse mit einzubauen und es davon abgesehen zusätzlich versteht, seinen Songs eine gesalzene Dosis Atmosphäre einzuhauchen. "Symphony In Sixteen Bars" fängt kurze Momentaufnahmen eines Mannes in den Straßen von Manhattan ein, der versucht, mit dem täglichen Wahnsinn zurecht zu kommen.
Musikalisch hört sich das Album sehr organisch an und erfreut mit einer tollen Klang-Wärme. Akustikgitarren, der Bass und das Schlagzeug dominieren den Sound, unterstützt von einer Seelen balsamierenden Hammond B 3 oder sehr clever eingesetzten Keyboards und Piano. White versteht es außergewöhnlich gut, seine Songwriter-Qualitäten in Verbindung mit seinen Arrangements und seiner Produzententätigkeit in ein pulsierendes Mini-Kino umzusetzen. Wenn sich die musikalische und gesangliche Umsetzung auch unterscheidet, werden trotzdem automatisch Erinnerungen an ähnlich intensive Geschichtenerzähler wie z.B. Tom Waits oder Randy Newman wach.
Um ehrlich zu sein, hat Kenny White eigentlich keine ausgeprägte bzw. unverkennbare Singstimme, aber er wird seinen Songs und deren Stimmungen mehr als gerecht. Die Texte sind packend und, ohne mich wiederholen zu wollen: Die Tracks atmen, es entstehen zwangsläufig Bilder vor dem geistigen Auge und ich kann beim Genießen dieser elf Titel den Times Square und die vielen kleinen Nebenstraßen mit all ihren Bars, Fressbuden und berittenen Cops fast riechen.
"Symphony In Sixteen Bars" ist kein sehr lautes Album, sondern bevorzugt es vielmehr, seine Geschichten über das Dasein in der schnelllebigen Großstadt intensiv und stellenweise geradezu intim zu erzählen. Sowas ist beileibe kein Kinderspiel, wird von Kenny White aber grandios bewältigt. Ausfälle sucht man hier vergeblich und jeder Track ist ein Mosaikstein dieses, wenn auch etwas ungewöhnlichen, Konzeptwerkes.
Beim Anchecken sollte man "Anabel", "5 Girls" oder "Until You Learn" nicht außer Acht lassen. Kenny White hat hier ein starkes Singer/Songwriter-Album mit Pop-Einschlag abgeliefert, für das ich ihm gerne säuberlich verpackte 8,5 von 10 RockTimes-Uhren in Richtung seiner neuen/alten Wahlheimat Boston zuschicke.
Line-up
Kenny White (vocals, piano, harmonium, wurlitzer, Hammond B 3, guitars, harmonica, bass, percussion)
Jay Bellerose (drums #1, 4, 7, 8, 10)
Shawn Pelton (drums #2, 5, 11)
Dan Rieser (drums #3, 9)
Paul Ossola (upright bass #1, 3, 8, 9)
Paul Bryan (bass #2, 5, 7, 10, 11, chamberlain)
Al Anderson (guitars)
Duke Levine (guitars, mandola)
Joe shepley (trumpet)
Larry Farrell (trombone)
Rick Depofi (bass clarinet, tenor sax)
Marc Cohn (harmony vocals)
Larry Saltzman (guitars)
Larry Campbell (guitars, pedal steel)
David Barratt (ambience)
Amy Helm (lead vocals #5, harmony vocals)
Candace Debartolo (tenor sax)
Antoine Silverman (violin)
Merrie Amsterburg (background vocals)
Ada Dyer (background vocals)
Catherine Russell (background vocals)
| Tracklist |
01:Until You Learn
02:Shoot The Moon
03:Anabel
04:Might As Well Leave
05:Different Today
06:5 Girls
07:Letter From X-Ray
08:Heart Of The City
09:Workin' On A Way
10:Closer
11:Symphony In Sixteen Bars
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