Winger / From The Moon To The Sun
From The Moon To The Sun Spielzeit: 61:09
Medium: CD
Label: Frontiers Records, 2008
Stil: Rock / Progressive / Pop / Experimental

Review vom 20.05.2008


Tom H. Machoy
Kip Winger, Sänger, Bassist und Mitbegründer der New Yorker Hard Rock-Band Winger hat eine in vielen Teilen ungepflegte Website, die meist irgendwie im Jahre 2006 (Forum und Tour sind allerdings aktueller) endet. Wenigstens linkt sie zur aktuellen MySpace-Seite - also surft!
Winger hat sich 1987 nach Alice Coopers "Constrictor"-Tour aus dessen Liveband gegründet. Zusammen mit Paul Taylor an den Tasten, Reb Beach an den sechs Saiten und Rod Morgenstein am Schlagzeug, nannten sie sich zunächst Sahara (auf keinen Fall mit der deutschen Krautrockband Sahara verwechseln!), kurz danach aber dann Winger. Sie verkörperten mit Bands wie
Twisted Sister, Bon Jovi oder Mötley Crüe die Richtung des Hair- oder Poser Metal. Sie tourten mit Ozzy, Cinderella, den Scorpions, ZZ Top, Kiss sowie Slaughter und waren mit ihren Veröffentlichungen ( "Winger" [1988], "In The Heart Of The Young" [1990]) in den USA, Kanada und Japan sehr erfolgreich. Für ihre zweite Tour 1990 wurde Paul Taylor durch John Roth ersetzt. Das dritte Album, "Pull" (1993), wurde ein Flop, die Zeit des Hair Metal war irgendwie vorbei. Die Band löste sich demzufolge auch 1993 auf. Die Zeit der Reunionen ging auch an Winger nicht vorbei, denn 2002 fand man sich in Originalbesetzung zusammen, tourte und brachte 2006 IV heraus. Es folgte eine Europatournee, die auf der Do CD/DVD Live (2007) verewigt wurde.
Und was hat Kip Winger in dieser Zeit so alles gemacht? Um den geht es ja hier eigentlich (aber die Vorgeschichte musste schließlich sein - hängt ja alles miteinander zusammen).
Nach Winger startete er seine Solokarriere, schrieb eigene Titel, stilistisch anders als mit der Band. Und so war sein erstes eigenes Album, "Thisconversationseemslikeadream" (1997), weniger am Hard-Rock der 80er Jahre, sondern ehe an Peter Gabriels Songwriter-Stil orientiert.
1999 brachte Kip ein Akustikalbum mit seinen 'Lieblingstiteln' heraus ("Down Incognito"), dem 2000 sein zweites Soloalbum mit dem Titel "Songs From The Ocean Floor" folgte, für welches er weltweit beachtliche Kritiken einheimste. Eine weitere Akustiksolotour schloss er an, um sich danach verschiedensten Projekten, z.B. dem Schreiben von Filmmusiken zu widmen. Er sang für Alan Parsons und nicht zu vergessen die Winger-Reunion im Jahre 2002 und das Album "IV" aus 2006.
Und nun: "From The Moon To The Sun".
Wie ich finde, ein sehr ausgewogenes Werk, das eine Vielzahl von Musikrichtungen aufzeigt. Es beginnt auch sofort mit einem rockigen, Keyboard-unterstützten, 80er-Stil-Titel. Akustische Gitarren treiben die Musik voran und per Chor wird die Richtung vorgegeben: Kurze orientalische Einsätze, die sich über den Schluss hinaus gesanglich auch in "Nothing" fortsetzten. Dazu gibt es harte Gesangs-und Gitarrenriffs sowie einen Refrain mit Ohrwurmcharakter. Es folgt eine Ballade und die bisher gehörten drei Tracks zeigen ebenso viele Ansätze. Vielfalt scheint hier eine leichte Kunst zu sein und ist obendrein auch gut verschnürt.
Alle Titel der CD dauern zwischen drei und reichlich sechs Minuten und bei den längeren Stücken entwickeln sich schon mal Momente, bei denen ich von progressivem Einfluss sprechen mag.
Und nun gibt es meinen ersten Treffer (eines der längeren Stücke): "Pages And Pages", ein akustisches, ruhiges, sehr entspannendes Stück, das zu Beginn an Pink Floyd, später gesanglich auch an Peter Gabriel erinnert. Nach einem längeren Gesangsteil klingt der Titel mit einem ebenfalls längeren Instrumentalteil aus.
Und mit "Ghosts" folgt auch gleich der zweite Treffer. Ein Instrumentaltitel mit 'fetter' Streicher- und Pianobegleitung. Das ist Musik, die sich weit weg vom Mainstream bewegt, modern, ja gar experimentell, von klasse Musikern, die ihre sehr guten Ideen umzusetzen wissen, präsentiert.
Nach einem weiteren Akustiktitel mit choralem Gesang und feinen, sehr gezielten Gitarreneinsätzen, setzt Kip Winger wieder auf die etwas ruhigere, besinnlichere Schiene. Erwarte bloß keiner ein (Hair) Metal-Album. "From The Moon To The Sun" ist weit davon entfernt.
"California" ist dann am ehesten als Pop zu bezeichnen. Zwar makellos, das Instrumental, aber mir zu schmusig. Da bin ich mit "What We Are" wieder besser bedient. Die Musik ist greifbar (gut Rock-strukturiert), leicht schräg und abgefahren - ein schöner, rockiger Titel. Steigerungen scheinen immer möglich zu sein, wie "One Big Game" beweist. Mehr oder minder gemächlich steigert sich dieser Titel zunächst in den Refrains und gipfelt gegen Ende im Hard Rock. Hätte nicht gedacht, dass Kip sowas hier noch bringt und dann auch noch so gut.
Mit "Why" streut er nochmal eine Ballade ein, die in ihrer ganzen Art wiederholt an Peter Gabriel erinnert. Manchmal meine ich auch, eine gewisse stimmliche Ähnlichkeit zu erkennen. Und wieder ist dies eines der schönen, längeren Stücke. Etwas orientalisches Flair, leicht progressiv-rockig angehaucht, im mittleren Tempo gespielt, ist vielleicht die beste Beschreibung für "Reason To Believe". Hier werden noch mal alle Facetten aufgezeigt und gespielt.
Den European Bonus Track gibt es (nomen est omen) lediglich im 'guten alten Europa'. "Monster" ist ein gelungener Album-Abschluss. Und musikalisch - schon wieder - 'ein Gabriel'. Weltmusikalisch wie "Ovo", rockig und dazu ein Chor wie in "Games Without Frontiers".
Für mich eine sehr gute, gelungene CD, die fast keine Ausrutscher hat und das bisschen Pop habe ich schnell 'überhört'. Dafür sind es der guten Titel doch zu viele. Als Anspieltipps empfehle ich 'meine Treffer'.
Line-up:
Kip Winger (vocals, piano, acoustic & electric guitar, 12 string nylon guitar, bass, synth)
Cenk Eroglu (synth, guitar, effects)
Alan Pasqoa, Noble Kime (piano)
Andy Timmons (guitar)
Ken Mary, Rod Morgenstein (drums)
David Davidson (violin)
John Catchings (cello)
Tracklist
01:Every Story Told
02:Nothing
03:Where Will You Go
04:Pages And Pages
05:Ghosts
06:In Your Eyes Another Life
07:Runaway
08:California
09:What We Are
10:One Big Game
11:Why
12:Reas0n To Believe
13:Monster (European Bonus Track)
Externe Links: