Lucinda Williams / Little Honey
Little Honey Spielzeit: 64:50
Medium: CD
Label: Universal, 2008
Stil: Americana

Review vom 09.11.2008


Markus Kerren
Oh ja, Mann, die Lucinda hat ES! Was immer dieses ES auch ist… Allgemein kann man es eventuell damit beschreiben, dass es diese besondere Art ist, dem Zuhörer mit seinen Songs bis in die Knochen hinein zu kriechen, ihn mit seiner Musik mitten ins Mark zu treffen. So was kann man nicht lernen, hat man entweder oder auch nicht. Eine alte Weisheit besagt, dass man den Blues (im übertragenen Sinn) selbst gelebt haben muss, um ihn authentisch in seinen Songs darstellen zu können. Na ja, über das Defizit eines, gelinde gesagt, 'holprigen' Privatlebens konnte sich die gute Lucinda wohl noch nie beklagen, was sicherlich hilft, diese Wahnsinns-Ladungen an Feeling auf ihre Alben zu bekommen.
Nach einem eher verhaltenen Start (in den Jahren 1979 und 1980 erschienen Lucindas erste zwei Alben) kam der Durchbruch dann 1998 mit ihrem fünften Longplayer "Car Wheels On A Gravel Road". Und seit diesem Zeitpunkt (die älteren Alben kenne ich bisher nicht) liefert die Lady einen Volltreffer nach dem anderen ab. "Essence" (2001), "World Without Tears" (2003), das folgende Live-Album (2005) und auch "West" (2007) sind allesamt uneingeschränkt empfehlenswert.
Die Spannung, wie denn nun das brandaktuelle Langeisen "Little Honey" ausgefallen ist, war dementsprechend groß. "Real Love" ist ein überraschend hart rockender Opener mit einem starken Riff, insgesamt superber Gitarrenarbeit der Herren Pettibone und Lyster, einem eingängigen Refrain und der grundsoliden Bass/Schlagzeug-Fraktion, bestehend aus David Sutton und Butch Norton. Diese vier namentlich genannten Herren haben sich, nebenbei erwähnt, übrigens den Bandnamen Buick 6 verpasst.
Mit "Circles And X's" steht dann eine Midtempo-Ballade der besonderen Art an. Ein Track, bei dem man von Lucindas Gesang sprichwörtlich am Kragen gepackt und emotional ganz kräftig durchgerüttelt wird. Ein Stück wie dieses bekräftigt jedes Wort des ersten Absatzes, kann nur tief aus der Seele kommen und löst durch den Gesang eine Gänsehaut nach der anderen aus.
Auch "Tears Of Joy" und "Little Rock Star" bewegen sich im langsamen, bzw. Midtempo-Bereich und sind recht bluesig ausgefallen. Dass die Williams (die auch hier fast alle Tracks im Alleingang komponiert hat) eine sehr versierte Songwriterin ist, dürfte für die Wenigsten eine Neuigkeit sein. Bei "Honey Bee" wird dann wieder heftig gerockt und es gibt keine Verschleißerscheinungen auszumachen, ein starker Track jagt sozusagen den nächsten. Ein Hammer auch, wer da sonst noch so unter 'ferner liefen' mit dabei ist. Stellvertretend seien hier nur mal die beiden Namen Susanna Hoffs (Ex-The Bangles) und Jim Lauderdale genannt, der ja selbst seit Jahren eine großartige Solo-Karriere am Laufen hat.
Absolute Höhepunkte stellen "If Wishes Were Horses" und "Jailhouse Tears" dar. Während "If Wishes…" als Gänsehaut-Ballade mit einfühlsamem Piano und Slide-Gitarre daher kommt, man sich während des Tracks einmal mehr in Lucindas Gesang verliert, ist bei "Jailhouse Tears", einer Geschichte über zwei Verlierer, deren Liebes-Beziehung genau so im Eimer ist, wie die jeweilige 'weiße Weste', Elvis Costello als Duett-Partner mit am Start. Und die beiden singen, wie sie auf der Straße oder in einer Bar auch reden würden, haben also keine Angst bestimmte Wörter in den Mund zu nehmen, die als nicht ganz 'sauber' gelten. Was diese Geschichte aber umso sympathischer macht!
Die einzelnen Stücke fließen widerstandslos ineinander über und während der dreizehn Titel taucht man sozusagen gänzlich ins Lucinda-Land ab. Die einzelnen Songs sind stilistisch durchaus unterschiedlich, verschmelzen aber zu einem Ganzen, das bei weitem großartiger und wichtiger als seine Einzelteile ist. Bei "Heaven Blues" und "Rarity" ist man längst in den Lucinda-Kosmos eingetaucht und der Williams-Abhängigkeit verfallen. "Plan To Marry"? Oh Mann, dieser Track alleine (nur mit Gesang und der Akustischen gebracht) geht richtig unter die Haut.
Eine Überraschung ganz am Schluss, die auch etwas aus dem Rahmen fällt, ist das AC/DC-Cover "It's A Long Way To The Top", welches sich die heute in Kalifornien lebende Protagonistin aber selbstverständlich auf den eigenen Leib umarrangiert hat. Ein Track, der nicht unbedingt heraus sticht bzw. das Original besser macht. Ich nehme ihn als Bonus aber dennoch gerne mit und Schande macht weder Lucinda dem Song, noch kann der ehrliche Text unsere Miss Williams aus der Fassung bringen.
Es ist erstaunlich, aber Lucinda bringt jetzt seit guten zehn Jahren ein Hammer-Album nach dem anderen raus und das Ende der Fahnenstange scheint noch lange nicht erreicht zu sein. Eine Tatsache, die meinen ungeteilten Respekt abverlangt. Auch "Little Honey" ist also wieder ein absoluter Volltreffer geworden und verdient sich seine 8,5 von 10 RockTimes-Uhren redlich. So kann's weitergehen, ich freue mich schon auf die nächsten zehn Jahre mit hoffentlich weiteren fünf grandiosen Alben.
Lucinda Williams ist eine der ganz großen Ladies der gegenwärtigen Musik-Szene!
Line-up:
Lucinda Williams (vocals, acoustic guitar)

Buick 6:
Butch Norton (drums, percussion)
David Sutton (electric bass, double bass, cello)
Chet Lyster (electric & acoustic guitars, saw, table steel)
Doug Pettibone (acoustic & electric guitars, pedal steel)

With:
Rob Burger (Wurlitzer and Hammond organ, vibraphone)
Matthew Sweet (background vocals)
Susanna Hoffs (background vocals)
Elvis Costello (lead vocals #8) Susan Marshall (background vocals)
Gia Ciambotti (background vocals)
Kristin Mooney (background vocals)
Charlie Louvin (background vocals)
Jim Lauderdale (background vocals)
Tim Easton (background vocals)
Bruce Fowler (trombone)
Walt Fowler (flugelhorn)
Albert Wing (tenor sax)
Tracklist
01:Real Love
02:Circles And X's
03:Tears Of Joy
04:Little Rock Star
05:Honey Bee
06:Well, Well, Well
07:If Wishes Were Horses
08:Jailhouse Tears
09:Knowing
10:Heaven Blues
11:Rarity
12:Plan To Marry
13:It's A Long Way To The Top
Externe Links: