Ray Wilson & Stiltskin / Stiltskin Tour 2007
07.09.2007, Vier Linden, Hildesheim
Ray Wilson Ray Wilson & Stiltskin / Stiltskin Tour 2007
Vier Linden, Hildesheim
07. September 2007
Stil: Rock


Artikel vom 10.09.2007


Jürgen Bauerochse
Ray WilsonDass Ray Wilson vor 10 Jahren das Gesangsmikrofon beim letzten Genesis-Studio-Longplayer "Calling All Stations" übernommen hatte, ist hinlänglich bekannt. Auch seine Solo-Aktivitäten unter eigenem Namen, zumeist unplugged, haben wir natürlich mitbekommen und zur Kenntnis genommen. Des Weiteren hatte ich die Gelegenheit, den Mann bei einem Kurzauftritt in der Halbzeitpause eines Fußball-Bundesliga-Spiels in Mönchengladbach live zu erleben und konnte mich so davon überzeugen, dass er über eine wirklich gute Stimme verfügt.
Ray WilsonDoch das alles hätte noch nicht ausgereicht, um ein Konzert des 37-jährigen Sängers/Gitarristen einzuplanen und zu besuchen. Dazu spielte er noch nicht ganz die Musik, die für mich interessant war und ist. Das änderte sich schlagartig, als ich die CD Live zum Besprechen auf dem Tisch hatte, auf der Ray Wilson seine frühere Band Stiltskin wieder aufleben ließ, mit der er in den neunziger Jahren schon sehr erfolgreich musizierte. Jetzt spielte er die Sounds, die ich so liebe. Nun war Feuer in den Songs, gepaart mit pumpenden Rhythmen und rockigen Gitarrenriffs. Das versprach ein vielseitiges Konzert mit einer Mischung aus härteren Titeln und leisen akustischen Tönen, vielleicht sogar mit einem leichten Touch von Genesis.
Ray WilsonUnd an diesem Freitagabend ergab sich die Gelegenheit für einen Vorort-Test der Live-Qualitäten von Ray Wilson & Stiltskin. Als Location hatte man sich wieder das Vier Linden in Hildesheim ausgesucht, wo Ray Wilson schon im letzten Jahr ein Gastspiel gegeben hatte und offensichtlich sehr gut aufgenommen wurde. Hier hat er anscheinend eine sehr treue und große Fangemeinde, denn schon bei unserem Eintreffen herrschte ein mächtiges Gewusel vor und im Saal. Auffallend war die hohe Zahl an weiblichen Zuhörern. Der Mann scheint auch optisch positiv auf die holde Weiblichkeit zu wirken. Das ist auch mal eine willkommene Abwechslung in der tristen 'Männerdomäne' Rockmusik.
Ray WilsonWie ich im Verlauf des Konzertes feststellen konnte, waren auch jede Menge sehr textsichere Leute anwesend, die so gut wie jeden Song mit den eigenen Vocals begleiteten. Es tummelten sich sogar ganze Familien vor der Bühne und verwandelten das Vier Linden im Nu in einen brodelnden Hexenkessel voller guter Laune. Vater, Mutter, Sohn und Tochter, alle im Tour-Shirt, sich lachend zu den Songs bewegend und singend, so muss ein relaxter Gig sein. So machen Konzerte richtig Spass. Einziger Wermutstropfen: Das Rauchverbot! So gerade noch konnte ich vermeiden, vorzeitig auf Turkey zu kommen. Manchmal ist das Leben eines Rocktimes-Redakteurs wirklich nicht so einfach!
Ray WilsonWährend ich diesen Bericht schreibe und versuche meine Gedanken vom Vortag in Worte zu fassen, dudelt die "Live"-CD im Hintergrund und hilft mir bei der Rückerinnerung. Das kann gar nicht besser laufen, denn der Hauptteil des Konzertes bestand aus Titeln dieses Silberlings, der ja aus einer Art 'Greatest Hits Live' zusammengestellt ist. Und sofort sind die Bilder wieder da. Die Band, diesmal in Quartett-Besetzung, mit Ray Wilson als Blickfang in der Bühnenmitte, produzierte einen perfekten Live-Sound, an dem es absolut nichts auszusetzen gab. Die Lead-Gitarre kam stark und druckvoll aus der PA und wurde grandios von Rays Klampfe unterstützt. Dazu lieferte die Rhythmus-Gruppe einen soliden Part ab. Unauffällig aber doch sehr wirksam. So muss es sein!
Ray WilsonGesanglich konnte Ray Wilson ebenfalls voll überzeugen. Er besitzt wirklich eine ausdrucksvolle und sehr angenehme Stimme, die einem nicht so leicht aus dem Kopf geht und auch nach längerer Zeit nie nervig wirkt. So kamen die einzelnen Songs sehr druckvoll aus den Boxen und wirkten keineswegs glattgebügelt. Im Gegenteil, dieser Gruppensound ging in die Knochen und war perfekt abgestimmt. Manchmal hatten die Stücke sogar etwas Hymnenhaftes.
Ray WilsonIm Kontrast dazu standen die Akustik-Songs, die natürlich auch nicht fehlen durften, spielen sie doch seit Jahren eine sehr gewichtige Rolle im musikalischen Leben des schottischen Sängers. Hier zeigte sich die ganze Vielseitigkeit, die Ray Wilson auszeichnet. Neben seinen Singer/Songwriter-Qualitäten (unter anderem brachte er Dylans "Knocking On Heaven's Door") gab es sogar Ausflüge in den Country-Bereich ("Airport Song"). Und auch das sehr gekonnt, wenngleich das nicht so ganz meine Stilrichtung ist. Auch bei diesen leiseren Tönen machte er eine sehr gute Figur, doch leider waren bei diesem Gig wieder einige unverbesserliche Leute im Publikum, die durch ständiges Gequatsche den konzentrierten Hörgenuss störten. Schade, aber das wird sich wahrscheinlich nie ändern.
Ray WilsonAusnehmend gut gefielen mir auch die akustischen Versionen von drei Genesis-Klassikern. Allen voran "The Carpet Crawl"! Dabei machte Ray Wilson noch einmal deutlich, dass er sich gesanglich auf gar keinen Fall hinter Phil Collins und Peter Gabriel verstecken muss. Eher das Gegenteil ist der Fall. Alle drei Songs der Rock-Dinos gefielen mir besonders, weil sie auf jeglichen überflüssigen Pomp verzichteten und so klar und rein gespielt wurden, teilweise sogar mit Double-Acoustic-Guitars. Keine Frage, dass auch hier die Textsicherheit des Publikums wieder zum Tragen kam.
Ray WilsonAls mit der Solo-Nummer "The Actor" die dritte Zugabe verklungen war, ging ein über zweistündiges Konzert zu Ende, das von einer großen Vielfalt beherrscht wurde. So konnte ich eine Menge an positiven Eindrücken mit auf den Rückweg nehmen. Ray Wilson & Stiltskin haben genau das gebracht, was sie mit der "Live"-CD versprochen haben. Ich bin froh, dass ich mich zu diesem Konzertbesuch entschlossen habe, denn ich hätte wirklich einiges verpasst.
Etwas habe ich aber dennoch zu meckern. Dass ich "Major Tom" bei diesem Gig hören musste, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Musste aber auch nicht sein, obwohl die Zuhörer den Song begeistert abfeierten. Ist eben alles eine Frage des Geschmacks!
Mein besondere Dank geht an das Team von Gordeon Music für die problemlose Akkreditierung und den reibungslosen Ablauf der Formalitäten.
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