»In drei Teufels Namen - dann nehm' ich halt den ollen Wachmann!!« entfuhr es mir, nachdem die vorliegende Wakeman-Scheibe intern wie Sauerbier angeboten worden war. Obwohl mir der Yes-Kram, vor allem der frühen siebziger Jahre, gut gefallen hat, zog ich stets Keith Emerson und vor allem Jon Lord dem guten Rick Wakeman als Keyboarder vor. Der hat mir einfach zu viel mit seinen Synthesizern 'rumgezirpt'...
Und da war die Verblüffung perfekt, als ich "In The Nick Of Time" erstmals in den Player schob - eine überaus positive Überraschung. Eine erneute Zusammenarbeit mit seiner ersten Solo-Band, dem New English Rock Ensemble, präsentiert ein organisch-dichtes Bandgefüge, was man vielen seiner Live-Veröffentlichungen nicht unbedingt nachsagen kann. Bei zwei Stücken der im Jahr 2003 entstandenen Aufnahmen wirkt ein Orchester bzw. Chor mit. Das Booklet enthält zwar ein Bild dazu, allerdings keinerlei Informationen, um welche Formationen es sich handelt. Schade, denn gerade diese beiden Werke sind geradezu genial!
Das New English Rock Ensemble setzt sich aus dem in der Progszene bestens beleumundeten Gitarristen Ant Glynne, dem eher unbekannten aber umso virtuoseren Bassisten Lee Pomeroy und dem langjährigen (und bevorzugten) Drummer Wakemans, Tony Fernandez, sowie dem Sänger Ashley Holt zusammen. Gut, die Darbietungen des Letztgenannten dürften nicht jedem gefallen. Der Mann, der 1968 bei Deep Purple vorsang (aber nicht zum Zuge kam) und danach Warhouse formierte, singt etwas theatralisch - fast wie ein Opernsänger, der sich in einer Rockband versucht. Ich persönlich finde es stimmig und dem orchestralen Charakter von "In The Nick Of Time" durchaus angemessen.
Los geht's gleich mit einem Klassiker, "Catherine Parr" von "The Six Wives Of Henry VII.", Wakemans zweitem Soloalbum von 1973. Ein verblüffend kerniger Einstieg, den der blonde Keyboard-Recke für zahlreiche Jams auf Orgel und Synthesizern nutzt, die allesamt sehr inspiriert klingen. Der zweite Teil, "Beware Your Enemies", bietet monströsen Prog Rock wie aus einem Lehrbuch des Genres entliehen. Hier erhält auch Ant Glynne seinen 'Auslauf' und macht seine Sache überaus gut. Es folgt "Out There" vom gleichnamigen, damals (2003) gerade aktuellen Album. Die majestätische Melodieführung besticht, dagegen ist Holts theatralischer Vortrag vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen. "No Earthly Connection" erinnert in seiner gesamten Dramatik frappierend an die Mephisto-Passagen in Beethoven's Last Night. Klassenummer, aber es soll noch besser kommen...
Bei "Dance Of A Thousand Lights" kommt dann das unbekannte Orchester zum Einsatz (ein Mellotron schließe ich aus!) - das New English Rock Ensemble hat 'Sendepause'. Wakeman 'bearbeitet' dazu stilecht den Konzertflügel, damit erhält das Stück eindeutige Züge von Klassischer Musik - toll. Durch den Einsatz eines Chores (auch hier ist ein Mellotron auszuschließen) wird da allerdings noch einer draufgesetzt! "The Cathederal In The Sky" beginnt grandios wie eine Bach-Kantate. Majestätisch - überirdisch - nicht von dieser Welt - die Superlativen gehen mir hier leider aus...
Daran können die beiden folgenden Songs natürlich nicht mehr anschließen. "White Rock" (die Melodie der Olympischen Winterspiele von Innsbruck) vom 1976er Soloalbum erinnert an eine ELP-Fanfare, zu der die Band etwas eindimensional abrockt. Mit dem Steve Howe-Klassiker "Wurm" wird munter weitergerockt. Hier handelt es sich um einen einzigen Jam über ein Thema, bei dem das New English Rock Ensemble all seine Qualitäten präsentieren darf. Natürlich (es hat schließlich ein Gitarrist komponiert) darf hier Ant Glynne loslegen, aber auch Lee Pomeroy beweist mit 'gurgelnden' Bassfiguren, dass er ein richtig Guter ist! Einzig Tony Fernandez ist dazu 'verurteilt', den Laden mannschaftsdienlich zusammenzuhalten, ums jetzt mal etwas flapsig auszudrücken.
"In The Nick Of Time - Live In 2003" schrammt nur haarscharf an einer Tipp-Grafik vorbei, wofür ich Ashley Holts gewöhnungsbedürftigen Gesang und das stark abfallende "White Rock" verantwortlich machen möchte. Die Stunden, in denen ich mich mit dieser Scheibe befassen durfte, haben einen wirklich nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen!
Das Booklet ist ein echter 'Hingucker' - neben ausführlichen Liner-Notes und vielen Bildchen sind auch durchaus informative Biografien aller Bandmitglieder zu entnehmen. Ein Umstand, der den positiven Gesamteindruck abrundet.
Rick Wakemans "In The Nick Of Time - Live In 2003" sollte in jeder ambitionierten Prog-Sammlung einen exponierten Platz einnehmen.
Line-up:
Rick Wakeman (keyboards)
Ashley Holt (vocals)
Ant Glynne (guitar)
Lee Pomeroy (bass)
Tony Fernandez (drums)
Tracklist |
01:Catherine Parr/Beware Your Enemies (11:07)
02:Out There (13:17)
03:No Earthly Connection (8:06)
04:Dance Of A Thousand Lights (5:48)
05:The Cathedral In The Sky (10:36)
06:White Rock (3:15)
07:Wurm (9:29)
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