Steve Winwood / 19.07.2009, Serenadenhof, Nürnberg
Live Steve Winwood
Serenadenhof Nürnberg
19. Juli 2009
Konzertbericht
Stil: Rock
Fotos: ©Axel Clemens



Artikel vom 25. Juli 2009


Ingolf Schmock
I'm A Man - weißer Orgelkantor mit schwarzer Seele
Steve Winwood eröffnete Deutschland-Tour in Nürnberg

Steve Winwood Er galt schon damals, in den frühen Sechzigern als 'Wunderkind des Pop' und prägte mit seiner unglaublich schwarzgegärbten souligen Stimme die wilden Sturm und Drang-Zeiten der britischen Rhythm'n'Blues-Szene.
Er, der sich nie dem exzessiven Rock'n'Roller-Leben hingab, sich äußerst diszipliniert dem musikalischen Ideenreichtum und seinem Drang nach einem naturverbundenen Lebensstil verschrieb, verkörpert heute als bekennendes Landei eher die wahren Werte des Alters oder bedient Sonntags die Kirchenorgel seiner Gemeinde.
Steve Winwood Längst ist der mittlerweile Einundsechzigjährige vom einstmals schmächtigen, blassen Anführer der Spencer Davis Group und Erfinder der eloquenten Folkrock-Formation Traffic zu einem eigenständig agierenden Kulturprodukt bzw. zur lebenden Musiklegende avanciert, greift neben seinen rar gesäten Soloaktivitäten hin und wieder befreundeten Künstlern instrumental unter die Arme, oder lässt sich zu gemeinsamen Bühnenauftritten mit seinem geschätzten Kollegen Tom Petty sowie zuletzt mit Gitarren-Tausendsassa Eric Clapton überreden.
Mit seinen neuen Lebensabschnittsliedern im Gepäck versüßten der Altmeister und sein vierköpfiges Begleitensemble am vergangenen Sonntag den bis dato von extremen Regengüssen gepeinigten Nürnberger Sommerabend und eröffnete, unter strahlend blauem Firmament, im heimeligen Domizil der ortsansässigen Symphoniker vor 1700 erwartungsfreudigen Musikfreunden den virtuosen Reigen und somit auch einige Rock'n'Soul-Herzen.
Steve Winwood Der mittlerweile etwas angegraute, aber erstaunlich jung wirkende Steve Winwood weihte die überwiegend reifere Konzertgemeinde in den anberaumten zwei Stunden zwar nicht detailliert in seine neun Künstlerleben ein, schmetterte aber das eine oder andere Ständchen vom gleichnamigen aktuellen Studiowerk in den begrünten Innenhof des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes.
Dabei hat seine markante, etwas schneidende Stimme keinesfalls an Kraft verloren, eher im Laufe einer über vier Jahrzehnte andauernden Karriere an Rauheit gewonnen, eben genau richtig, um seinen teilweise weit angereisten Bewunderern, am Lüften seiner musikalischen Schatztruhe aus nicht mehr taufrischen Tagen teilhaben zu lassen.
Steve Winwood Sein geschichtliches Frühwerk "Ich bin ein Mann" ist auch gleichzeitig ein Bekenntnis eines Künstlers, welcher
Jimi Hendrix-Kleinode veredeln oder Chris Blackwells musikalisches Retortenbaby Blind Faith zur wahren Größe erheben durfte und dessen beseeltes Engagement sich nie irgendwelchen Trend-Ansprüchen oder gar Marketing-Strategien unterwerfen vermochte. Er hauchte seiner dominierenden B3-Hammond-Orgel wieder soviel Leben ein, dass sogar ein Bassist zu deren Gunsten als überflüssig befunden wurde, ließ stattdessen die perkussiven Energien mit traumwandlerischen Längen in schmissigen Afrofunk-Stilübungen verlustieren.
Der bis zur Schrulligkeit spielbessesene Instrumentalist wusste hierbei um sein kompetentes Multikulti-Quartett, welches mit den schlagfertigen Burschen Karl van der Bossche und dem gebürtigen Guyanesen Richard Bailey nebst brasilianischem Saitenfiligranten Jose Neto und Saxophonist Paul Booth mehr als nur ein Mittelmaß an Musikalität zur rhythmusverklärten Absolution feilbot.
Steve Winwood Trotz ausufernder Soloausflüge bzw. Improvisationsräume arteten die völlig entspannten Szenerien nie in selbstverliebte inflationäre Schaustücke aus, bescherten den intensiven Ambient-Rock-Fanalen "Light Up Your Leave Me Alone" und "The Low Spark Of High Heeled Boys" die mystische Marinade, welche schon zu Traffic-Zeiten mit reichlich homogener Verve, jenseits des Drei-Minuten-Schemas, im eigenen Studiosaft schmorten.
Winwood wechselte von der flirrenden Kommode zur mintgrünen Fender-Stratocaster, schlägt mit dem grandiosen "Dirty City" eine elektrisierende Brücke zu seinem übermächtigen Gitarrenkumpel Clapton, der sich zum Solo für eben diesen Song anbot und auch konservieren ließ, aber angesichts der spielerischen Leistung der Eminenz in Fleisch und Blut nur als einen Freundschaftsdienst verbucht werden sollte.
Steve Winwood Winwood ist mit Abstand immer ein frappant exzellenter Musiker und Sänger gewesen und verstand es durchaus, mit der nötigen Hipness schwarzen Soul mit knochentrockenem Rhythm & Blues und Pop-Elementen zu kreuzen, Prämissen, welche er während dieses Auftrittes nebst einer grazilen Wohlfühlformel wiederholt für sich vereinnahmen konnte.
Dem nicht gerade redseligen Künstler und seinen Mannen gelang es so, auf vielschichtige Weise das Oratorium zu berühren, sowohl mit ihren leidenschaftlichen Interaktionen, als auch mit der Art und Weise, Winwoods warmherzig groovende Tinkturen zu interpretieren.
Der Mann mit dem Kopf in den Sternen, der sich und seine Musik nicht mehr neu erfinden muss, der sowohl in Clubs als auch auf großen Bühnen die Fans an seinem konzertanten Wellnessprogramm teilhaben lässt, und dieses eben auch gern bei einem Glas trockenen Roten mediterran zu umkleiden vermag.
Steve Winwood Die einzigen Bagatellen an diesem Konzertabend waren für mich die etwas zu überbeanspruchten Jazzphrasierungen des Herrn Booth, welcher wiederum als krautiger Flötist oder hinter den Tasten eine gute Figur machte - und auch die überdrehten Phonstärken im Zugabenteil, anstatt des zuvor perfekt ausgesteuerten Tons, was dem euphorischen "Dear Mr. Fantasy" leider den vollendeten Abgang vergiftete. Das hatte ich glücklicherweise im vergangenen Jahr bei seinem Konzert in der Freien Hansestadt Hamburg schon besser gehört.
Im Nachklang bleibt ein kongeniales Happening - dem zeitlos aber keinesfalls altmodisch die lugende Kluft zwischen den Generationen zu überwinden gelang - und ein sympathischer Musikveteran, der mit rechtschaffendem Ethos und heiterer Gelassenheit weiterhin seinen vom Blues angefüllten Gral in die Welt hinausträgt, in Wirklichkeit dennoch seine universellen Wurzeln schon längst im ländlichen Exil für sich gefunden hat.
RockTimes bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Rapaela Ciblis, Moderne-Welt Veranstaltungs-AG und dem Personal vom Serenadenhof Nürnberg.
Setlist:
01:I'm A Man
02:Hungry Man
03:Can't Find My Way Home
04:Dirty City
05:Pearly Queen
06:Fly
07:At Times We Do Forget
08:Light Up Or Leave Me Alone
09:The Low Spark Of High Heeled Boys
10:Empty Pages
11:Higher Love
12:Dear Mr. Fantasy (Zugabe)
13:Gimme Some Lovin' (Zugabe)
Bilder vom Konzert
Steve Winwood    Steve Winwood    Steve Winwood
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