Wieder hatte Veranstalter Eddy Czesnick es geschafft und den Berliner Rockfans an diesem Montag einen Hochkaräter präsentiert, Van Wilks! Diesen Gig nahm Eddy fürs Cafè Garbáty sehr kurzfristig ins Programm, doch die 'Buschtrommeln' unter den Bluesrockern funktionierten mal wieder perfekt und so war der Saal ziemlich gut gefüllt.
Es gab aber noch einen weiteren interessanten Aspekt, den Gig genau zu begutachten. So gibt es sicherlich nicht viele Musiker, die von sich behaupten können, einen Billy Gibbons von ZZ Top zu ihren Fans zählen zu können. In der Tat lässt Gibbons kaum einen Gig von Van Wilks aus. Außerdem wurde der Texaner von den Musikfans Austins in die 'Texas Music Hall of Fame' gewählt. Mit seiner Band gewann er etliche Musikwettbewerbe, wie zum Beispiel: 'Band des Jahres' (Austin Sun), 'Beste Hard Rock Band der letzten vier Jahre' (Austin Chronicle).
Zudem ließ die CD-Review Running From Ghosts vom RockTimes-Kollegen Jürgen Bauerochse einen heißen Gitarrenrock erwarten. So kam es, dass Eddy um 20.40 Uhr die Band ankündigte. Als ein äußerst lässig wirkender Van Wilks die Bühne betrat, hatte er den Bassisten Francis Campello im Gefolge. Fürs Kraftwerk hatte er Vincent Daune geordert! Ebenfalls ein Mann der Extraklasse, der in der Vergangenheit bei dem leider nicht mehr unter uns weilenden Luther Allison den Takt angegeben hatte. Der Gig wurde instrumental mit "Goin' To See My Baby" eröffnet. Beim folgenden Song, "Mama Talk", steuerte Van dann erstmalig den Gesang bei. Dass er seit gut drei Jahrzehnten im Musikgeschäft tätig ist, konnte man sofort heraushören. Ziemlich locker und routiniert demonstrierte er wahre Gitarrenhexerei. Er ließ seine Finger schnell und meist sanft über den Gitarrensteg huschen. Mal nahm er gekonnt das Tempo raus, um den Fans eine Psychedelic-Ballade zu zelebrieren, um dann beim nächsten Song die Geschwindigkeit auf Jimi Hendrix-Niveau zu erhöhen.
Nach einer guten Stunde wurde eine kurze Pause eingelegt. Zum zweiten Teil erschien ein sichtlich gutgelaunter Van Wilks mit einer Flasche Wasser in der Hand, die er lauthals als »Berliner Wodka« anpries. Die Lacher ganz auf seiner Seite hatte er, als er eine ihm gereichte Zigarette mit der Bemerkung »Oh Marihuana« dankend ablehnte.
Nach diesen willkommenen Showeinlagen sollte es eigentlich weitergehen, doch plötzlich erschien Eddy nochmals am Mikro und teilte den Fans mit, dass sich ein paar »nette Bürger« über die Lautstärke beschwert hätten, und deshalb wurde das Garbáty von grünen Ordnungshütern ermahnt, die Phonzahl zu drosseln. Um die Fortsetzung nicht zu gefährden, wurde mit großem Unverständnis dem Wunsch entsprochen. Wohl gemerkt, ich berichte hier nicht von einem Provinzdorf, sondern von Deutschlands Hauptstadt Berlin! Für mich unfassbar, hatte ich in der Vergangenheit doch wesentlich lautere Gigs erlebt, auch in angrenzenden Kleinstädten.
Von allem unbeeindruckt spielte die Band in gewohnter Manier weiter und ich hatte den Eindruck, dass der Tontechniker fast unbemerkt Song für Song die Drehzahl leicht erhöhte.
In der Folgezeit nahm meine Begeisterung zu. Van Wilks demonstrierte alle erdenklichen Grifftechniken, variierte nach Belieben das Tempo, fügte Slideeinlagen ein und setzte klasse Rhythmuswechsel, Breaks und Riffs ein. Er bot eine geniale Vorstellung!
Bei aller Konzentration, die er bei seinen Gitarrenkünsten benötigte, nahm er sämtliche Regungen des Publikums wahr. Lächelnd ahmte er einzelne Bewegungen unter den Besuchern nach. Selbst ein unbedachter Griff an mein Ohr wurde schmunzelnd von ihm nachgemacht. Überhaupt schien Van Wilks mit dem Verlauf des Gigs sehr zufrieden zu sein, denn er ließ es sich nicht nehmen, die Einheit seiner Gitarre mit dem Saal besonders zu betonen.
Die Fans verstanden die Botschaft. Ein besseres Kompliment konnten sie und das Garbáty von diesem Weltklasse-Gitarristen nicht bekommen.
Die Band präsentierte sich weiterhin in Höchstform. Kein sinnloses Gefrickel oder extremes Ausdehnen der Songs. Alles wurde in großer Harmonie vorgetragen, und die Songs fanden immer ein durchdachtes Finale!
Seltsamerweise bot er urplötzlich Sara, einer jungen Berliner Gitarristin, an, auf die Bühne zu kommen, um auf seiner B.C. Rich ein paar Songs von AC/DC vorzutragen! Die Fans tobten und wollten sie animieren, dass sensationelle Angebot anzunehmen. Doch sie konnte sich nicht entschließen und hatte wohl zu großen Respekt vorm Gitarrenmeister. Eigenartig! Hatte Sara doch erst im Juni von Stoney Curtis fast dasselbe Angebot bekommen!
Nach guten zwei Stunden sollte der Feierabend eingeläutet werden. Doch, wie zu erwarten war, forderten die Fans lautstark Zugaben. Als Van Wilks einen weiteren Song versprach, trat Eddy wieder in Erscheinung und sorgte mit seiner Ansage »Spiel solange Zugaben, bis die Polizei noch mal kommt!« für wahre Begeisterungsstürme. Das Publikum feierte beide Akteure in großem Maße! Nach diesem Freifahrtschein drehte die Band noch mal richtig auf, und nach weiteren 30 Minuten ließen sie restlos begeisterte Fans zurück.
Mit einigen Abstrichen lässt sich Van Wilks durchaus in die Bluesrock-Kategorie einordnen. Diesen Gig würzte er mit wunderschönen Blues-, ausdrucksstarken Psychedelic-, schnellen Hardrockeinlagen, sowie etwas Funk und einem Schuss Rock'n'Roll. Etwa eine Mischung aus Jimi Hendrix, ZZ Top, Van Halen und Michael Landau. Sein außergewöhnliches Gitarrenspektakel hatte bei mir bleibende Schäden hinterlassen und zwangen mich geradezu, zwei Silberlinge zu erwerben.
Während ich mir noch eine Pilsbrause gönnte, ließ ich das eben Erlebte Revue passieren. In Gedanken fragte ich mich, wer hinter den Kulissen des Garbátys arbeitet? Warum die Gerüchte umherschwirren, dass der Club geschlossen werden soll? Warum solch großartige Musiker wie Ian Parker, Innes Sibun, Stoney Curtis, T. M. Stevens, Coen Wolters usw. ausgerechnet in Pankow ihre Visitenkarte abgeben? Wolfgang, so wurde mir erzählt, ist der Club-Chef und Eddy holt die ganzen großen Gitarristen ins Garbáty. Eddy hatte ich schon etliche Male gesehen und mit ihm das ein oder andere Wort gewechselt, aber mich nie mit ihm großartig ausgetauscht. Nun lief er mir durch Zufall direkt über den Weg. Sofort fragte ich ihn nach einem Interview für RockTimes, und nur ein paar Minuten später saßen wir gemeinsam am Tisch und plauderten munter drauf los. Dabei erfuhr ich unter anderem, dass Roger Chapman wahrscheinlich demnächst im Quasimodo auftreten wird. Den Rest erfahrt Ihr demnächst, wenn das Interview online gestellt ist.
Line-up:
Van Wilks (guitar, vocals)
Francis Campello (bass)
Vincent Daune (drums)
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