Spielzeit: 56:44 Medium: CD Label: Proper Records, 2011 Stil: Indie Review vom 18.11.2011 Norbert Neugebauer

Nun, das Treffen von speziell Mr. Scott mit Mr. Yeats dauert inzwischen schon geraume Zeit an. Der Mastermind der Waterboys versucht sich schon seit seiner Jugend an den Gedichten des großen Dichters (und auch anderer Kollegen); das hier ist allerdings sein erstes Konzeptalbum mit den Yeats-Vorlagen.

Die musikalische Inszenierung von literarischen Texten und insbesondere von Poesie ist ebenfalls nicht neu, das findet sich nahezu in jeder Kultur. Nicht immer mit einem überzeugenden Resultat, wobei mir als positive Beispiele im Rockbereich spontan hierzulande die Band Poesie und Musik von René Bardet und jenseits des Kanals diverse Robert Burns-Projekte einfallen.

William Butler Yeats war Ire und bekam als einer der gewichtigsten englischsprachigen Dichter und Autoren 1923 den Literatur-Nobelpreis. Sprachgewaltig, bild- und symbolhafthaft sind seine Texte, das vermittelt sich auch dem, der nur Schulenglisch beherrscht. Da hat natürlich Mike Scott, der aus Edinburg stammt, ganz andere Voraussetzungen. Nach eigener Auskunft in einem 'Haus der Bücher' aufgewachsen und mit (bald abgebrochenem) Studium der englischen Literatur und Philosophie, interpretiert er die großen Dichter seines Kulturkreises kompetent und eindrucksvoll.

"An Appointment With Mr. Yeats" ist für mich die erste Begegnung mit den Waterboys. Und die fällt schwer beeindruckt aus. Wer neben Scott noch fest zur Stammbesetzung gehört, wird mir nicht ganz klar. Zumindest Violinist Steve Wickham ist schon länger im Boot, Sängerin Katie Kim wird seit 2009 gelistet, der Rest kam wohl erst für diese Produktion dazu. Allerdings ist die komplette Besetzung erstklassig, Gäste sind u.a. Multiinstrumentalistin Kate St. John, Flötistin Sarah Allen von Flook und Posaunist Blaise Margail. Keineswegs verkopft, sondern sehr sinnenfreudig hat Scott mit seinen Mitspielern die Vorlagen in Musik gebettet, die mit einigen traditionellen Anleihen an die heimische Folklore Power und Esprit aufweist.

Die erste der vierzehn Umsetzungen, "The Hosting Of The Shee", kommt mit Wucht und ausgesprochen dynamisch daher. Wer intellektuelle Vergeistigung angesichts des Vorhabens befürchtet hat, wird hier sofort erfreut feststellen, wie falsch er damit lag. Der "Song Of The Wandering Aengus" ist zwar vom Arrangement wesentlich ruhiger, aber die Scott'sche Rezitation ist dafür umso expressiver und eindringlicher. Mal oppulent, mal zurückhaltend, da orchestrale Instrumentierung, dann wieder kammermusikalisch reduziert, folgen die restlichen Stücke. Elektrische und akustische Instrumente werden abwechslungsreich eingesetzt, von Klassik-Pop über Beat, Celtic Folk und Blues bis zu Psychedelic reichen die Stilistiken, mit denen Scott perfekt spielt. Er hat auch die richtige, kräftige Balladenstimme für Yeats' Poems und mit Katie Kim eine Partnerin am Mikrophon, die eine ausgesprochen erotische Note in die Songs bringt. Oft ist sie zwar nicht zu hören, aber wenn, dann knistert es gewaltig!

Bei mir hat es etwas gedauert, bis dieses Werk gezündet hat, aber seitdem rotiert es im Player mit wachsender Begeisterung meinerseits! Ob man nun schon mal was von Mr. Yeats gehört hat oder nicht, spielt keine große Rolle. Aber das Treffen mit Mr. Scott und seinen Waterboys (bzw. -girls) ist absolut lohnenswert! Endlich mal wieder ein innovativ bemerkenswertes Album von den Inseln, das musikalisch aus dem Vollen der letzten 50 Jahre schöpft und trotz des literarisch ambitionierten Vorhabens ausgesprochen unterhaltsam ist!

Im Booklet sind natürlich alle Texte enthalten.

Meine Verehrung!

P.S.
Am 14. und 15. März 2012 gibt es zwei exklusive Gastspiele der Waterboys in Berlin (Huxley's) und Köln (Gloria).

Line-up:
Mike Scott (electric guitar, acoustic guitar, cabasa, loops, virtual horns, keyboards, treatments, effects, percussion, voice)
Steve Wickham (fuzz fiddle, white birds)
Katie Kim (voice)
Ralph Salmins (drums, perc)
Marc Arciero (earth resonator)
James Hallawell (piano, keyboards)
Kate St.John (sax, cor anglais, oboe)
Joe Chester (electric guitar, stun guitar, harmonium)
Blaise Margail (trombone)
Freddie Stevenson (voice)
Sarah Allen (flute)