750 Jahre Goch. Den Schwanenteich, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt gibt es nicht mehr. Das Terrain wurde nun zur Nierswelle. Fury In The Slaughterhouse gibt es nicht mehr. Die Brüder Kai und Thorsten machen nun als wingenfelder:Wingenfelder weiter. Nach der offiziellen Eröffnung der neuen Gocher Attraktion war Musik angesagt. Die Seebühne präsentierte sich zum ersten Mal als ein hervorragender Treffpunkt für Open Air-Konzerte und der Sound war beeindruckend gut. Da darf man jetzt schon darauf hoffen, dass noch viele weitere Gigs dort stattfinden werden. Die Location hat ihre Feuerprobe nach einem fast zweistündigen Konzert von wingenfelder:Wingenfelder bestanden. Die Tragfähigkeit der Bühne im Wasser wird bei dem Auftritt der Duisburger Philharmoniker einer echten Belastungsprobe unterzogen.
Gemessen an dem enttäuschenden Ausscheiden der Frauen-Fußball-Nationalmannschaft bei der WM konnte die in sechsköpfiger Besetzung angetretene Band einen glänzend erspielten Sieg einfahren. Es war ein herausragendes Konzert!
Das Wetter spielte ebenfalls mit. Bei angenehmen Temperaturen sorgten wingenfelder:Wingenfelder unter blauem Himmel für mächtige Stimmung. Die Setlist bestand aus rund fünfzehn Songs und als Zugabe wurden drei weitere draufgepackt. Die Mischung aus Klassikern der Fury In The Slaughterhouse-Zeit und neuen Songs, die unter anderem auf dem im September 2011 erscheinenden Album "Besser zu zweit" zu hören sein werden, war sehr abwechslungsreich.
Am flachen Niederrhein schraubten "Radio Orchid", "Won't Forget These Days", "Time To Wonder" oder "Trapped Today, Trapped Tomorrow" die Begeisterung des zu vielen Titeln mitsingenden Publikums in hohe Regionen. Mit "Alone" hatte man einen Song aus Kai Wingenfelders Solo-Album am Start und zwischendrin kam es zur offiziellen Übergabe eines Bildes an den Bürgermeister der Stadt Goch, denn der Song "Blind Trust" wurde zum musikalischen Motto der Feierlichkeiten erkoren.
Kai und Thorsten konnten ein ums anderer Mal auch in der Entertainer-Rolle punkten. Die Band schöpfte sozusagen aus dem Vollen und in ihrem quasi akustischen Konzert gab es die bekannten Fury-Songs in Neubearbeitungen, die alle ein Volltreffer waren. Power und Drive gingen dabei nicht verloren und der Wechsel von Instrumenten sorgte zusätzlich für Begeisterung. Herausragend war der Gesang. Ob zwei-, drei- oder vierstimmig, die Vocals krönten ein Konzert der Extraklasse. Beim Einsatz der Gitarren konnte eine Parallele gezogen werden. Fast ausschließlich Akustische waren am Start. Ab und an wechselte Thorsten zur roten Halbakustischen oder Mandoline. In den neuen Liedern mit deutschen Texten reflektierten die Brüder ihre vielfältigen Lebenserfahrungen und die musikalische Umsetzung war umwerfend.
Die herausragenden Kollaborateure konnten den Gig von wingenfelder:Wingenfelder zu dem machen, was er letztendlich war: mitreißend. Der Schlagzeuger Lutz Sauerbier brachte einen Geigenbogen zum Einsatz, spielte Cajon und nutzte sogar das hinter ihm befindliche Geländer als Rhythmusinstrument. Volker Rechin hatte im wahrsten Sinne des Wortes viel zu tun, denn einerseits spielte er Gitarre und dann zupfte er auch noch den Bass.
Auf lyrische Lieder folgten rockende Kracher und im Laufe der Spielzeit hielt es die meisten Musiker nicht mehr auf ihren Hockern. Aus meiner Sicht hat es das Duo geschafft, eine neue Hymne zu kreieren. "Angst vor der Angst" begann sphärisch und entwickelte sich zu einer dramatischen Inszenierung der Emotionen.
Der Opener war ein erster Wegweiser für das, was noch folgen sollte. Zu traumhaften Keyboard-Klängen enterte die Band die Seebühne und in den rockigen Songs befanden sich immer wieder Traum-Intermezzi, in denen Keyboarder Alex Blum die verführerische Weite klangvoll untermalte. Neben "Angst vor der Angst" war "360 Grad Heimat" ein weiteres Wellenbad der Gefühle.
Ja, Goch konnte auch laut sein! Da fast alle Zuschauer schon standen, konnte es keine Standing Ovations geben, aber der aufbrandende Beifall sorgte für eine dreiteilige Zugabe, an deren Ende "Trapped Today, Trapped Tomorrow" stand.
Für Open Air-Konzerte ohne Eintritt wählt man häufig den Begriff 'umsonst und draußen'. Bezogen auf den wingenfelder:Wingenfelder-Auftritt war hier gar nichts umsonst. Das Brüder-Duo steht nach der Fury In The Slaughterhouse-Pause am Start einer neuen, anderen Karriere, der man mit viel Freude entgegensehen kann. Die fast zwei Stunden waren Entertainment auf sehr hohem Niveau und schließlich hatten die pyrotechnischen Effekte für mich symbolischen Charakter, denn sie spiegelten ein fesselndes Konzert wider. Chapeau wingenfelder:Wingenfelder & Co.!
Line-up:
Kai Wingenfelder (vocals, backing vocals, guitar, percussion, harp)
Thorsten Wingenfelder (vocals, backing vocals, guitar, mandolin)
Norman Keil (guitar, glockenspiel, backing vocals)
Alex Blum (keyboards)
Volker Rechin (bass, guitar, backing vocals)
Lutz Sauerbier (drums, percussion)
Bilder vom Konzert
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