Die Aussage »Ich gehe ins Bett« meint normalerweise, sich zuhause zur Ruhe zu begeben. Aber in Frankfurt am Main kann dies auch etwas anderes bedeuten: der Besuch eines kleinen Clubs, der in den westlichen Industriegebieten liegt. Gut zu erreichen, aber recht abgelegen, daher ist es eher unwahrscheinlich, dass sich dorthin jemand zufällig verirrt. Was sich auch am 19.03.2016 zeigte, gerade mal geschätzte dreißig Zuschauer fanden sich zu einem Abend mit britischem Doom ein. Zugegeben, der Name der Lokation war mir zwar bekannt, doch bisher war ich noch nicht dort gewesen. Dabei ist der Club sehr sympathisch, nettes Personal, feine kleine Bühne mit gutem Sound, Getränkepreise durchaus in Ordnung. Parken ist in 50 Meter bei der Kommunikationsfabrik möglich, früher kostenlos, mittlerweile zwei Euro für den ganzen Abend.
Einlass war 20 Uhr, Beginn sollte 20:30 Uhr sein. Beim Eintreffen um 20:10 Uhr waren gerade mal fünf Gestalten bereits anwesend, ein Wert, der sich nur schleppend (weil doomig?) verdoppelte und weiter steigerte. Anscheinend wartete/hoffte man auf das Erscheinen weiterer Gäste. Denn die Musiker wurden zwar gesichtet, betraten jedoch noch nicht die Bühne. Oder mussten Sea Bastard erst einen gewissen Alkohol-Level erreichen, bis sie endlich gegen 21 Uhr bereit für ihren Auftritt waren?
Okay, warten ist nicht so schlimm, solange es äußerlich trocken, aber innerlich genug zum Anfeuchten vorhanden ist. Doch Electric Wizards
"Black Mass" von Konserve lauschen kann ich auch zuhause.
Sea Bastard, die man an diesem Abend leicht gehässig auch als 'Drunk Bastard' hätte bezeichnen können, spielen Sludge Doom Metal mit recht fiesen Vocals. Frontbrüller/growler Monty wirkte recht 'gefährlich' mit seinen wenigen, dürren Rastazöpfen und der brutalen Stimme. Gitarrist Oli mimte den wilden Langhaarigen, präsentierte mit freiem Oberkörper seine vielen Tattoos. Er sorgte außerdem für schwere Riffs und teilweise stark verzerrte Töne und Rückkopplung. Die beiden sind der optische Blickfang der Band. Bassist Steve hingegen stand recht unauffällig in der linken Ecke und was er spielte fiel auch nicht weiter ins Gewicht. Hier musste ich doch an den alten Musikerwitz denken »wie nennt man die Typen, die neben den Musikern stehen? - Bassisten«.
Die 'Bastarde' aus der Küstenstadt Brighton fuhren ein echt fettes Brett auf, das mir gut gefiel und den späteren Kauf der CD "Scabrous" zur Folge hatte. Dieser Titel, der Bandname, die Illustrationen, die Mutationen von Menschen mit Tentakeln zeigen und manche Textzeilen lassen mich vermuten, dass hier (wie so oft) H. P. Lovecrafts Kreaturen für Inspiration sorgten. Ist zwar nichts Neues, aber immer wieder gut - und wenn in Kombination mit gelungenem fiesen Sludge Doom trifft das meinen Geschmack. Gelungener Gig, auch wenn die Promille der Musiker vielleicht ein wenig zu viel waren und die Wartezeit nicht hätte sein müssen, dennoch: Daumen hoch.
Zum Glück war die Umbaupause (trotz Ab- und Aufbau des Schlagzeuges) zu Witchsorrow recht kurz, so dass es gegen 22 Uhr weiter ging. Diese unterscheiden sich rein optisch schon deutlich von ihren Landsmännern. Das Tragen von Kutten deutet auf eine eher traditionelle Ausrichtung der Musik hin. Ein gewisser Anteil Heavy Metal lässt sich in ihrem Doom-Sound ausmachen, wobei der 'Hexenkummer' insgesamt typisch britischen Doom spielt. Dabei variiert die Geschwindigkeit von verhältnismäßig flott bis fast zum Stillstand. Die Vorväter aus Birmingham
lassen stellenweise auch grüßen.
Schwere Riffs (was auch sonst…) dominieren das Klangbild, gespielt von Nick 'Necroskull' Ruskell, der auch singt. Zusammen mit Bassistin Emily Witch (mit der er auch verheiratet ist) ist er der Aktivposten bei Witchsorrow, wobei auch Schlagzeuger David Wilbrahammer Akzente setzt, was live deutlicher zu merken ist als auf Konserve. Wobei ich zugeben muss, bei diesem Trio mag ich vor allem zusehen, wie Emily spielt (daher auch mein Standplatz auf der linken Seite an diesem Abend), die obwohl blond nicht wie ein Püppchen wirkt, sondern ihre Frau steht wie eine waschechte Metallerin, die auch beim Auf/Abbau mit anpackt und während des Konzertes ordentlich abrockt (damit die Ehre der Bassisten, vor allem Bassistinnen, rettet…).
Witchsorrow erfinden sicherlich den Doom nicht neu, dennoch gelingt es ihnen, abwechslungsreiche Songs zu schreiben, die gerade durch ihr unterschiedliches Tempo gewisse Spannung bieten. Eine Stärke, die vor allem live spürbar ist und sich als Pluspunkt erweist, dadurch für Stimmung im Saal (bei den leider viel zu wenigen Anwesenden) sorgt. Songs wie "To The Gallows" und "There Is No Light, There Is Only Fire" von der 2015er CD "No Light, Only Fire" erwiesen sich live als mitreißend, wobei für mich persönlich das Highlight der Titeltrack vom Vorgänger God Curse Us war. Die Titelzeile »God Curse Us… Everyone…« hat einfach etwas total Vernichtendes, doomiger geht es kaum - herrlich.
So hätte es meinetwegen noch einige Zeit weiter gehen können, aber bereits nach einer guten Stunde war Schluss - keine Zugabe. Irgendwo verständlich bei so wenig Publikum, wobei die Stunde durchaus sehr intensiv war und sich gelohnt hat. Für dreizehn Euro schon okay, aber es hätte auch mehr sein können. Das war dann doch ein kleiner Wermutstropfen an dem ansonsten gelungenen Abend.
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