Würziger / 28.01.2011, Coffehouse, Kleve
Rocktimes Konzertbericht
Würziger
Coffehouse, Kleve
28. Januar 2011
Stil: Jazz


Artikel vom 03.02.2011


Joachim 'Joe' Brookes
WürzigerVier individuelle Instrumentalisten bilden die Gruppe Würziger und obendrein kommen sie auch noch aus der näheren Umgebung oder Region. Für den Pianisten Tae-Sung Chung ist ein Auftritt in Kleve ein Heimspiel. Der Saxofonist Roman Sieweke wohnt in Essen. Schlagzeuger Silvio Morger und Bassist Benjamin Garcia stammen aus Köln. Ebenfalls aus der Domstadt kommt die Gastsängerin Kasia Bortnik.
Alle Musiker haben in Deutschland und den Niederlanden studiert. Der gebürtige Südkoreaner Chung ist auch Musiklehrer. Sieweke spielte im Landesjugendjazzorchester NRW sowie im Bundesjugendjazzorchester. Außerdem setzt er seine Holzblasinstrumente bei den Bands Entkernung und Acoustic Smog ein. Mit erstgenannter Gruppe gewann er 2008 den Jazzwerkruhr-Preis.
Benjamin Garcia ist Bandleader seines eigenen Quartetts und zupft die dicken Saiten seines Arbeitsgerätes auch beim Julian & Roman Wasserfuhr Quartett, bei El Mono, Dreams Drums Drones und Sado Sander.
WürzigerGleich zu Beginn servierte Würziger die Uraufführung einer Eigenkomposition mit dem Titel "Boa". Bei dem tollen Instrumental dominierte die Szenerie zunächst Sieweke mit seinem Saxofon und dann übernahm Chung das Geschehen. Schon jetzt durfte man sich wohl auf viele schöne Soli der Protagonisten freuen. Man ließ sich richtig viel Zeit für Alleingänge und das aufgeschlossene Publikum sparte wahrlich nicht mit Szenenapplaus.
WürzigerVor dem zweiten Song bat Tae-Sung Chung die Gastsängerin Kasia Bortnik auf die Bühne. Ausgangspunkt eines weiterhin beeindruckenden Konzerts war "Open Your Eyes, You Can Fly". Was für ein Gesang! Bortnik verfügt über eine ungemein ausdrucksstarke, klare Stimme, mit der sie einem eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Wenn dabei das größte menschliche Organ nicht nachkam, waren es die Flugzeuge im Bauch. Die im Allgemeinen luftige Atmosphäre des Tracks wurde durch perlende Pianoläufe und ein vor Hitze flirrendes Saxofon bereichert und nach den Soli gab es immer eine wunderschöne Auflösung zurück zum Thema.
Perfekt untermalte Chung den Bortnik-Gesang im folgenden "Jean". Die Ballade verbreitete Lounge-Flair und ihre Stimme kokettierte dann sehr schön mit Siewekes Holzblasinstrument. Wie es sich am Anfang des Gigs schon andeutete, waren Soli Trumpf. Benjamin Garcia zupfte die dicken Saiten unter Ausnutzung des gesamten Griffbretts seines Kontrabasses sowohl flott als auch verträumt und der Drummer Silvio Morger wechselte während der Nummer fleißig von den Jazzbesen zu den Sticks und hatte stets Fellwanderungen parat, die aufhorchen ließen. Die musikalischen Gewürze waren einerseits ordentlich scharf wie Cayenne-Pfeffer und andererseits dezent wie in den Morgenstunden gepflückter Safran.
WürzigerBesondere Freude bereitete ein Klassiker, wohl am bekanntesten von Frank 'The Voice' Sinatra. Obwohl sich ein Song wie "Fly Me To The Moon" über die Jahrzehnte schon im Hirn eingebrannt hat, konnte die Combo mit der Sängerin dem Lied eine persönliche Färbung verpassen. Sieweke hatte bei seinem Solo-Flug keineswegs den Erdtrabanten im Visier. Er startete gleich durch bis zum Mars. Gigantisch! Chung hatte den entsprechenden Rückfahrschein gelöst und gemeinsam mit Bortniks cooler Stimme endete die herrliche Weltraumreise.
Würziger hatte noch weitere Geschmackverstärker im Regal. "Feeling Good", unter anderem bekannt durch Nina Simone oder Michael Bublé wurde zu einem Gericht für Genießer. Morger sowie Garcia waren Herren der Dynamik und besonders in den relaxten Phasen war Groove angesagt. Wunderschön balladesk wurde es mit "My One And Only Love", an dem auch schon Sting seine Freude hatte. Chungs Piano-Part war genauso anspruchsvoll wie raffiniert-kultiviert und abermals versetzte die Chanteuse die zahlreich erschienenen Anwesenden in Staunen.
WürzigerJazz mit geschlossenen Augen: Wie sehr die Musiker und Sängerin in die Songs vertieft waren, zeigte sich über lange Strecken des Auftritts darin, dass die Künstler mit heruntergefahrenen Lidern agierten. So etwas machte die Performance noch würziger. Mit einer instrumentalen Nummer von Herbie Hancock vitalisierte die Gruppe den Raum mit Jazz-Funk und Chungs Keyboard-Riffs passten geschmacklich sehr gut zu Siewekes Saxofon-Part. Wahrscheinlich unbeabsichtigt, aber mit Blick auf das Tagesgeschehen in Ägypten passte die Eigenkomposition "Peace". Chung spielte die schwarzen und weißen Tasten seines Pianos und Keyboards gleichzeitig und Garcia war mit einem Basssolo der höchsten Töne zur Stelle.
WürzigerWürzigers Jazz war Natur pur. Fesselnd, dynamisch, groovig, ideenreich und und und. Augenzwinkernd gab es einmalig auch ein Versatzstück aus dem Blues. Der Schlagzeuger Silvio Morger hatte zahlreiche rhythmische Kabinettstückchen auf Lager und die Musik war weit entfernt davon, mit künstlichen Aromastoffen aufgepeppt zu sein. Kasia Bortnik hatte eine ausdrucksstarke Stimme mit der sie die Ohren der Zuschauer auch so sanft wie eine blumige Mischung umgarnen konnte.
Ein Knaller mit langem Pianosolo war "Bei mir bist du schön" und abschließend kann man sich nur wünschen, dass Würziger keine Eintagsfliege bleibt, denn unter diesem Bandnamen hatten die Musiker noch nie zusammengespielt. Chapeau!
Wir bedanken uns bei Steven Decorte von den Klever Jazzfreunden für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Tae-Sung Chung (piano)
Roman Sieweke (saxophone)
Benjamin Garcia (bass)
Silvio Morger (drums)

Guest:
Kasia Bortnik (vocals)
Bilder vom Konzert
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