In den achtziger Jahren angekommen, war Neil Young längst eine Legende. Und obwohl er sich auch in der Zeit davor nie wirklich auf ein Genre festgelegt hatte, sollte dieses Jahrzehnt stilmäßig das bunteste seiner bisherigen Karriere werden. "Hawks And Doves" (1980) war klassisches Singer/Songwriter-Material, "Re-ac-tor" (1981) sehr heavy, "Trans" (1982) ein Ausflug in die elektronische Musik, "Everybody's Rockin'" (1983) war Rockabilly und "Landing On Water" (1987) erschreckend orientierungslos, irgendwas Komisches und ein Album, das ganz sicher weder zu seinen besten, noch zu seinen guten Werken gezählt werden darf. In diesem Jahrzehnt gab's auch ein durchwachsenes Crosby, Stills, Nash & Young-Album mit Namen "American Dream" (1988), aber mit "Freedom" (1989) folgte dann Youngs zwischenzeitliches Comeback.
Irgendwo dazwischen, und zwar im Jahr 1985, erschien "Old Ways". Einmal mehr eine abrupte stilistische Kurs-Korrektur und Hinwendung zum Country (-Rock). Der Aufschrei in der allgemeinen Presse (und auch in meinem Freundeskreis) war damals sehr laut, wobei ich diese Reaktionen bereits vor 25 Jahren nicht nachvollziehen konnte. Denn - Butter bei die Fische - sowohl auf "Harvest" (1972) wie auch auf "American Stars 'n Bars" (1977) hatte er bereits kräftig mit dem Country geliebäugelt. Und von "Comes A Time" (1978) wollen wir erst gar nicht sprechen, oder?
Die gerade veröffentlichte Live-Scheibe, "A Treasure" ist mit zwölf Songs der 'Old Ways Tour' gespickt, Momentaufnahmen von verschiedenen Konzerten dieser Phase von Live-Auftritten aus den Jahren 1984 und 1985. Unter den zwölf Tracks befinden sich logischerweise Titel des aktuellen (bzw. des work-in-progress) Studio-Albums, aber überraschenderweise und für die Fans berauschenderweise fünf bisher (zumindest) offiziell unveröffentlichte Stücke, die das Sammler-Herz höher schlagen lassen dürften.
Einer davon und der Opener der Scheibe ist "Amber Jean". Umgehend fällt der klasse Sound und eine extrem versierte Band auf, die der Kanadier an seiner Seite hatte. Neil ist bestens bei Stimme und wird bei den Harmony Vocals trefflich von seinen Mitmusikern unterstützt. Ben Keith an der Pedal Steel ist auch in den Achtzigern noch ein Meister seines Fachs und auch der Rest der Band (der u. a. Koryphäen wie Spooner Oldham, Tim Drummond und Karl T. Himmel angehörten) versteht es, den Sound zum Kochen zu bringen. "Are You Ready For The Country" ist eine pure Zelebration des Lebens auf der Farm und all der Freuden, die das Landleben zu bieten hat.
Auf jeden einzelnen Song einzugehen, dürfte müßig sein, denn wer diese Phase von Young mag, der wird sowieso zuschlagen. Neueinsteiger werden sich vermutlich zunächst anderen Alben zuwenden und der amerikanischen Redneck-Country-Purist wird den guten Neil wegen dessen Kritik an der US-Außenpolitik weiterhin meiden, wie die Pest. Eine durch und durch authentische wie geile Neil Young-Scheibe, die keine Schwächen erkennen lässt. Okay, die Korinthen-Kacker unter uns mal ausgeschlossen, aber die haben die Magie und pure Power eines Live-Konzerts sowieso noch nie verstanden.
Ach ja, Ehre, wem Ehre gebührt: Bei der Sichtung des Materials war übrigens Youngs langjähriger Verbündeter Ben Keith (R.I.P.) federführend, der dem geborenen Kanadier die Tapes mit dem Kommentar »This is a treasure!« übergab. Diese zwölf Tracks sollten ein Freudenfest für jeden Young-Fan sein, der auch - oder speziell - die Country-Phasen des schwierigen Band-Leaders und Control-Freaks zu schätzen weiss. Wie bereits ausgeführt, ist der Sound formidabel und die Songs sprechen sowieso für sich selbst. Das einzige, was den Gesamt-Eindruck etwas trübt, ist die Tatsache, dass der Ton nach jedem Song ausgeblendet wird und man zwangsläufig das Gefühl bekommt, es mit Stückwerk aus vielen verschiedenen Konzerten zu tun zu haben.
Was natürlich auch so ist, aber schöner ist immer, wenn man sich der Illusion eines einzigartigen Abends hingeben kann. Egal, "A Treasure" ist ganz genau das, was sein Titel suggeriert: Ein Schatz!
Line-up
Neil Young (guitars, vocals)
Ben 'Long Grain' Keith (pedal steel, lap steel, stringman, vocals)
Anthony Crawford (guitars, banjo, vocals)
Rufus Thibodeaux (fiddle)
Spooner Oldham (piano)
Tim Drummond (bass)
Karl T. Himmel (drums)
Hargus 'Pig' Robbins (piano - #10,11,12)
Joe Allen (bass - #10,11,12)
Matraca Berg (background vocals - #11)
Tracy Nelson (background vocals - #11)
Tracklist |
01:Amber Jean
02:Are You Ready For The Country
03:It Might Have Been
04:Bound For Glory
05:Let Your Fingers Do The Walking
06:Flying On The Ground Is Wrong
07:Motor City
08:Soul Of A Woman
09:Get Back To The Country
10:Southern Pacific
11:Nothing Is Perfect
12:Grey Riders
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