Neil Young & His Electric Band
09.06.09, Messehalle, Erfurt
Messe
Neil Young
Messehalle Erfurt
09. Juni 2009
Konzertbericht
Stil: Rock
Fotos: ©Axel Clemens



Artikel vom 17.06.2009


Ingolf Schmock
Es wehte der Hurrikan…
Neil Young ...über der Blumenstadt, und es erschienen die Jünger aus eben dieser Zeit, als man das grüne Gemüse noch in den Haaren trug, statt es zu verspeisen, der Rock'n'Roll im Wunderkerzenlicht noch als Kampflied erklang, um scharenweise den immerwährenden Wiederauferstehungs-Ritualen eines personifizierten Klischees beizuwohnen.
Seit mittlerweile über 40 Jahren versucht der taumelnde, wie von Elektrizität betriebene Klampfen-Partisan sich aus eben diesem Teufelskreis zu retten, erliegt aber letztendlich immer seinem generationsübergreifenden Publikum und näselt seine elegischen Liebesoden an das Farmerleben, lässt die wehklagende Mundharmonika in dröhnende Rock'n'Roll-Akkorde schneiden, huldigt im Einklang mit seinen Bühnenkollegen dem amerikanischen Traum des Verlierers, welcher aufrecht in die Hände spuckt anstatt zu resignieren.
Neil Young Gerade in diesen bewegten Zeiten ist ein Neil Young als zynischer Rebell wieder willkommen und angesichts solch agiler Veteranen ungeschminkter Wahrheiten, kann der Slogan »Too old for Rock'n'Roll, to young to die« der 50-Plus-Klientel nur ein müdes Lächeln abringen.
Der mit Sicherheit grün wählende Öko-Musiker verteidigt im gleißenden Scheinwerferkegel stets die Stellung. Ausgerüstet mit Holzfällerhemd nebst zerschlissener Jeans, hält er sein geliebtes Baby in den geschundenen Händen, um selbigem im Bruchteil von Sekunden in zerstörerischer Ekstase ein schmerzhaft jaulendes Gegniedel zu entlocken, um endlich dem strähnigen, knitterigen, alten Rebell mit liebevoll klarem Blick im wuchtigen Getöse seinen Frieden zu schenken.
Youngs Hymnen sind auch an diesem Abend in der Erfurter Messehalle nicht dafür angetreten, die nach Nostalgie hungernden Konzertbesucher zu läutern, oder seine ausgeweiteten Garagen-Epen in den Stand der Heiligen zu erheben, sondern unter magisch aufgeladener Atmosphäre mit seiner derzeitigen Begleitband (übrigens außer dem fehlenden Banjospieler Larry Gragg in gleicher Personalunion und identischem Bühnendekor wie im vergangenen Jahr) einen routinierten Job und gleichzeitig eine rührige Rückschau zu verrichten.
Neil Young Der Kanadier ist an diesem Abend um drei Silben mehr redseliger, sucht am Bühnenrand des Öffteren den herausfordernden Blickkontakt mit den ersten Reihen und scheint einen Heidenspaß daran zu finden, seine schneidend tremolierenden Gitarrenattacken an der Backline zu zerschmettern.
Es ist sicherlich nicht das letzte Bühnengefecht, welches General Young zusammen mit seinem alten Crazy Horse-Kumpel Ben Keith und Ehefrau Pegi nebst den Anderen austrägt. Er geleitet die Kavallerie mit weinerlicher Stimme durch verstaubte Landhaus-Bigotterien und fährt mit beschwerten Stahlsaiten-Fuhren beim viertelstündigen "Down By The River" die Tagesernte ein.
Der Rockvisionär triumphierte mit brachialer Intensität und kristallinem Donnersound und scharte auffällig häufig seine Schäflein zum gemeinsamen Blöken um sich, ehe sich dieser wieder als folkinfiziertes Leittier gebeugt in den einsamen Lichtschein schleppte.
Mit den ewig tourenden Untoten, den Rock-Dinosauriern hat er nichts am Hut, musiziert sich lieber getreu seinem Motto, 'es ist besser auszubrennen, als zu verblassen', durch die Lande, um seinem 40 Lenze zählenden Geburtstagskind "Everybody Knows This Is Nowhere" ein schmissiges Ständchen zu erweisen.
Neil Young Zwischen üppigen Volks-Sentimentalitäten und quäkender Antik-Orgel repetiert Youngs elegischer Tenor und die wohl schönklingensten Gitarrengewitter im Rockbusiness, zauselt selbiger ein rotzig aufgekratztes "Fuckin' Up" als milde Altersgabe aus dem musikalischen Jahrzehnte-Fundus, um nach fast zwei Stunden mit der massiven kriegerischen Posse "Rockin' In The Free World" noch einmal hemmungslos aufzubegehren, und damit die Hallenfundamente in Schwingungen zu versetzen.
Zwar hat der Musiker an diesem Abend Songs vom gerade erschienenen neuen Album unter Verschluss gehalten, agitiert damit derzeit aber als Ökotopia-Soldat im Pakt mit den verhassten amerikanischen Medien, um für schadstoffarme und hybridbetriebene Gefährte, andererseits gegen einen bisher umweltpolitischen Schurkenstaat zu werben.
Zu guter Letzt lässt sich der Verkünder vertonter menschlicher Ideale und Tugenden, die der heutigen Popkultur leider verloren gegangen scheinen, zu einer entfesselten Verbeugung vor den
großen Vier und mit emphatischem Gestus zum allerletzten Rock'n'Roll-Gebet bewegen, um ein überwältigtes, andererseits aber auch ein müdes Publikum in die kühlende Nacht zu entlassen.
Neil Young Als fader Nachgeschmack bleiben mir die Krakeeler in Erinnerung, die Konzerte dieser Klasse als Revier benützen, um ihr beschädigtes Ego in bierseliger Laune zu ertränken.
Auch wenn Young uns an diesem Abend den "Hurricane" verwehrte, bleibt er doch für einige der stoische Noah eines noch nicht aufgegebenen Hippie-Mystizismus im American Way Of Life, für Andere einfach nur ein klangvoller Soundtrack ihrer Jugend und so manchem feuchten Schäferstündchen. Auch wenn diese Karawane irgendwann nicht mehr wiederkehren wird ist zumindest eins sicher, dass der Rock'n'Roll wohl niemals im höllischen Fegefeuer schmoren dürfte.
Setlist:
Neil Young 01:Hey Hey My My (Into The Black)
02:Mansion On The Hill
03:Pocahontas
04:Everybody Knows This Is Nowhere
05:Words
06:Cinnamon Girl
07:Mother Earth
08:Don't Let It Bring You Down
09:Comes A Time
10:Heart Of Gold
11:Speakin Out
12:Down By The River
13:Fuckin' Up
14:Tonight's The Night
15:Rockin' In The Free World
16:A Day In The Life
Wolfgang Michesl Nachtragend sei noch der, Ende der 60er vom legendären Rolling Stones-Förderer Alexis Korner entdeckte Wolfgang Michels und seine Mannen als Vortruppe zu erwähnen, die als Rio Reiser-Plagiat mit deutschsprachigen Pop Rock-Schmonzetten vollkommen deplaziert schien.
»Michels agiert mit immer noch junger Stimme und jugendlicher Energie, doch anderseits auch voller Altersweisheit und auch Wehmütigkeit. Er pendelt irgendwo zwischen Singer/Songwriter, Westernhagenscher Rockorientierung, Bruce Hornsby'scher Lässigkeit, Purple Schulzscher Leidfähigkeit und anspruchsvollem Schlager, Rockgitarren gehen Hand in Hand mit Zeilen wie "ich würde dich gern wieder seh'n, mal seh'n ob wir uns noch versteh'n".« (mittelbayrische.de)
RockTimes dankt Irina Schmaus, Victoria Keilwerth, Petra Gneist von Känguruh Production GmbH und der Messe Erfurt für die freundliche Unterstützung.
Bilder vom Konzert
Wolfgang Michels       Neil Young       Fans
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