»Die Band hat es nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in die höheren Ränge des Eurovision Song Contests geschafft (2005 & 2011)«. Allein dieser PR-Hinweis - dazu Stilbeschreibungen wie »Elektro-Pop mit osteuropäischer Folklore« und der unmögliche Name sowie der seltsame Covertitel haben wohl dazu geführt, dass diese Scheibe von den RockTimes-Redakteuren wie Sauerbier im virtuellen Verteilerregal stehen gelassen wurde.
Und dann schließlich 'zuständigkeitshalber' beim 'Minderheiten-Beauftragten' gelandet ist. Der sich beim Anblick des ausgesprochen hässlichen Covers samt ebensolcher weiterer Hüllenausstattung erstmal fragt, wer da bei Band und Label in der Marketing-Abteilung offensichtlich an Geschmacksverirrung leidet. Und was man sonst noch so alles tun kann, um eine Platte für Interessenten schon vor dem ersten Hörtest so richtig unattraktiv zu machen… Eine echte Herausforderung an das vorurteilsfreie Kritikvermögen des allerdings in langen Rezensentenjahren abgehärteten und deshalb weiterhin um Objektivität bemühten Schreibers!
Der gibt jedoch gleich mal Entwarnung, dass da jetzt eine 'Pflicht-Kritik' folgt, die ein Produkt betrifft, das jenseits des Zumutbaren unserer RockTimes-Leser liegt! Bereits in der ersten Spielminute wird klar, dass hier Musik gemacht wird, die in Bauch und Beine geht (sofern ein gewisses Faible für ungewöhnliche Sounds und bisherige Produktionen dieses Labels vorhanden ist).
»Von den Anfängen einer Ska Punk Band mit Folkeinflüssen hat sich die Band aus Chişinău zu einer innovativen, musikalisch komplexen Unternehmung mit Elektro Dance und Alternative Rock Einflüssen gemausert, ohne ihre Wurzeln zu verlieren« - ja, so ähnlich, wie es weiter im 'Waschzettel' zu diesem Album steht, könnte man den Stil der Truppe beschreiben. Eine äußerst interessante Mischung, wie sie seit Jahren vor allem von aufstrebenden osteuropäischen Bands zu hören ist, die das internationale Parkett ansteuern. Dass der in Rockkreisen sicher auch weiterhin wenig akzeptierte Eurovision Song Contest dafür eine gute Plattform sein kann, haben schließlich schon andere Bands gezeigt. Auch für Zdob și Zdub hat sich das gelohnt, was die Tourneen durch immer mehr Länder zeigen.
Die Combo wurde bereits 1994 in Moldawien gegründet, das als eine der ehemaligen UdSSR-Teilstaaten heute zu den ärmsten Europas gehört. Das Land gilt als Hochburg für kriminelle Vereinigungen und gegen deren Herrschaft ruft die Band mit dem Albumtitel auf. Dass sie ihre Texte mittlerweile auch in englisch (neben der Heimatsprache und in russisch) singt, unterstreicht die internationale Ausrichtung und lässt nun auch Interessierte außerhalb des eigenen Sprachkreises an den Inhalten teilhaben. Und nachlesen, das Booklet ist als Poster gestaltet, das die Lyrics enthält, an denen als Externer Andy Shuman mitgearbeitet hat. "Basta Mafia!" ist bereits das zehnte Album des Sextetts, produziert wurde es von Marc Elsner, der auch für die Alben von Fanfare Ciocărlia auf dem gleichen Label verantwortlich zeichnet und an den Titeln mitgeschrieben hat.
Wenngleich der Albumtitel auf ein gewisses politisches Engagement hinweist, haben die meisten Songs jedoch einen anderen Inhalt und klingen äußerst temperamentvoll und lebensfroh. Der Folkloreanteil ist nicht zu überhören, genauso aber die Indie-Beats und Rockanteile, eine ansteckende Crossover-Melange zum Mitfeiern und Abtanzen. Das genauere Zuhören lohnt jedoch ebenso, es gibt viele Details und die facettenreiche Verschmelzung unterschiedlicher Stile in üppigen Arrangements. Auch die zahlreichen Gäste, darunter die schönen Frauenstimmen, tragen dazu bei. Aus welchen Musiktraditionen im Einzelnen die (weitgestreuten) Einflüsse kommen, werden nur Kenner herausfiltern können, das ist jedoch nicht entscheidend. "Basta Mafia!" ist ein Album, das Spaß macht, Freude und eine positive Lebensart vermittelt, eingespielt von hervorragenden Musikern, denen die Symbiose aus Folklore und aktuellen Sounds bestens geglückt ist.
Der Titeltrack enthält schon so ziemlich sämtliche Zutaten in konzentrierter Form. Er fängt wie die Titelmelodie eines Spagetti-Westerns an, dann rappt es etwas, osteuropäischer Brass-Sound schwappt dazwischen, schnippische Frauenstimmen und zum Schluss noch einmal Punk-Polka. Weiter geht's mit Elektrobeats und undefinierbaren blubbernden Loops. Schräges Indiegeschepper, irgendwo zwischen New Wave und Brit Pop, aber immer mit ordentlichem Punch. Ziemlich abgefahren kommt "Gypsy Life" daher, wobei die frühen Talking Heads Pate gestanden haben dürften. "Maria" ist so was wie der Übergang zum mehr folkloristischen Teil, treibender Bass und dazu ein orientalisch angehauchter Refrain, der ins Herz geht. Dann wird erstmal moldawisch gesungen, "Heiduk" leicht sentimental, "Trece vremea omuli" mit wilden Sackpfeifen über peitschendem Elektrorhythmus. Breitwand-Borderline-Feeling bei "Nistru", ein weiterer schöner Ohrwurm mit "Good Bye", abgedrehter Speed-Folk bei "F-S-S-O" sowie "The Holy Fuel" und dann schließt der letzte ESC-Song "So Lucky" (Platz 12) ab, der sich hier in diesem Album-Repertoire durchaus hören lassen kann.
Des Öfteren wurde der Rezensent an die britischen Chumbawamba erinnert, die es ebenfalls schon seit Jahrzehnten schaffen, die gute heimische Musiktradition mit schönen Melodien, gesellschaftskritischen Texten und neuen Einflüssen weiterzuentwickeln, dabei aber immer noch ihren anarchistischen Charme bewahren. Freilich geht's hier wesentlich durchgeknallter und hippeliger zur Sache.
Wie schön, wenn sich solche ungeliebten 'Ladenhüter' dann als richtige Spaßmacher entpuppen! Übrigens 'Bumm - Boing' (so ähnlich soll sich Zdob și Zdub, lautmalerisch Trommelschläge nachahmend, übersetzen lassen) kommen ab Ende Februar auf Tour.
Line-up:
Roman Iagupov (lead vocals)
Mihail Gincu (bass guitar, percussion, piano, acoustic guitar, keyboard, organ, sitar, mandolin, back vocals)
Sveatoslav Status (electric guitar, acoustic guitar)
Andrei Cebotari (drums, percussion)
Victor Dandes (trombone, caval, flute)
Valeriu Mazilu (trumpet, cimpoi)
Guests
Aliona Triboi (back vocals - #1, 3, 4, 6, violin - #3, 6, 12))
Olga Pascal (back vocals - #1)
Katrin Ringling (back vocals - #10 at Studioul muzical-coral "Lia-Ciocîrlia")
Marc Elsner (synth - #2, programming sample keyboards - #4, 13, back vocals - #4, 12, string acoustic guitar - #6)
Radu Mihaiescu, Ruslan Cebotari (trumpet)
Alexandru Iancu, Mihail Postolachi (tenor horn)
Dumitru Tapalaga (tuba)
Veaceslav Veste (baritone horn - #9, 12, 13)
Octavian Saran (clarinet - #13)
Tracklist |
01:Basta Mafia
02:Running
03:Eternal Kiss
04:Gipsy Life
05:We Are Free
06:Maria
07:Haiduk 3:10
08:Trece vremea omului
09:Nistru
10:Good Bye
11:F-S-S-O
12:The Holy Fuel
13:So Lucky
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Externe Links:
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