Zip Tang / Das Reboot
Das Reboot Spielzeit: 53:17
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2013
Stil: Progressive Rock

Review vom 04.07.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Die aus Chicago stammende Band Zip Tang bleibt sich treu, zumindest, was ihre Unabhängigkeit angeht. "Das Reboot" ist ihr viertes Album und immer noch lässt das Quartett seine Finger von einer Plattenfirma oder einem –vertrag. Diese Selbstbestimmung ist auch die Grundlage ihrer phasenweise obskur-freien Musik, die sich keinen Konventionen unterzieht.
Zip Tang ist aus meiner Sicht die andere progressive Band, die mit ihren Freak-Einlagen à la
Frank Zappa mit einer bemerkenswerten Beständigkeit punkten kann. Die zwölf in der Tracklist angegebenen Kompositionen von "Das Reboot" bewegen sich, neben dem Zappa-Schienenstrang noch auf einem Parallel-Gleis, das ein wenig mit Pink Floyd zur Deckung gebracht werden kann. Allerdings existieren bei Zip Tang neben wunderschönen Synthesizer-Teppichen auch noch die in unterschiedlichen Tonarten gespielten Saxofone von Marcus Padgett. Eigenständigkeit regiert dieses Album.
Ungemein wirkungsvoll setzen drei der vier Musiker ihre Stimmen ein. Herrlich in den Lead Vocals baut man im Chor Traumschlösser der anderen Art. Da darf es durchaus auch einen Abstecher in die Kathedrale geben, wie in der Mitte von "I'm Still Here". Exzellent! Diese Einlage ist die vokale Brücke zwischen verträumt-schwebendem Beginn, krachendem Rock mit voluminös riffenden Gitarren und einem richtig fett arrangierten Schlussteil, der droht, die gesamte Nummer aus seiner Verankerung lösen zu wollen. Über allem geben sich Sechssaiter sowie Saxofon ordentlich die Kante.
In der Tracklist des Digipaks unterschlägt die Band ein Lied, das erst im Player angezeigt wird ... schlicht und zugeben etwas fantasielos mit "Outro" betitelt, gibt es Klänge, die eine vor Kälte erstarrte Nacht assoziieren lassen. Okay, aus dem versteckten Song hätte mehr gemacht werden können. Aber andererseits kann man diese eineinhalb Minuten auch als Intro für einen weiteren "Das Reboot"-Spin hernehmen.
Was sich zwischen dem mit experimentellen Anleihen arrangierten Opener "Grain Of Sand" sowie dem bereits erwähnten Schlussakkord "I'm Still Here" abspielt, ist mit vielen Highlights gespickt. Wer Zip Tang nicht kennt, muss sich darüber bewusst sein, auch mit vorliegender Platte ein Ticket für eine furiose Achterbahnfahrt gelöst zu haben. Einmal eingestiegen, gibt für die Dauer des Trips bekanntlich kein Zurück, aber bezogen auf Zip Tangs "Das Reboot" wird man viele unvergessene Momente erleben. Wohlgemerkt ... das Quartett kann den Hörer auch richtig fordern. Eine vorurteilsfreie Grundhaltung gehört zu den Selbstverständlichkeiten.
Ganze siebeneinhalb Minuten Zeit lässt man sich für "Butterfly Tattoos". Wer meint, es hier mit etwas Verträumten zu tun zu haben, hat sich getäuscht. Nur selten kommt es zu Atempausen der Erholung. Ansonsten wird auch mit der Dynamik gespielt und Double Leads heftig gerockt. Mit einer verfremdeten Stimme serviert Zip Tang "10,000 Nachos" mit einem frech gespielten Saxofon von Marcus Padgett. Allerdings führt der Verzehr des Tracks zu keinem Völlegefühl, eher sucht man nach einer Flüssigkeit, die in der Lage ist, die musikalische Schärfe lindern zu können. Hasta la vista! Da ist es wieder, dieses Kitzeln in der eustachischen Röhre.
Zip Tang ist nicht zu kalkulieren. "Das Reboot" ist wie die stark gespannte Sehne eines Bogens, aber die vier Künstler treiben es nie so weit, dass sie reißt. Die Combo scheint sich immer mehr in einem eigenen, weitläufigen Kosmos zu bewegen. Neben bodenständiger Musik, die sich an der Grasnarbe befindet, wird man immer wieder in Klangwelten entführt, deren Existenz man manchmal nicht für möglich gehalten hätte. Insgesamt bewegt man sich abseits von ausgetretenen Pfaden, auf einem Drahtseil über einem tiefen Abgrund. Nie nach unten gucken! Zip Tang besitzt ausreichend Gleichgewichtsgefühl, um die Schlucht zu überqueren. Auch mit dem vierten Album zeigt die Gruppe keine Konditionsschwächen. "Das Reboot" ist ein Schmelztiegel. Hammer! Gerne würde man die Band in unseren Breitengraden live sehen ... oder wenigstens auf einem entsprechenden Tonträger erleben.
Line-up:
Perry Merritt (guitars, vocals, synthesizer - #4)
Marcus Padgett (saxophones, keyboards, synthesizer, vocals)
Rick Wolfe (bass, vocals)
Fred Faller (drums, curly impressions - #6)
Tracklist
01:Grain Of Sand (5:26)
02:Atmosphaerae (7:08)
03:Butterfly Tattoos (7:27)
04:Massive Hole (1:35)
05:Stop Feeling (7:14)
06:10,000 Nachos (4:22)
07:Thorazine Drip (4:48)
08:Little Tiny Fishes (2:38)
09:Three More Days (2:40)
10:Stop Feeling (Reprise) (0:55)
11:Animal (2:36)
12:!'m Still Here (5:01)
13:Outro (1:29)
(all music written by Zip Tang except #4,10 by Perry Merritt)
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