Auf den Inhalt kommt es an...
...doch manchmal fragt man sich: Wie komm ich dran?



Zwischenruf vom 24.09.2012


Jürgen Hauß
Zum ersten Mal mit dem damals neuen Medium CD beschäftigt habe ich mich im Jahr 1983, nachdem mir ein Freund das Sonderheft 'Audio Spezial Nr. 1/83 - Alles über CD' gegeben hatte (und das ich bis heute nicht zurückgegeben habe - shame on me!). In jenem Heft beschreibt der Jazz-Sänger Bill Ramsey seine Love-Story zur CD. In einer Art Foto-Story ist darin beschrieben, welche Probleme Bill Ramsey mit dem Öffnen der CD-Hüllen hatte - »bis man den Trick kennt«. Das ist heutzutage kein Thema mehr, auch wenn sich an der Standard-CD-Hülle bis heute nichts geändert hat, ist doch der Überkreuzgriff beider Hände mit den Jahren in Fleisch und Blut übergegangen. Und wenn man dann noch den Haltemechanismus für die CD am sog. Tray mit einem leichten Druck auf die zahlreichen 'Nasen' (sofern diese nicht zwischenzeitlich abgebrochen sind) gelockert hat, steht dem Musikgenuss nichts mehr entgegen.
Schwachstelle dieser Hülle sind seit alters her die Scharniere: die Verlängerungen der oberen und unteren Kanten des Covers über dessen nahezu quadratische Form hinaus, mithilfe derer das Cover am rückwärtigen Teil der Hülle befestigt ist; mithin zwei flache Plastikteilchen, die leicht abbrechen (insbesondere, wenn man die gesamte Hülle fallen lässt). Dem versuchte man später mit der Entwicklung der sog. Super-Jewelcases entgegen zu wirken, deren Scharniere - bei ansonsten gleichem Format der Hüllen - wesentlich stärker konstruiert sind. Trotz des guten Ansatzes hat sich diese Hülle allerdings nicht auf breiter Front durchgesetzt. Zum Öffnen dieser Hülle bedarf man ebenfalls des beschriebenen 'Tricks'.
Weitere Entwicklungen im Bereich der CD-Hüllen zielten in erster Linie auf deren Verschlankung. Waren einst Doppel-CDs mehr als doppelt so dick wie einfache CDs (dadurch konnte man dieselben Trays zum Aufnehmen der CDs verwenden), kann man heutzutage auf demselben Raum eine mehrfache Menge dennoch wohl verpackter CDs unterbringen.
Später kamen die Digipaks hinzu, bei denen das Tray auf einen Karton aufgeklebt ist. Vorteil ist hier das einfache Aufklappen der Verpackung, ansonsten genügt wiederum ein leichter Druck auf die mittige Halterung. Eine Weiterentwicklung - bzw. eine Rückbesinnung auf die Verpackung der guten alten LP - stellt die Verwendung einfacher Papphüllen dar - auf Neudeutsch: Digisleeves - in die die CDs einfach hineingeschoben werden. Während das Hineinschieben noch einigermaßen einfach vonstatten geht, sind die Kartons regelmäßig so knapp konstruiert, dass man die CDs kaum heraus bekommt. Hierfür dürfte es zwei Gründe geben: zum einen kann nur auf diese Weise die standardmäßige Größe der Verpackung von CDs eingehalten werden. Zum anderen birgt eine größere Hülle das Risiko, dass die runde CD einfach und unkontrolliert heraus rollt, was ja auch nicht wünschenswert ist. Dennoch habe offenbar nicht nur ich das Problem, eine CD aus solch einer Hülle herauszubekommen, ohne entweder die CD oder aber die Hülle selbst zu beschädigen, worüber auch schon auf RockTimes berichtet worden ist. Beispiele hierfür lassen sich zahlreiche aufzeigen, zuletzt die Live-DoCD der Tedeschi Trucks Band.
Wesentlich vielfältiger sind die Verpackungen für DVDs. Die Standard-DVD-Hülle ist - trotz gleicher Größe des Speichermediums im Vergleich zur CD - wesentlich größer und erinnert an das Format einer Videokassette, was wahrscheinlich der Grund für diese differenzierte Verpackungsform ist. Die übliche Kunststoffhülle ist leicht zu öffnen, und die DVD steckt auf einer mittigen Haltevorrichtung.
Doch insbesondere bei den DVD-Digipaks gibt es unterschiedliche Haltevorrichtungen. So sind bei der Doppel-DVD Live From The Royal Albert Hall von Joe Bonamassa die beiden Scheiben auf einer Seite der Hülle versetzt übereinander und durch Klammern am äußeren Rand befestigt. Relativ leicht kann man die obere DVD entnehmen, indem man sie leicht nach unten verschiebt. Diesen Vorgang muss man allerdings ebenso ausführen, wenn man auf die untere DVD zugreifen will. Das ist wenig komfortabel. Theoretisch kann man auch obere und untere DVD umgekehrt einsetzen, was allerdings das Problem, die jeweils hinten liegende DVD entnehmen zu wollen, nicht löst. Zudem sind die Haltemechanismen so konstruiert, dass die obere DVD, soll sie hinten liegen, bei alleiniger Aufbewahrung in der Hülle zumindest wackelt.
Noch einen draufgesetzt (und damit den Auslöser für diesen Zwischenruf gegeben) hat
Henrik Freischlader mit der Verpackung seiner jüngst erschienenen Do-DVD "Show No. 47". Auch diese als Digipak konstruiert, liegen beide DVDs auf einer Seite übereinander. Doch der bei Bonamassa erzielte Lernerfolg hilft hier nicht weiter: Ein Verschieben der DVDs nach oben bzw. unten ist aufgrund der stärker geschlossenen Rundungen des Trays ebenso wenig möglich wie ein nach vorne Herausnehmen. Bis man dann - mehr oder weniger durch Zufall - jeweils rechts oben bei jeder DVD eine kleine Taste entdeckt, die man nur herunterdrücken muss, um die Scheibe - dann allerdings recht leicht - entnehmen zu können. Und wenn man genau hinsieht, sind diese Tasten mit einem sicherlich allgemeinverständlichen »PUSH« bedruckt (ich weiß: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!), aber die durchsichtige Schrift auf dem durchsichtigen Tray erleichtert die Benutzerfreundlichkeit dieser 'Bedienungsanleitung' auch nicht gerade.
Im Übrigen ist die Reihenfolge für die Scheiben konstruktionstechnisch vorgegeben: Die obere DVD muss stets die hintere sein, damit die untere DVD einigermaßen plan darauf aufliegen kann. Wenn man aber nur eine DVD ins Tray einlegt und dies oben vornehmen will, um später die zweite DVD unten einzusetzen, stellt man schnell fest, dass diese alleine nicht ausreichend gesichert ist und bei normaler Handhabung der Verpackung herausfällt. Letztendlich muss man also bei jedem Entnahme- bzw. Einlegevorgang - jedenfalls wenn man die obere DVD verwenden möchte - beide Scheiben in die Hand nehmen. Wahrlich ist das nicht das Gelbe vom Ei!
Leute, was soll das? Warum müssen ständig neue Verpackungen entwickelt werden, die zwar in erster Linie den Schutz der darin aufbewahrten Silberlinge zum Ziel haben, die aber in der Praxis den oftmals von Vorfreude auf den Inhalt begleiteten Zugriff derart erschweren und damit oftmals verzögern? Ich bin in erster Linie am Inhalt der Verpackungen interessiert. Diesbezüglich gibt es genügend - und wünschenswerte - Möglichkeiten, sich von den Produkten anderer Künstler zu differenzieren bzw. abzuheben. Konzentriert Eure Schaffenskraft hierauf und belasst es bei Verpackungen, die einen leichten Zugriff auf den Inhalt sicherstellen, dann bin ich rundum zufrieden. An neuen und zudem oftmals unpraktischen Verpackungsmechanismen bin ich nicht interessiert.