Editorial / Oktober 2012



Editorial vom 01.10.2012


Wolfgang Giese
»Es fällt das Blatt
Hernieder in die Gruft
Es glänzt schon matt
Gar würzig riecht die Luft.
Musik erschallt von fern
Die Stuben sind jetzt voll
Ach, wie höre ich nun gern
Sanften Klang in Dur und Moll.«
Ja, liebe Leute, bevor es mit mir poetisch durchgeht, will ich gleich zur Sache kommen. Nachdem nun die Jahreszeit anbricht, in der man sich wieder mehr den heimischen vier Wänden widmet, mag auch die Lust, Musik zu hören, wieder ansteigen und möglicherweise damit einhergehend der Melancholiepegel. Als Ankündigung für den Musikherbst hat es in letzter Zeit eine regelrechte Schwemme von Neuerscheinungen gegeben, und verbunden damit, auch wieder viel Arbeit für uns.
Doch es ist ja sicher auch eine gute Aufgabe, Heerscharen von unwissenden Hörern/innen auf Gutes und Unbekanntes aus der großen Welt der Musik aufmerksam zu machen. So viele Künstler gibt es, die darauf warten, auch einmal ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen und so mag manche Daumen-hoch-Rezension dazu beigetragen haben, hierbei etwas mitzuhelfen.
Doch wie sieht es mittlerweile überhaupt mit dem Konsumverhalten der Verbraucher aus? Wie wird Musik überhaupt noch wahrgenommen oder - wird sie überhaupt noch beachtet oder entwickelt sie sich auch mehr und mehr zu einem Wegwerfprodukt?
Ich behaupte an dieser Stelle ganz einfach einmal provokant:
  • Der Stellenwert von Musik ist gesunken. Sie hat längst nicht mehr die gesellschaftliche Bedeutung, wie es einst in den Fünfzigern und den Sechzigern der Fall war. Hier hat wohl die Punkbewegung der Siebziger ein letztes Mal Stellung bezogen.
  • Es ist viel bequemer geworden, das Internet zu nutzen und sich Unmengen von Videos auf YouTube anzuschauen und schnell wieder zu vergessen.
  • Dazu braucht man auch gar nicht mehr die Mühe in Kauf nehmen, ein Livekonzert zu besuchen, warum dieser Umstand?
  • Zunehmend viele Konsumenten sind nicht mehr bereit, überhaupt Geld für Konzerte auszugeben, und einige können es sich auch gar nicht mehr leisten.
  • Künstler, die noch nicht so bekannt sind, fallen hierdurch erst recht durch das Raster, denn wer will sich denn noch die Mühe machen, sich diese Last des 'Abenteuers' noch aufzuerlegen?
  • Medienversagen, für mich ein ganz wichtiger Aspekt. Sogenannte Fachjournalisten gibt es, die ganz einfach falsche Informationen verbreiten, weil schlecht oder gar nicht recherchiert wurde. Es reicht, 'die Masse' zu bedienen, auf diese Weise wird viel Halb- bis Nichtwissen weitergegeben. Diese 'Dummheit' wächst und scheint mir manchmal nicht mehr aufzuhalten.
Gut, man kann ja auch niemanden zwingen, so tief in die Materie einzusteigen, wie wir Musikverrückte das ja oft genug praktizieren. Das ist für mich auch nicht der Punkt. Mir tun einfach nur viele Künstler leid, die wirklich gut sind und kein Bein an Deck bekommen, und sich in das x-te Glied hinter Massen von schnell verglühenden gecasteten Nichtmusikern einreihen müssen. Zählt denn Qualität nicht mehr? Klar, es ist eben einfacher und unkomplizierter, einer miesen Coverband zu lauschen, die einen mehrfachen Aufguss bekannter Oldies präsentiert, denn: Das kennt man ja und dabei kann man sich ja so fein unterhalten. Wie oft habe ich in letzter Zeit erlebt, dass die Leistung eines Künstlers vom Publikum nicht gewürdigt wurde - es wurde lautstark geredet, dem Musiker gar der Rücken dabei zugewandt und ähnliches, es hätte auch gereicht, im Hintergrund eine CD laufen zu lassen. Ich halte so etwas für beschämend und es zeigt für mich die Bestätigung einer allgemeinen Tendenz zu immer mehr Rücksichtslosigkeit und Intoleranz. Es wäre doch schön, wenn alle zusammen Spaß hätten, oder? Löblicherweise soll dieses noch auf den Festivals der Fall sein, doch sind dieses andere Voraussetzungen und inmitten lautstarker Musik dürfte ein Schwätzchen zwischendurch auch nicht sonderlich auffallen.
Daher halte ich RockTimes auch für ein wichtiges Instrument, um zu informieren in viele Richtungen, um aufzuzeigen, wie facettenreich Musik doch sein kann, wie viele unbekannte Musiker/innen es doch gibt, die es verdienen, auch einmal auf einen Thron gehoben zu werden. Offenheit für Neues zeigen, das ist eine Zauberformel, wir können sie mit Leben erfüllen. In diesem Zusammenhang wäre es schön, wenn das hiesige Forum etwas aus seinem Schattendasein treten könnte, um eine Diskussionsplattform zu bilden für all das, was wir hier vorlegen an Veröffentlichungen.
Auch in diesem Monat gab es wieder Tipps aus unseren Reihen, die ich noch einmal besonders hervorheben möchte:
Dies wären im Besonderen Tobias Schoesslers Letters-Late, Eric Norlanders
The Galactic Collective Live, Shurmans Inspiration sowie Delta Time von Hans Theessink und Terry Evans.
Persönlich freue ich mich auf einen besonderen Besuch im Oktober, auf einen weiteren Stargast in unserer 'Musikerpension'. Nachdem wir die anlässlich ihrer Europatourneen durchreisenden
Allan Frank (bereits zwei Mal) und Ted Russell Kamp aufnahmen, erwarten wir Ende Oktober Tom Corbett, der ebenfalls aus Kalifornien anreist. Wir freuen uns schon auf erneute tolle Tage mit viel Spaß und Musik und ich empfehle, den Tourneeplan einmal einzuschauen und Tom bei einem seiner Konzerte zu lauschen!
Von diesen Neuankündigungen für den Oktober meine ich, dass sie ganz interessant sein könnten:
The Meteors "Doing The Lord's Work" (5. Oktober)
Bob Mould "Silver Age" (5. Oktober)
Don Felder "Road to Forever" (9. Oktober)
Wanda Jackson "Unfinished Business " (9. Oktober)
Eine Zusammenarbeit mit Hemifrån: "Music Is Love: A Singer-Songwriters' Tribute To The Music Of CSN&Y (16. Oktober)
Caroline Keating "Silver Heart" (26. Oktober)
Bill Withers "Complete Sussex & Columbia Masters" (26. Oktober)
Bob Cheevers "Smoke & Mirrors" (30. Oktober)

sowie in den Folgemonaten:
The Moons "Fables Of History" (2. November)
Aerosmith "Music From Another Dimension" (2. November)
Schon sehr gespannt bin ich auf die geplante Veröffentlichung von Scott Walker, sie soll wohl "Bish Bosch" heißen und am 3. Dezember erscheinen.
Ganz besonders freue ich mich auf diese neue Scheibe, ich habe schon hineinhören können und bin begeistert: Ted Russell Kamp "Night Owl" (8. Januar 2013).
Einen schönen, angenehmen und gemütlichen Musik-Herbst wünscht

Wolfgang