Musik und Fantasy
Zwischenruf Fantasy, Science Fiction und Horror im Spiegel verschiedener musikalischer Welten

Teil I






Artikel vom 10.03.2009


Andrea Groh
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Verknüpfung von Rockmusik mit dem Phantastischen. Insbesondere Metal mit seinen vielen Unterarten hat häufig eine Verbindung zu vor allem Fantasy und Horror. Die Bands, die ihre Namen oder Songtitel von Tolkien und Lovecraft entliehen haben, sind zu viele um sie aufzuzählen. In den Szenemagazinen, Fanzines und Mailorderkatalogen sind häufig auch Bücher, DVDs und Videos zu finden, hauptsächlich aus den Bereichen Horror/Splatter, Fantasy und Science Fiction. Auch in Interviews outen sich viele Musiker als begeisterte Fans von Filmen und Serien. Die meisten Fans/Fanzinemacher, die ich bisher kennen gelernt habe, waren mindestens von einem der oben aufgeführten Genres begeistert, manche sind dazu noch Rollen- oder PC-Spieler. Insgesamt lässt sich sagen, wenn ich allen CDs, die im engeren oder weiteren Sinne dem Phantastischen verbunden sind, befehlen würde, sich in die nächste Dimension zu beamen, wäre unser Wohnzimmer ziemlich leer...
Hier sollen nun einige besonders typische oder herausragende Beispiele vorgestellt werden, einen Anspruch auf Vollständigkeit kann es natürlich nicht geben. Mag sein, dass ich etwas vergessen habe, nicht kenne oder als nicht so wichtig erachtet habe. Natürlich gibt es auch Bands, die lieber über sozialkritische oder persönliche Themen Texte schreiben, aber das ist eine andere Geschichte. Genug der Vorrede, nun soll die Reise losgehen, die uns durch mehrere Jahrzehnte und einige verschiedene musikalische Welten führen wird.
Folgt mir also durch Raum und Zeit.
OzzyAnfangen will ich mit einer Band, die nicht nur unzählige Musiker beeinflusst hat und auf die sich gar ganze Stilrichtungen berufen. Sie stehen auch für viele (insbesondere Christen, die vor Konzerten Flugblätter verteilen) für die Verknüpfung von Rockmusik mit Okkultismus und düsteren Inhalten, obwohl sie sich selbst niemals zum Satanismus oder ähnlichem bekannten. Die Rede ist von Black Sabbath, benannt nach einem Horrorfilm von Mario Bava (deutscher Titel "Die drei Gesichter der Furcht"). Nachdem Frontmann Ozzy Osbourne bemerkte, dass er das ganze Touren, den Alkohol und die Drogen nicht verkraftete, stieg er aus, um sich wenig später einer Solokarriere zu widmen. Auch hier behielt er den Ruf des Madmans, zeigte sich als Vampir oder Werwolf auf Covern und in Videoclips. Ferner sorgte er für Skandale, weil er Tauben und einer Fledermaus den Kopf abbiss.
Eine andere Horrorikone aus den Siebzigern ist Alice Cooper, der berühmt wurde durch seine Bühnenshow inklusive Hinrichtung und Schlangen. Alice bietet nicht nur live gute Grusel-Unterhaltung: Er spielte kleine Nebenrollen in Horror-Filmen wie John Carpenters "Princes Of Darkness" und "Nightmare On Elm Street" (als Freddys Vater), steuerte auch gerne Songs für Filmsoundtracks bei, z. B. "He's Back - The Man Behind The Mask" für "Freitag der 13.: VI - Jason Lives". Sein ebenfalls schminkfreudiger Kollege David Bowie spielte in dem Fantasy-Film "Labyrinth" die böse Hauptrolle. Doch sind beide sehr realitätsbezogen gegen die Make Up-Rocker schlechthin: Kiss, welche mit einem kompletten SF-Fantasy-Image daherkamen und total aufwändige Shows mit Panzern und Explosionen zelebrierten. Die so angefangenen Fantasien werden in Comics, in denen sie die Hauptrollen spielen, fortgeführt. Es existiert ein gigantischer Berg von Merchandise-Artikeln, was leider oft in Abzocke ausartet. Als der Erfolg nachließ, zeigten sie erstmals ihre wahren Gesichter, was allerdings auch nicht half, so dass sie inzwischen wieder maskiert kommen, aber ihre Glanzzeiten längst nicht mehr erreichen. Dennoch sind sie für viele teilweise fanatische Anhänger immer noch die Helden aus einer anderen Galaxis.
Spacig waren auch Hawkwind - ihr Highlight ist die visuelle Dokumentation der "Live Chronicles"-Tour. Nachdem sie ein Konzeptalbum über Michael Moorcocks "Elric" gemacht hatten, setzten sie das live sehr beeindruckend, mit Schauspielern, Effekten und M. Moorcock höchstpersönlich als Sprecher, um. Ebenfalls optisch beeindruckt war ich vom "Kilroy Was Here"-Konzept von Styx. Es handelt sich hierbei um eine düstere SF-Satire von einer Welt, die von der Zensurbehörde beherrscht wird. Rockmusik wird mit Gefängnis bestraft, Kilroy bricht als Roboterwache verkleidet aus und erzählt dem Anführer der Rebellen von seinem letzten Konzert. Hier wechselt das Ganze dann von Spielfilm in Live-Konzert, in dem immer wieder Handlungsszenen eingebaut sind. Eine komplette Filmumsetzung und Weiterführung der Geschichte gibt es leider nicht, aber allein die erste Viertelstunde ist sehenswert. Queen hingegen haben zwar neben aufwändigen Videoclips selbst keine Filmchen gemacht, dafür aber berühmte Filmmusik, einerseits der Soundtrack der "Flash Gordon"-Neuverfilmung, andererseits wurden sie unsterblich durch "Highlander".
DioAls Märchenerzähler des Metal gilt Ronnie James Dio. Durch die Band Elf wurde Ritchie Blackmore, der gerade
Deep Purple verlassen hatte, auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn als Sänger seiner neuen Band Rainbow. Drei LPs lang wurden hübsche Fantasy-Geschichten mit leicht magischem Touch erzählt. Dann beschloss Ritchie lieber Lovesongs zu machen, woraufhin Dio die Band verließ, um bei Black Sabbath unterzukommen, die gerade ohne Ozzy dastanden. So entstanden zwei Studio-LPs und eine Live-DoLP; der Song "Mob Rules" wurde für den Zeichentrickfilm "Heavy Metal" verwendet.
Da es nun auch dort zu Streit kam, startete Ronnie unter dem Namen Dio eine Solokarriere. Hier erzählte er kleine Fantasy-Parabeln mit Aussagen wie »Glaube an Dich selbst« versteckt in Texte mit Regenbogen, Zauberei und Drachen. Zur "Sacred Heart"-Tour hatte er dann passenderweise einen mehreren Meter großen feuerspuckenden Drachen auf der Bühne. Das war so ziemlich das schönste Konzert, das ich je gesehen habe. Später sollte Dio noch zweimal zu Black Sabbath zurückkehren, auch wenn sich das Ganze aktuell nun Heaven And Hell nennt.