02.10.08, Dan Baird & Friends, Isernhagen, Bluesgarage 21:30 Uhr - 0:30 Uhr
03.10.08, Monokel Bluesband, Quasimodo, Berlin 22:30 Uhr - 01:30 Uhr
04.10.08, Jimmy Barnes, Columbia Club, Berlin 21:30 Uhr - 23:25 Uhr
05.10.08, Monte Montgomery, Quasimodo Berlin 0:05 Uhr - 0:55 Uhr
Planung und Improvisation:
Schon seit geraumer Zeit plane ich, mindestens drei hochwertige Konzerte aneinanderzureihen, die an verschiedenen Orten stattfinden und möglichst unterschiedliche Stilrichtungen der Rockmusik beinhalten. Eine Konzertreise also. Alle Kriterien konnte ich zwar nicht erfüllen, aber nach eingehender Recherche schnürte ich nachstehendes exklusives Konzertpaket:
Donnerstag: Einziges Deutschland-Konzert von Dan Baird in Isernhagen. Freitag: Ebenfalls einziges Deutschland-Konzert von Will Hoge in Berlin. Samstag: Jimmy Barnes am Samstag ebenfalls in Berlin.
Als Begleitung verpflichtete ich einen Gleichgesinnten und nahm alle notwendigen Bahn- und Konzertbuchungen vor. Doch schon nach wenigen Tagen der Schock. Eine eingehende E-Mail über den Konzertausfall von Will Hoge! Was war passiert? Auf dem Nachhauseweg vom Studio erlitt Will einen folgenschweren Motorradunfall und musste seine komplette Europa-Tournee absagen. Bleibt zu hoffen, dass wir diesen großartigen Künstler noch einmal live bei uns erleben dürfen. Für uns bedeutete das, ein Ersatzkonzert für den Freitag aufzuspüren. Fündig wurden wir mit der Monokel Blues Band, die im Quasimodo auftreten sollte.
Erster Tag: Dan Baird & Friends in Isernhagen, Bluesgarage am 02.10.08
Nachdem ich meinen MP3-Player mit aktuellem Musikgut bestückt und das begleitende Travelsound-Lautsprechersystem zur Beschallung der Hotelzimmer eingepackt hatte, konnte es losgehen. Meinen von der Arbeit ausgelaugten Mitstreiter musste ich auf halber Schienenstrecke auflesen, so dass die gemeinsame Konzertreise im überfüllten Regionalexpress beginnen konnte. Gar nicht so einfach, die Last des Alltages abzustreifen und den Hebel auf Spaß umzulegen. Ein gezapftes Pils und eine vor Fett triefende Krakauer könnten möglicherweise helfen, welche wir uns prompt im Bahnhof Hannover einverleibten. Dann ging es schnell: einchecken, Taxi ordern und ab zur Bluesgarage.
Spätestens als wir selbige betreten, verflüchtigen sich die letzten negativen Gedanken und machen Platz für die Vorfreude auf das gleich beginnende Konzert. Um halb Zehn betritt dann eine gut gelaunte Band die Bühne und schmettert den etwa 250 Zuhörern den ersten Song entgegen, den ich vom Anhören auf MySpace wieder erkenne. Mit dem Songmaterial von Dan Baird sind wir nicht vertraut. Wir wollten ihn einfach mal live sehen und wenn dann noch ein paar unserer Lieblingsstücke von Georgia Satellites gespielt werden, um so besser. Die Stimmung unter den Besuchern ist jedenfalls von Anfang an prächtig. Sind einfach ansteckende 'Gute-Laune-Dosen', welche die sympathische Band um Dan Baird in der Bluesgarage verabreichen. Ganz stark finde ich die Akustik-Version von "Another Chance", die Dan alleine auf der Bühne stehend mit viel Gefühl rüberbringt. Für mich der erste Höhepunkt des Abends! Dazu folgen im weiteren Verlauf alle Gassenhauer der Satellites wie "Sheila", "Keep Your Hands To Yourself" und mein Favorit "All Over But The Crying". Dafür begebe ich mich bis kurz vor die Bühne und gröle den Refrain lauthals mit. Im Mittelteil dieses Stückes kann Warren E. Hodges (Ex-Jason & The Scorchers) sein filigranes Gitarrenspiel besonders effektvoll herausarbeiten. Zum Ende des Konzertes folgen noch einige Covers wie das unverwüstliche "Hush" oder "American Girl" und ich blicke in restlos zufriedene Gesichter unter der Zuhörerschaft. Well done, Dan, das war ein richtig guter Auftakt unseres Trips.
Zweiter Tag: Monokel Blues Band in Berlin, Quasimodo am 03.10.08
Nachdem wir uns mit einem qualitativ allenfalls mittelmäßigen Frühstück begnügen mussten, machten wir uns zur Haltestelle auf, um den von mir recherchierten Bus in Richtung Hannover zu nehmen. Dumm nur, dass es sich bei diesem Bus um ein Ruftaxi handelte, das eine Stunde im Voraus hätte bestellt werden müssen. Davon stand im elektronischen Fahrplan natürlich nichts, was ich auch gegenüber meinem Kumpel überzeugend versicherte. Leider glaubte er mir nicht und argumentierte mit einem eingeschränkten Fahrplan aufgrund des Feiertages. Keine schlechte Begründung dachte ich und schob hinterher, dass unsere vom Bahnchef ausgestellten 'Dauer-Spezial-Tickets' nur für den gebuchten Zug Gültigkeit haben. Diese zeitliche Notsituation ließ uns schnell an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, die ganz leicht war. Wir gingen einfach über die Straße und fuhren die entgegengesetzte Richtung nach Hannover.
Einige Zeit später: Wir befinden uns kurz vorm Berliner Hauptbahnhof und genießen zum zweiten Mal den leicht angesächselten Abschiedsgruß »Zänk ju för trävelling wiß Deutsche Bahn«. Wunderbar! Noch einmal umsteigen und schon laufen wir über den Alexanderplatz, um unser Hotel zu suchen, das sich in unmittelbarer Nähe befinden soll. Leider finden wir es nicht auf Anhieb, was aber noch lange kein Grund ist, nach dem Weg zu fragen. Von diesem, für Männer völlig unüblichen Verhalten, kann ich meinen Kumpel gerade noch abhalten, als er zielstrebig auf ein paar Passanten zusteuert. Glückerweise erblicke ich in diesem Augenblick die Lettern unseres Hotels, so dass wir auch diese Hürde problemlos genommen hatten.
Um 21:00 Uhr betreten wir das Quasimodo und machen uns zunächst mal mit der Lokalität vertraut. Nachdem wir noch zwei Plätze in Thekennähe ergattern können, erfahren wir von unseren netten Tischnachbarn, dass die Monokel Blues Band regelrechten Kultstatus in der ehemaligen DDR genoss und den Menschen viel bedeutete.
Um 22:30 Uhr entern dann sechs Herren im gesetzten Alter die Bühne und bringen die gut 300 Zuhörer mit den ersten Songs auf Betriebstemperatur. Serviert wird kraftvoller Blues Rock mit deutschen Texten, die von der markanten Stimme des Sängers sehr glaubhaft rübergebracht werden. Passiert mir nicht oft, dass ich bei den Texten so aufmerksam zuhöre. Aber hier lohnt es sich wirklich. Ein Beispiel dafür ist das Stück "Schwarze Marie", das mir besonders gefällt. Ein stimmungsvoller, im Midtempo gehaltener Blues mit klasse Solo. Ein prägnanter Song, den man nur einmal hören muss und der sich danach sofort festsetzt.
Im Verlauf des Auftritts betreten dann viele alte Weggefährten der Band die Bühne, so dass teilweise bis zu acht Musiker zusammen on stage sind. Dennoch gelingt es dem Mann am Mischpult, alle verschiedenen Instrumente klanglich herauszuarbeiten, was keineswegs selbstverständlich ist.
Inzwischen mischen sich auch englischsprachige Songs in die Setlist, wie z.B. die Skynyrd-Klassiker "T For Texas" und "Call Me The Breeze" oder Bluesstandards wie "Dust My Broom". Dazu werden alle Nummern mit mindestens drei E-Gitarren veredelt, was auch für den entsprechenden Arschtritt-Faktor bei den Gästen sorgt. Die Stimmung ist ohnehin hervorragend, bei einigen kommt es sogar zu spontanen Tanzdarbietungen. Als das Konzert nach satter Spielzeit von drei Stunden zu Ende geht, werden unsere Erwartungen um Längen übertroffen. Angesichts dieser musikalischen Vollbedienung verlassen wir das Quasimodo und freuen uns bereits auf den folgenden Tag.
Dritter und vierter Tag: Jimmy Barnes in Berlin, Columbia Club und Monte Montgomery, Quasimodo:
Der relativ späte Beginn des gestrigen Konzertes brachte uns auf eine Idee. Wenn Jimmy sein Konzert heute Abend rechtzeitig beenden würde, dann könnten wir noch den Rest des zweiten Sets von Monte ins Auge fassen. Auf dem Stadtplan sah das gar nicht so weit aus. Wir mussten ja nur vom Columbia Club in Tempelhof zum Quasimodo in der Nähe vom Bahnhof Zoo verlegen. Da half nur eins: Simulation unter realen Bedingungen. So begaben wir uns an den Ausgangspunkt und nahmen die Zeit. Unter Anrechnung des eingeschränkten Taktfahrplans ab 22:00 Uhr und unter Berücksichtigung eines Umsteigemanövers infolge einer Baustelle entlang der U6, summierten wir eine Translokationsdauer von rund 40 Minuten. Wir prognostizierten, dass das Konzert von Jimmy bis spätestens 23:45 Uhr beendet sein müsste, um noch in den Genuss von mindestens 30 Minuten Spielzeit von Monte zu kommen. Aber dazu später mehr.
Auf dem Weg zum Columbia Club konnte auch die vierte Zwischenmahlzeit, die wir während der Sportschau zu uns genommen hatten, nicht verhindern, dass sich eine leichte Erschöpfung breitmachte. Zudem hatten wir unsere Erwartungen doch ziemlich heruntergeschraubt, da das aktuelle Machwerk von Jimmy nicht gerade mit den besten Kritiken versehen wurde. Außerdem fragten wir uns, ob er sich angesichts seiner letztjährigen Herzoperation noch zu sängerischen Höchstleistungen würde aufschwingen können. Berechtigte Zweifel, die innerhalb weniger Sekunden komplett beiseite gefegt wurden, als um 21:30 Uhr Jimmy und der Rest der australischen Bande die Bühne entert. Wir vernehmen die Eingangsklänge zu "Driving Wheels" und Jimmy shoutet vor Kraft strotzend ins Mikro, dass ich sofort eine Gänsehaut bekomme und mich schäme, derartiges über den Meister gesagt zu haben. Hier ist dringend Abbitte nötig, denn was Jimmy in den nächsten knapp 120 Minuten den leider nur 250 Fans aus aller Welt bietet, ist absolute Extraklasse. Die hervorragend aufeinander abgestimmte Band in klassischer Besetzung zuzüglich E-Piano und zweiter Gitarre, unterstützt Jimmys einzigartigen Gesang perfekt. Zudem greift er selbst bei einigen Nummern zur Akustischen und seine jüngste Tochter steuert die Backing Vocals bei. Angesichts der reichhaltigen Diskografie des Künstlers ist die Setlist ja immer Geschmackssache, aber auch hier sollte jeder Fan auf seine Kosten gekommen sein. Unsere Begeisterung steigt jedenfalls von Song zu Song, egal ob gerade Klassiker wie "Working Class Man" oder "Good Times", die zahlreich vertretenen Cold Chisel-Stücke oder sogar die Tracks von der aktuellen Scheibe dargeboten werden. Den absoluten Höhepunkt bildet für mich Jimmys Interpretation von "I Put A Spell On You". Dieser so unglaublich kraftvoll und gleichzeitig so gefühlvoll gesungene Klassiker treibt mir die Tränen in die Augen und hätte wohl auch Screamin' Jay Hawkins wild applaudieren lassen. Fantastisch! Da müssen wir uns erstmal sammeln, als nach dem Zugabenteil mit weiteren grandiosen Songs das Saallicht angeht.
Dennoch müssen wir die Nachbereitung dieses in jeder Hinsicht großartigen Konzerts zurückstellen, denn ein Blick auf die Uhr verheißt für die weiteren Planung des Abends grünes Licht. Es ist kurz vor halb zwölf und damit noch fast 20 Minuten vor unserer auferlegten Deadline. Von der Euphorie des Konzertes getragen, machen wir uns auf den Weg ins Quasimodo. Unser Plan geht auf. Um 0:05 Uhr stehen wir ohne nennenswerte physische Anstrengung vorm Eingang. Nur kurz beweihräuchern wir uns für diese logistische Meisterleistung, denn schnell überwiegt die Freude, das Bier wieder aus richtigen Gläsern trinken zu können. Indessen lassen wir unsere Blicke durchs Quasimodo schweifen und bemerken dabei, dass es Monte offenbar gelingt, die Zuhörerschaft vollständig in seinen Bann zu ziehen. So schaut jeder der rund 150 Musikfans ehrfürchtig auf die Bühne und ist angesichts der spielerischen Brillanz des Akustikklampfers wahrlich fasziniert. Durch die Effekte seines Fußpedal-Ensembles entlockt Monte seiner mächtig traktierten Akustik-Gitarre Töne, die man ihr niemals zugetraut hätte. Gesteigert wird der gute Eindruck durch eine druckvoll agierende Band, die sich in langsamen Passagen geschickt zurücknimmt, um dann Vollgas zu geben, wenn es drauf ankommt. Individuell brillieren dürfen sie bei "Superstition", der als Jam vorgetragen wird und jeweils ein ausgiebiges Bass- und Schlagzeugsolo enthält. Montes Glanzleistung folgt sogleich und besteht in einer Instrumentalversion des Hendrix-Klassikers "Little Wing", den er mit wahrlich anmutenden Klängen einleitet, im weiteren Verlauf genüsslich in seine Einzelteile zerlegt, eine kleine Reminiszenz in Richtung Klassik einstreut, um ihn im fulminanten Schlussteil wieder zusammenzusetzen. Verblüffend wie er das geschafft hat! Für eine weitere, von den Fans frenetisch geforderte Zugabe betritt der Saitenhexer abermals die Bühne und begeistert die Zuhörer mit einem gefühlvollen akustischen Stück. Während dieses stimmungsvollen Liedes zeigt Monte, dass er auch noch toll singen kann. Fazit: Wir haben zwar nur 45 Minuten des Auftritts mitbekommen, wurden innerhalb dieser Zeit aber maximal unterhalten.
Inzwischen sind sowohl unsere körperlichen, geistigen als auch finanziellen Reserven restlos erschöpft, so dass wir uns auf den Weg zum Hotel machen. Wir fallen in unsere Betten, lassen uns von Neal Casal in den Schlaf singen und träumen kurze Zeit später schon von unserem nächsten Konzertabenteuer.
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