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Thundermother: Über Instagram, selbst noch Fan sein, rettendes Vinyl und das musikalische Deutschland – Interview

Es war Pfingstsonntag 2018 beim "Rock Hard"-Festival in Gelsenkirchen, als ich die All-Girl-Band Thundermother aus dem schwedischen Växjo das erste Mal live sah. Dass man um 12:00 Uhr mittags als Opener schon so viel Leute zieht und diese auch noch begeistert, fand ich damals sehr beeindruckend. Umso mehr freute ich mich, als ich im Frühjahr diesen Jahres las, dass die Band auch beim Eier mit Speck-Festival bei mir um die Ecke spielt und somit war eine Interviewanfrage nur logisch.

Nach einem erneut wirklich beeindruckenden Auftritt der Mädels sitze ich knapp zwei Stunden nach dem umjubelten Gig mit der kompletten Band im Backstage-Container zusammen. Die Vier sind entspannt und immer noch ein wenig aufgekratzt von der Show. Am Tisch sitzen Sängerin Guernica Mancini, Bassistin Majsan Lindberg, Schlagzeugerin Emlee Johansson sowie Gitarristin und Bandkopf Filippa Nässil.

Filippa Nässil

RockTimes: Für mich war es im Vorfeld etwas ungewöhnlich als ich die Info bekam, dass wir uns erst um 20:00 Uhr, also nach dem Konzert, zusammen setzen können. Fast alle anderen Künstler die ich bisher interviewt habe, wollten das Interview vor dem Konzert machen. Spielt ihr euch vorher so lange warm oder fokussiert ihr euch vorher intensiv auf das Konzert?

Emlee: Wir sind vier sehr unterschiedlich Charaktere in der Band und jeder hat vor der Show seine eigenen Rituale. Wenn du wie wir viel auf Tour bist ist es wichtig, dass jeder auch seinen Freiraum hat und so jeder auch mal für sich ist. Nach dem Konzert sitzen wir aber immer zusammen und feiern noch ein wenig. Daher ist bei uns immer nach der Show der bessere Zeitpunkt.

RockTimes: Ich habe im Frühjahr gelesen, dass ihr mit der Band eine Art Bühnen-Choreographie-Workshop besucht habt damit ihr »cooler auf der Bühne ausseht.«
Habt ihr das anschließend umgesetzt oder war das nur ein Spaß?

Guernica Mancini

Guernica Mancini

Filippa: (lacht) Der Tanzlehrer ist ein Kumpel von mir und wir wollten das einfach mal ausprobieren. Mick Jagger hat das früher auch gemacht und vor dem Balletspiegel Bühnenschritte geprobt. Das mit dem Spiegel ist schon brutal wenn man sich darin tanzen sieht (alle lachen laut). Aber eigentlich kommt der Rest durch die Energie auf der Bühne spontan bei uns rüber.

RockTimes: Sowohl ihr als Band Thundermother als auch die einzelnen Bandmitglieder sind sehr aktiv auf Instagram. Ist das für euch eine gute Art mit den Fans in Kontakt zu bleiben oder eher als Promo-Plattform für Konzertankündigungen?

Guernica: Die Instagram-Bandseite betreue ich größtenteils und ich denke es ist für uns als Band eine gute Möglichkeit jüngere Leute zu erreichen, da Instagram ja doch bei jüngeren Leuten sehr beliebt ist. Außerdem ist es spontaner und ungezwungener als Facebook, wo eher seriöse Dinge von unserer Band gepostet werden. Über Instagram erhält man auch mal persönliche und ungeschminkte Eindrücke von uns Backstage oder in der Freizeit. Das zeigt die Band mal von einer anderen Seite als die offiziellen Hochglanzbilder.

RockTimes: Ihr spielt generell sehr viele Konzerte und vor allem tourt ihr viel durch Deutschland. Dieses Wochenende seid ihr auch wieder Donnerstag bis Sonntag in Deutschland unterwegs gewesen. Wie kommt es, dass wir, wie ich das sehe, euer Tourland Nummer 1 sind?

Interview mit Thundermother

Emlee: Ja, da hast du vollkommen recht. Wir spielen die mit Abstand meisten Gigs bei euch. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist es die Bevölkerungsverteilung. Ihr habt, im Gegensatz zu Schweden, viel mehr Einwohner (Anmerkung: Schweden hat knapp 10 Millionen) die alle doch relativ dicht zusammen wohnen. Auch viele Clubs und Hallen sind relativ dicht verteilt und so kann man sehr bequem durch Deutschland touren. Das macht es für uns einfacher, weil wir viele Menschen erreichen können, ohne wie in Schweden, große Strecken absolvieren zu müssen. Außerdem ist die deutsche Konzertkultur viel besser als bei uns. In Schweden gehen die Leute zu Konzerten in Clubs um sich zu betrinken. Musik steht da zumeist an zweiter Stelle. Bei euch aber, und das meine ich jetzt nicht einschleimend, sind die Leute viel mehr auf die Band fokussiert und gehen viel mehr mit – so wie gerade eben hier beim Festival (grinst).

Filippa: Ich kann es nicht erklären, aber seit der ersten Tour bekommen wir hier in Deutschland viel positives Feedback und wir können hier mittlerweile auf eine wirklich solide Fanbase bauen. Das macht uns wirklich stolz

RockTimes: Heute spielt ihr hier in Viersen auf einem stilistisch sehr gemischten Festival – von Polka und Ska über Soul bis Alternative Metal. Ist das für euch eine große Herausforderung, vor einem nicht ausschließlich rockfixiertem Publikum zu spielen?

Guernica Mancini

Guernica Mancini

Guernica: Nein, eigentlich nicht. Wir spielen die Musik die wir lieben und unsere Musik kommt auch bei anderen Musikfans ganz gut an. Eben nach dem Konzert am Merchandise-Stand sagte ein Mädchen zu mir, dass sie sich etwas gefürchtet hätte als sie unser Foto im Programmheft sah (alle lachen laut). Aber nach dem Konzert hat sie sich eine CD gekauft und gesagt, dass ihr der Auftritt sehr gut gefallen hat.

RockTimes: Neben Festivalauftritten und Clubkonzerten habt ihr auch schon öfters auf Metal-Cruises (Anmerkung: Konzerte auf einem speziellen Kreuzfahrtschiff) gespielt wie dieses Jahr mit Steel Panther im Mittelmeer oder letztes Jahr auf der Kiss Cruise in den USA. Was unterscheidet diese Auftritte von anderen?

Emlee: Es ist einfach die Umgebung und die Atmosphäre. Man trifft die Fans und Zuschauer auf einer ganz anderen Ebene. Keiner kann weglaufen (lacht). Das ist schon sehr besonders und eine sehr intensive Erfahrung.

RockTimes Obwohl ihr ja eine, mittlerweile doch etablierte und erfahrene Band seid, seid ihr doch sicher auch immer noch 'Fan Girls', wenn ihr mit zum Beispiel Kiss oder vor ein paar Tagen Rose Tattoo, zusammen spielt?

Majsan Lindberg

Majsan Lindberg

Filippa: (bekommt ganz große Augen) Definitiv! Am Donnerstag das Treffen mit Rose Tattoo war schon sehr cool und ich war echt aufgeregt. Noch krasser war es aber gerade gestern, als wir Dave Evans (Anmerkung: Vorgänger von Bon Scott bei AC/DC) trafen. Das war schon cool (grinst).

RockTimes: Seid ihr denn auch schon mal von einem 'Star' enttäuscht gewesen weil er nicht gut drauf war?

Emlee: Nein, bisher nicht. Aber wir sind zwar innerlich Fans, begegnen ihnen ja dennoch auf Augenhöhe als Kollegen und daher gibt es eigentlich keine Hierarchie. Bisher haben uns alle nett behandelt.

Filippa: Auch die großen Bands behandeln uns gut und kümmern sich sogar um uns wie kleine Hühner (alles lacht). Vielleicht weil sie in uns eine Art Zukunft oder Nachfolger im Sektor Hard Rock sehen.

RockTimes: Also wenn ihr euch etwas zusammenreißt, habt ihr noch 40 gute Jahre vor euch.

Guernica: Mindestens! (alle lachen laut los)

Filippa Nässil

Filippa Nässil

RockTimes: Ihr arbeitet dieses Jahr, auch auf Tour, ja an einem neuen Album. Natürlich ist es logisch, dass man als Künstler Songs schreibt und diese auch präsentieren will. Aber lohnt es sich denn heutezutage noch, eine CD zu produzieren? Bei den Streaming-Diensten verdient man ja auch sehr wenig.

Filippa: Da hast du recht. Das ist echt schwierig heutzutage. Aber wenn man kein Album hat, kann man nichts promoten und bekommt keine Reviews in Zeitschriften oder Online. Daher ist ein neues Album notwendig, um entsprechendes Presse-Echo zu erhalten. Niemand bespricht eine neue Single.

Emlee: Finanziell bekommen wir das hin, weil wir wieder sehr viele Vinyls verkaufen. Gerade im Rockbereich ist Vinyl wieder sehr populär und wir verkaufen mehr Platten als CDs. Natürlich sind die goldenen Zeiten der 80er und 90er bzgl. Plattenverkäufe längst vorbei, aber wie gesagt das Vinyl-Revival hat es ein wenig aufgefangen.

RockTimes: Zum Ende möchte ich mal in die Klischee-Schublade greifen, denn wenn Frauen als Sängerin beispielsweise in einer Männerband spielen, kommt früher oder später immer die Frage, wie sie denn als Frau behandelt wird. Bei euch ist es umgekehrt, denn ihr habt in der Vergangenheit öfters am Bass eine männliche Aushilfe. Daher mal die Frage wie das umgekehrt klappt?

Hahn im Korb

Hahn im Korb

Emlee: Das ist bei uns kein Problem und das Geschlecht ist da völlig unwichtig. Das mag vielleicht bei anderen Bands noch was besonderes sein, aber bei uns ist das egal und wir behandeln alle gleich. Wichtig ist nur, dass die Chemie stimmt und dass wir alle Spaß auf der Bühne haben – und das haben wir (grinst). Der Ersatz-Bassist ist auch ein guter Freund der Band und daher hat ja ein Freund ausgeholfen. Wichtig ist, dass wir eine Einheit sind als Band und das alleine zählt!

RockTimes: Das ist ein schönes Schlusswort. Ich danke euch und wünsche euch einen guten Rückflug nach Schweden.

Nach dem obligatorischen Foto (wann hat man schon mal die Möglichkeit sich mit vier schwedischen Mädels zusammen ablichten zu lassen) verabschieden sich alle ganz höflich.
Äußert sympathische Mädels, die auf der Bühne gerne mal die Rampensau rauslassen, aber privat sehr bodenständig und sehr lustig sind. Im Herbst und Winter sind Thundermother in Deutschland wieder auf Clubtour in unseren Breiten. Schaut vorbei wenn die vier wieder für 90 Minuten eine wilde und mitreißende Rock’n’Roll-Party feiern. Es lohnt sich definitiv

Wir danken Michael Thiesen von Seaside Touring für das Ermöglichen des Interviews und Andreas Döring für das Bereitstellen der Fotos.

Über den Autor

Udo Gröbbels

Beiträge im RockTimes-Archiv

Genres: Ska, Pop, Rockabilly, Rock N Roll

3 Kommentare

  1. u-w

    Genau so wie du sie beschreibst, habe ich sie auch kennenlernen dürfen. Unglaublich nette Mädels

  2. Mario Keim

    Interessante Ansichten. Top Arbeit. Ich mag als Leser Interviews sehr, weil sie die Meinung des/der Gesprächspartner authentisch und unverfälscht wiedergeben. Glückwunsch auch zum Profilfoto.
    LG Mario

    1. udo

      Danke Mario . LG Udo

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