17 Hippies / Heimlich
Heimlich Spielzeit: 45:04
Medium: CD
Label: Hipster Records, 2007
Stil: Worldmusic, Chanson

Review vom 25.02.2007


Norbert Neugebauer
Die 17 Hippies sind so ziemlich das Irrste, was mir bisher live an einer deutschen Band begegnet ist. Dass die bunt zusammen gewürfelte Berliner Kapelle keine 17, sondern seit einiger Zeit ziemlich stabil 13 Mitglieder hat, ist noch das Wenigste. Sie setzen sich aus den unterschiedlichsten Typen zusammen, die am Anfang nur aus reinem Spaß zusammen gespielt hatten. Deshalb variierte das Line-up auch ständig. Bekanntester Kopf ist Lüül, der bereits seit Agitation Free- und Ash Ra Temple-Zeiten in der deutschen Rockmusik mitmischt und zeitweise mit Nico liiert war.
Ihre Musik ist ein originelles Sammelsurium der verschiedensten ethnischen Folkstile, mit denen ihre Mitglieder irgendwann einmal in Berührung gekommen sind, und das Ganze wird noch mit einem kräftigen Schuss Rock'n'Roll angereichert (wobei allerdings nur akustische Instrumente zum Einsatz kommen). Auf der Bühne sind sie unschlagbar, die reine Lebenslust, der pure Wahnsinn, was da abgeht. Seit ich sie 2003 beim tff in Rudolstadt auf der Heidecksburg gehört und gesehen hab, bin ich von dieser nonkonformistischen Truppe begeistert. Und die Fanschar wächst ständig, europaweit und überall sonst, wo sie auf ihren großen Tourneen Station machen (auch schon in Russland, Japan und USA).
Seit 1995 sind sie aktiv und haben neben der eigentlichen 17 H-Musik auch noch andere Projekte auf die Beine gestellt. Bekannt wurden sie durch die Mitwirkung in Andreas Dresens vieldekoriertem Beziehungsfilm "Halbe Treppe", in dem sie als 'Running Gag' immer wieder aufspielten. Unter dem gleichen Regisseur wirken sie derzeit auch am Deutschen Theater in Berlin bei dem Horváth-Stück "Kasimir und Karoline" mit und tauchen auch schon mal zur Krimi-Inszenierung in der tiefen Provinz auf. Also nicht nur eine bunte, sondern auch eine sehr vielseitige Combo.
"Heimlich" ist erst die zweite Studio-Produktion, neben einer guten Hand voll Live-Dokumentationen der Hauptband und ihrer diversen Nebenprojekte. Zunächst begannen sie als reine Instrumental-Gruppe, inzwischen sind reichlich Vokal-Stücke, gesungen von verschiedenen Mitgliedern, im Repertoire. "Ifni" war das erste Studio-Album (2004, Eigenproduktion), das mit seinem Stilmix recht richtungslos und unorganisch wirkte und weit von der Live-Magie entfernt war. Der Gesang hielt dabei auf breiterer Basis Einzug und das findet sich nun auch auf der neuen Scheibe wieder.
Neben mitreißenden Stücken mit viel, hauptsächlich balkaneskem Ethno-Schwung, finden sich Chanson-artige, die poetische Melancholie verbreiten. Nach den ersten Hördurchgängen wirkt das doch viel runder und das vielgefeierte '17 H-Feeling' stellt sich, zumindest bei den schnelleren Titeln, umgehend ein. Wieder in Eigenregie eingespielt und produziert, lassen die Mitglieder ihrer musikalischen Fantasie freien Lauf und schaffen eine immer wieder überraschende, über weite Strecken auch eingängige und groovige Mischung. Geschrieben und getextet in unterschiedlichen Kombinationen, gesungen in deutsch, englisch und französisch, jedoch immer mit dezenter Zurückhaltung. An einem richtig guten Sänger (dto. Sängerin) fehlt es leider. Die Aufnahmen lassen alle Instrumente und Stimmen gut zur Geltung kommen, insgesamt ist der Sound natürlich und transparent.
13 Songs befinden sich auf meiner Promo-CD, auf einer 'Special Edition' sollen noch einige Bonus-Tracks angefügt werden. Da die Standard-Version mit 45 Minuten nicht gerade überladen ist, halte ich das allerdings für ein dummes PR-Mätzchen, das wohl nicht nur mich, sondern alle 'Normalo'-Käufer ärgern wird.
Los geht's ("Schattenmann") mit wildem Romano-Swing und (männlichem) Staccato-Gesang. Dann verbreitet eine weibliche Stimme frankophile Erotik ("Son Mystère"), zu Akkordeon, Klarinette, Zupfbass und dezentem Banjogeraschel. "Wann war das?" und "Deine Tränen" sind typische 17 H-Stücke früherer Tage, gepaart mit Texten und Gesang á la Element of Crime. "Teschko" ist ein langsames, melancholisches Instrumental serbischer Herkunft. Mit "Tick Tack" verbindet die Band Bluegrass mit einem deutschen Text, der wie ein Kinder-Abzählreim klingt.
Das verrückteste Stück ist "The Moving Song", Country mit Brass-Verstärkung, dazu eine irre Maultrommel als Lead-Instrument und ein Gesang wie von den Beatles in ihrer Psychedelic-Phase. Als obligatorisches Cover verwursten die 17 H dann "Apache" mit einem Intro von kaputter Gitarre und Gebell (der Hund gehört offensichtlich auch zur Band), bevor das Thema dann als Mischung aus Salon- und Kammermusik interpretiert wird.
Das langsame Titelstück läuft ab wie eine Spieluhr, der seltsame Text (ich schwanke, ob ich das langsam banal oder pseudo-romantisch nennen soll), gesungen von einer brüchigen Francoise Hardy-Stimme, wird untermalt mit Musette-Akkordeon und einem eindrucksvollen Cello-Auftritt. "Just Like You" überzeugt vom Gesang ebenfalls nicht unbedingt, entschädigt aber mit gekonntem Calexico-Sound. Schön schräg (mit singender Säge) tönt "Madame", da macht auch der französisch-deutsche Textmix Spaß. Die letzten beiden Tracks sind instrumental, leidenschaftliche Balkan-Dramatik mit "Rustemul" und das sich langsam aufschaukelnde "Wann denn dann wann dann (Prolog) …", das dann ziemlich abrupt mit einem einzigen Gitarren-Riff endet.
"Heimlich" ist zweifelsohne eine Steigerung gegenüber "Ifni". Allerdings gelingt es den 17 H immer noch nicht so ganz, den Esprit und die sagenhafte Spielfreude ihrer Live-Präsenz im Studio umzusetzen. Musikalisch wie immer auf Top-Level und interessant, stilistisch und vor allem gesanglich jedoch eher Geschmackssache. Ich freue mich auf die im April anstehende neue Deutschland-Tour und bin gespannt, wie die Stücke dann auf der Bühne klingen. Wer nur ein kleines Faible für Worldmusic im weiteren Sinn und die Möglichkeit zu einem Auftritt irgendwo hat, der sollte sich die 17 Hippies nicht entgehen lassen!
Line-up:
Antje Henkel (Klarinette, Saxophon)
Carsten Wegener (Kontrabass, Säge, Gesang)
Christopher Blenkinsop (Ukulele, Bouzouki, Gesang)
Daniel Friedrichs (Geige)
Dirk Trageser (Gitarre, Gesang)
Elmar Gutmann (Trompete)
Henry Notroff (Klarinette)
Kerstin Kaernbach (Geige)
Kiki Sauer (Akkordeon, Gesang)
Kruisko (Akkordeon)
Lüül (Banjo, Gitarre)
Rike Lau (Cello, Gesang)
Uwe Langer (Posaune, Trompete, Horn)
Tracklist
01:Schattenmann
02:Son mystère
03:Wann war das?
04:Deine Tränen
05:Teschko
06:Tick tack
07:The Moving Song
08:Apache
09:Heimlich
10:Just Like You
11:Madame
12:Rustemul
13:Wann denn dann wann dann (Prolog) …
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