Wo Licht ist, ist auch Schatten – ganz besonders, wenn es sich bei diesem Licht um den "Super Trouper" handelt. In ihm standen sie für einige Jahre, ernteten Riesenerfolge und -gelder. Und noch heute, 30 Jahre nach ihrer Auflösung, bewegen sie Millionen.
"Die wahre Geschichte" verspricht Carl Magnus Palm; nach meiner Erfahrung mit Die Story zu allen Songs
bin ich durchaus vorsichtig eingestimmt auf das nächste Wahrheitsversprechen. Die erste Überraschung folgt, als das Buch bei mir eintrifft – uff ist das dick. 656 Seiten mit einigen wenigen Bildern – jede Menge Lesestoff.
Die nächste Überraschung bereitet mir, welchen Raum die Vorgeschichte der Bandmitglieder einnimmt, gut 160 Seiten über ABBA bevor sie ABBA wurden.
Alle Bandmitglieder waren schon vor der ABBA-Gründung gestandene, erfahrene Musiker. Nix Casting-Show und dann Grand-Prix und großes Geld, sondern lange Jahre harter Arbeit auf kleinen und kleinsten Bühnen und im Studio. Die 'Prinzessinnentour' – hinfallen, Krönchen richten, aufstehen, weiterlaufen. Genau unter diesem Aspekt sollte das Buch jedem hoffnungsvollen, angehenden Superstar als Pflichtlektüre in die Hand gedrückt werden.
In der Vorgeschichte wird nicht nur die (auch musikalische) Herkunft der Einzelpersonen geschildert, sondern auch sehr schön aufgezeigt, wie sich ihre Wege oft mehrfach kreuzten, bis die Musiker und ihr Manager Stig einander gefunden hatten.
Und auch nachdem ABBA als solche vereint waren, ging es keineswegs immer leicht und locker nach oben. Ihr Erfolg basierte neben Talent und Können auch auf dem Wegstecken von Niederlagen und Misserfolgen, sowie sehr viel strategischem und geschäftlichem Gespür.
"Waterloo", ihr Grand Prix-Sieg, war gut vorbereitet und wurde zum grandiosen Erfolg. Der erste von vielen, die noch folgen sollten. Vorausgegangen war dem jedoch jede Menge Arbeit. Und genau die wird von Palm sehr anschaulich geschildert. Das Ringen um die einzelnen Songs, immer wieder Feilen und Feinschliff an Komposition und Text. Die strategischen Überlegungen, welches Lied bei Singles auf die A- und welches auf die B-Seite kommt, werden aufgezeigt. Auch die Erkenntnis, dass Stücke, hinter denen die Musiker nicht wirklich stehen können, auch beim Publikum floppen, braucht ihre Zeit.
Überhaupt – die Zeit – zur richtigen Zeit das richtige Lied, auch das gehört zur Erfolgsgeschichte. Immer wieder gibt es kleine Teilerfolge und genauso viele Rückschläge, bevor der erste ganz große Wurf gelingt.
Dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile wird auch erkennbar, wenn man sich anschaut, dass die Soloprojekte der Musiker zwar durchaus auch erfolgreich wurden, niemals aber in die Dimension der Gemeinschaftsarbeiten gelangten.
Wie sich die Erfolge auf die vier Einzelpersonen auswirken, gehört ebenfalls zu Palms Themen. Dabei begibt er sich erfreulicherweise niemals auf das Niveau von Bunte, Gala oder sonstigen Wartezimmerpostillen. Mein Eindruck ist, dass er wirklich gerade so viel aus dem Privatleben der Schweden erzählt, wie zum Verständnis notwendig ist. Agnethas Abneigung gegen das Tourleben und ihr Bedürfnis nach Familienleben erklären, warum ABBA nicht häufiger live zu sehen waren. Die Hochzeiten und Trennungen werden im Kontext der Bandentwicklung gesehen und dargestellt.
Doch der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig bei der Musik, wie sie entstand, sich entwickelte und so erfolgreich wurde. Wirtschaftliche Hintergründe werden aufgezeigt, bis hin zum Firmengeflecht, das der findige Manager aufbaut, um zum Einen den hohen schwedischen Steuern halbwegs zu entgehen, andererseits aber auch so viel wie möglich selbst in der Hand zu behalten.
Auch die Faszination der Fans über die Auflösung der Band hinaus und die diversen Nachfolgeprojekte finden in diesem umfassenden Buch ihren Platz. Denn ABBA begeistert noch heute die Menschen und gehört vielleicht zu den Erscheinungen, deren Wert sich erst schätzen lässt, wenn man die Nachfolger gesehen hat.
Und auch für jemanden, der mit diesen Schweden nichts am Hut hat, liest sich "Licht und Schatten" interessant, denn das Prinzip Musikbusiness lässt sich herauslesen und ganz sicher auch auf andere übertragen.
Klasse geschrieben, wirklich interessante Inhalte, viel Buch fürs Geld - am besten Ihr lest selbst, denn ich vergebe hier eine dicke, fette Kaufempfehlung!
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