Eigentlich sind sie ein fast verdrängtes Relikt aus meinen frühen Kindheits- und Jugendtagen, die vier aus Schweden, die damals in Ilja Richters 'Disco' einen Stammplatz gebucht hatten, um "Money, Money, Money" in die Kassen ihrer Plattenfirmen zu bringen.
"Mamma Mia" waren die peinlich und oberflächlich! So hatte ich sie lange Jahre in Erinnerung, bis wir eines Tages als größere, vor nichts zurückschreckende 'Mädelsrunde' "Mamma Mia" zur Erheiterung im Kino aufsuchten.
Ob es eine präsenile Gutmütigkeit oder die Relativierung der Ansprüche angesichts des heutigen Radiofutters ist - wer weiß?
Jedenfalls stellte die ganze Truppe fest, dass ABBA so schlecht ja gar nicht war und ihre Popsongs doch über eine gewisse Zeitlosigkeit verfügen.
Beim anschließenden Bierchen wurden diverse lustige oder sentimentale Geschichten ausgetauscht, die Teilnehmerinnen der Runde mit den Songs verbinden. Als "Dancing Queen" hatte sich so Manche gefühlt, "I Have A Dream" vom jeweils angesagtesten Jungen gehabt und "Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)" sich gewünscht. "Honey, Honey" - so sollte der "Super Trouper" sie anschmachten und ihr "Baby, Those Are The Rules" erklären, denn natürlich war er es, der "Winner Takes It All".
Solche und andere Geschichten verbinden wahrscheinlich viele aus den 50er- und 60er-Baujahren mit den unausweichlichen ABBA-Songs.
Ohne ausgesprochener Fan dieser Formation zu sein, sehe ich sie als ein Stück Musik- und Zeitgeschichte an und hätte deshalb neben diesen individuellen Geschichten zu den Songs, auch deren Entstehungsgeschichten interessant gefunden.
Der Untertitel des vorliegenden Buches "ABBA - Thank You For The Music - Die Story zu allen Songs" verleitete mich zur Annahme, genau dies auf 175 Seiten zu erfahren, ähnlich wie in A Hard Day's Write die Hintergründe der Beatles-Nummern geschildert werden.
Diese Hoffnung wird jedoch enttäuscht. Das Buch schildert die Einzelbiografien zu Vor- ABBA-Zeiten, die Bandgeschichte und auch die Geschichte der einzelnen Alben. Dabei gibt Robert Scott durchaus 'interessante' Informationen wieder, so beispielsweise, dass die Ausstrahlung einer ABBA-Sondersendung 1976 in Australien mehr Zuschauer hatte als die Mondlandung einige Jahre zuvor, "Fernando" in Australien 14 Wochen auf Platz 1 der Charts war und so mit dem Beatles-Hit "Hey Jude" gleichzog und dergleichen mehr. Alles Informationen, die sich durch fleißige Recherche gut auffinden lassen. Die versprochenen Geschichten zu den einzelnen Songs vermisse ich jedoch. Stattdessen gibt es hier Einzelkritiken, die stark auf die Instrumentierung, Gesangsstimmen und Arrangements eingehen.
Scott zeigt (vermeintliche und echte) Einflüsse auf, kann auch über die Geschichte des Songs erzählen (so zum Beispiel, dass "Santa Rosa" zunächst als "Grandpa's Banjo" veröffentlicht war und dann mit neuem Text recycelt wurde), um dann aber seitenweise selbstherrlich und überheblich unter die Gürtellinie zu gehen:
»diese dreieinhalb Minuten, die etwa so unterhaltsam sind wie ein Luftröhrenschnitt«
»der Titel wird von Frida gesungen, die so schrill wie eine Lehrerin klingt, die man aufgespießt hat«
oder auch
»Frida singt wie eine gelangweilte Nonne«
Das letztgenannte Zitat lässt mich dann auch schlussfolgern, dass es sich bei diesem Buch um eine Neuauflage von "ABBA. The Music Still Goes On. Die Story zu jedem Song" des (wohl gleichen) Robert Scott handelt, das bei Amazon kritisiert (und zitiert) wird und jetzt kleinformatig und mit (etwas) anderem Titel neu aufgelegt wird.
Ob alter Käse in neuer Verpackung unbedingt besser schmeckt?
Während das schon angesprochene Beatles-Buch "A Hard Day's Write", das ebenfalls aufgewärmt und mit leicht verändertem Titel neu aufgelegt wurde, wenigstens inhaltlich interessant ist, bleibt das hier doch fraglich. Denn auch wenn die Liedkommentare des Herrn Scott durch ihre Schärfe schon kurzweilig zu lesen sind, finde ich es auf Dauer ziemlich anstrengend. Seltenst findet ein Song wirklich Gnade vor diesem Musikjournalisten. Selbst wenn er sich bei einem der Riesenhits mal eine dreiviertel Seite lang dicht an der Lobhudelei bewegt, findet er doch zumindest in den letzten Zeilen wieder ein Haar in der Suppe. So beispielsweise bei "Dancing Queen", dass ABBA das Cover mit dem Hinweis »Mit etwas Rockmusik geht alles besser« verhunze und zweifelhaften Ruhm angesichts ihrer Schrägheit ernte.
Immer nur Geätze sagt auch was über den Schreiber aus...
Ob es für seine fachliche Kompetenz spricht, wenn er in Songs, die ABBA auf der "ABBA 1975" veröffentlicht hat, mit den Worten »Das Intro droht in Richtung Celine Dion abzudriften...« kritisiert?
Damit hätte ABBA Letzterer um einige Jahre vorgegriffen, denn die 1968 geborene Dion veröffentlichte meines Wissens ihr erstes Album 1981. Beim gleichen Album lästert er, dass Benny »wie ein verrückter Professor auf seinen Synthesizern herumklimpert und das fehlende Glied zwischen Knorkator und den Berliner Synphonikern (sic!) schafft«.
"Mamma Mia"! Es mag ja sein, dass sich IHM diese Assoziation aus heutiger Sicht aufdrängt, aber 'Deutschlands meiste Band der Welt' wurde gar erst 1994 gegründet, während die Berliner Symphoniker tatsächlich 1975 schon bestanden haben dürften.
Zu "The Album", einer Platte von 1977 schreibt Scott »Die dichte und panoramaartige Stimmung in "Eagle" wird von schimmernden Keyboards geführt, wie man sie von Toto, Asia und REO Speedwagon kannte.«
Kannte?
Verfügten die Schweden neben ihren musikalischen Fähigkeiten nun auch noch über hellseherische?
Toto wurde 1976/1977 gegründet und brachte 1978 das Debütalbum "Toto" raus, Asias Gründung war 1981 und - immerhin - REO Speedwagon begann schon 1968 unter diesem Namen durch Studentenkneipen zu tingeln und erzielte einen ersten Verkaufserfolg mit dem 1977 aufgenommenen Album "You Get What You Play For".
Ob der Schreiber mit diesen Vergleichen darauf hinweisen will, wie versiert seine Kenntnisse der heutigen Musikszene sind oder er es tatsächlich nicht schafft, das Phänomen ABBA im zeitlichen Kontext zu betrachten, sei dahingestellt.
"Should I Laugh Or Cry"? Die Vorliebe des Autors ist anscheinend in Richtung Punk angesiedelt, denn warum sonst sollte dieses Thema in einem Buch über die Disco-Pop-Band ABBA immer wieder auftauchen? Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird Bezug zum Punk genommen, der mit den Schweden so viel zu tun hat, wie Peking-Ente mit Knäckebrot. Scott lamentiert, dass "Knowing Me, Knowing You" 1977 sieben Wochen an der Spitze der Charts blieb und dann von Deneice (sic!) Williams' "Free" abgelöst wurde und das »im Jahr des Punkrock«. Sicher wird 1977 häufig als Jahr der Entstehung des Punk eingeordnet, doch bedeutet das dann ja nicht zwangsläufig auch gleich Medienpräsenz und Chartstürme.
Auch halte ich es für ein wenig überzogen, zu behaupten, Anfang der 80er Jahre habe sich DIE Musiklandschaft in Richtung Punk und Wave verändert, während ABBA sich in Richtung Musical entwickelt habe und deshalb ihr Erfolg ausgeblieben sei. Natürlich kamen zu dieser Zeit auch punkig-wavige Einflüsse stärker in das Licht der Öffentlichkeit und auch in den Bereich der massentauglichen Musik, aber der Pop, dem ABBA ganz eindeutig zuzurechnen ist, war und ist nach wie vor parallel existent - DIE Musiklandschaft besteht doch aus vielfältigsten und unterschiedlichsten Elementen.
"When All Is Said And Done" - Die ABBA-Starschnitte an den Wänden der Teenies wurden Anfang der Achtziger durch Kiss, Adam Ant, Kim Wilde oder auch die Beatles abgelöst: ABBAs große Zeit ging dem vorläufigen Ende zu, bevor sie dann - "It's Nice To Be Back" - in den Neunzigern wiederentdeckt wurden.
"I've Been Waiting For You". Nun, auf dieses Druckerzeugnis habe ich ganz sicher nicht gewartet, denn alles was an 'Storys' zu den Songs darin zu finden ist, sind Spekulationen über die jeweiligen Ehezustände, die ganz sicher in den Archiven von 'Bild' oder 'Bravo' aufzufinden sind. Der Rest ist selbstverliebte Kritellei eines wortgewandten Narzissten, der in jeder Suppe, respektive jedem Song ein Haar findet.
"Money, Money, Money" dafür auszugeben lohnt für mein Empfinden nicht, es sei denn, Ihr wollt ein gutes Werk tun: Dann kauft dieses Buch, damit der Autor vom Erlös Nachhilfe in Musikgeschichte nehmen kann!
Externe Links:
|