»"The Black Forest" is a surreal journey - a mysteriously glowing metaphor for a trip through dark, disturbing, scary times...«
... so beginnt Prog-Multitäter Roine Stolt seine eigene Beschreibung des dritten Albums der Agents Of Mercy. Die Band ist ja 'nur' eine von mehreren kreativen Baustellen des Flower Kings-Masterminds – aber eine, an der er in letzter Zeit ziemlich kreativ rumwerkelt. Nach dem Live-Output inklusive Stolt'scher Band-Fusion namens The Power Of Two legt der Schwede nunmehr sein erstes Konzeptwerk der Agents Of Mercy vor. "The Black Forest" ist allerdings keine konkrete Reise zwischen Freiburg und Villingen, sondern beschreibt einen abstrakten schwarzen, düsteren Wald. Oder sagen wir, eher ein Gefühl, eine Stimmung ... eine Stimmung inmitten verwunschener Burgruinen voller Schatten und Geister der Vergangenheit, versunken in unheimlichen Nebelschwaden. Von dunklen Träumen ist die Rede, von langen und beschwerlichen Wegen, von Geheimnissen, die es zu enthüllen gilt... alles sehr symbolträchtig!
»... a lifelong uncertain journey bookended by greed, lust, hunger for power and money, eternal life and mind control. We're in a deep dark forest - and guess what?... We're the prey!!!«
Das ginge als Einleitung für den gut elf Minuten langen Opener durch, der so heißt wie das Album. Ein bisschen Psycho-Atmo mit klirrenden Klavierklängen, Fantasy-hafte, organische Synthie-Sphären... eine gewisse Dramatik liegt dem Ganzen zu Grunde. Pompöse Chöre und eine knarzende Rhythmussektion, der man richtig schön anhört, dass dieses Album analog aufgenommen wurde. Straighte, schwere Riffs treiben den Puls hoch; und bei folkig-verspielten Flötentönen und urigen Synthie-Zwischenspielen in mysteriös verklärter Retro-Atmo verliert das Ganze zwischendurch auch mal seine Bodenhaftung. Nad Sylvans prägnanter, kultverdächtig 'nölender' (gar nicht negativ gemeint ...) Neo Prog-Gesang mit diesem gewissen Schuss geistiger Entrücktheit passt dazu prima. Sehr positiv: Man driftet nie in blümeligen Endlos-Fuddeleien ab. Die gewohnt starken Instrumentalpassagen sind immer bestens motiviert und gut integriert. Die Struktur des Titeltracks ist spannend verproggt und mitreißend episch. Wenn der Song auf einer sehr frühen Genesis-Scheibe gestanden hätte, dann wäre er sicherlich keiner der schlechteren gewesen!
»... We navigate thru dark dreams of the immortal, dark waters, eerie topics hinting at death and dreams, forest ghosts, blood countess Elzbeth Bathory's life...«
Die umstrittene ungarische 'Blutgräfin' hat laut Band den Text von "Citadel" inspiriert. Das passt ganz gut in die sagenhaft inspirierten Bilder, die die Band erzeugen will. Musikalisch gibt es aber dafür hier eine der größten Überraschungen: Das lupenreine Led Zep-Riff, welches die Tonleiter abwärts groovt! Wer hätte das gedacht ... Es gibt mehr davon: "Black Sunday" ist ein sehr Purple-lastiger, klassischer Hard Rocker mit Prog-Färbung. So muss man es sagen – umgekehrt wäre es weniger zutreffend. Das ist wirklich erfrischend! Genau so wie der funkige Groove in "A Quiet Little Town". Oder die ein oder anderen Gospel-Backings.
Erfrischend ist auch "Between Sun & Moon", das sehr leichtfüßig und optimistisch daherkommt, nur ganz selten trüb und dramatisch – eine Art Gegenpol zum Gros der Stücke. Leider ist "Between Sun & Moon" dadurch aber auch ein wenig ... sagen wir, unbedeutend ausgefallen, austauschbar. Ganz im Gegenteil zu "Elegy". Der Titel drückt mehr oder weniger die Emotionen des Songs aus. Es beginnt mit Streichern und Klavier, dann Gesang und punktuelle Mellotron-Begleitung. Und ganz, ganz groß: Nad Sylvans Gesang und die Melodien, die ihm in diesem Fall Roine Stolt komponiert hat. Zauberhaft! Über einige Minuten bauen sich Spannung, Schwere und instrumentale Begleitung auf, aber streng und stoisch im Mid-Tempo verharrend. Das erinnert an einige der größten Momente der Prog-Geschichte. Klasse!
»... a freak parade of monstrosity galore, a quiet tidy town with hidden horrors, the touring circus of freaks, dark realms of endless wars and lost kingdoms, the unwanted darktowns of our minds ... fun stuff eh?«
'Fun stuff' ... wenn der Zirkus kommt, mit den Verrückten in den Käfigen, über die gespottet und auf die gespuckt wird. »These funny species of mankind, you had no clue right uptil now...« Das Spock's Beard-lastige "Freak Of Life" liefert diese Extra-Portion Zynismus... und außerdem den Beweis, dass das Konzept des Albums unterm Strich doch ein sehr, sehr loses ist. Es geht um Unzulänglichkeiten menschlichen Strebens. Nennen wir es: im Dunkeln tappen. In einem riesig großen schwarzen Wald, den wir Welt nennen... 'Black Forest', oder so... umgesetzt mit viel Routine - manchmal zu viel - aber auch mit ein paar Überraschungen. Kann man als Band und als Fan kaum etwas falsch machen. Dafür 7,5 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Nad Sylvan (lead vocals, keyboards)
Roine Stolt (guitars, vocals)
Lalle Larsson (keyboards, vocals)
Jonas Reingold (bass, bass pedals)
Walle Wahlgren (drums, percussion)
Tracklist |
Part One
01:The Black Forest (11:10)
02:A Quiet Little Town (6:58)
03:Black Sunday (6:20)
04:Elegy (6:14)
05:Citadel (7:02)
06:Between Sun & Moon (5:07)
07:Freak Of Life (8:15)
08:Kingdom Of Heaven (6:20)
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