Die Jungs von den Flower Kings haben nebenher noch so viele Projekte am Laufen, da ist es schon fast ein Ding der Unmöglichkeit, alle musikalischen Seitentriebe auch angemessen zu pflegen. Da war dies eine kreative und logistisch äußerst effiziente Idee: Roine Stolt und Jonas Reingold haben ihre Gruppen Karmakanic und Agents Of Mercy einfach mal zusammengelegt und eine Duo-Tour gespielt.
Außer den beiden FloKi-Saitenmenschen waren im Herbst 2009 in Europa und den USA Agents Of Mercy-Keyboarder Lalle Larsson und die beiden Sänger Nad Sylvan sowie Göran Edman mit am Start. Und für den indisponierten Schlagzeuger Zoltan Csörsz - eigentlich bei beiden Projekten der Taktgeber - sprang in Nordamerika kein Geringerer als Nick D'Virgilio ( Spock's Beard) ein. Das Ergebnis wurde im kalifornischen Whittier für die Nachwelt auf dem Live-Silberteller "The Power Of Two" konserviert.
Den Start macht eine Suite vom Agents Of Mercy-Album "The Fading Ghosts Of Twilight" (2009). Das bedeutet, dass Nad Sylvan bei den ersten drei Stücken den Lead Gesang übernimmt. Aber die punktuellen Background-Vocals von Göran Edman machen schnell klar, dass das Motto 'Zwei gemeinsam sind stärker als einer alleine' nicht nur als Titel die Hülle schmückt, sondern dass die allesamt großartigen Musiker wirklich bestens zusammenwirken.
Über die Qualität der Kompositionen muss man wohl keine (gerechtfertigten) Lobeshymnen mehr singen. "The Fading Ghosts Of Twilight" mit seinem markanten, zwischen Dur und Moll hin und her pendelnden Klavierthema, und "Heroes & Beacons" mit seinem Wechsel zwischen süßlich-verspielten Gitarren, atmosphärischen Retro-Spielerien und intensiver, klagender Chor-Hookline - das sind herrliche Epen zum Zungeschnalzen.
Die Instrumente klingen lebendig, organisch, atmen das Flair der goldenen Genesis-Ära. Selbst die Produktion der Live-Scheibe ist 'old school' - hörbare Zuschauer gibt's (zumeist) nur am Anfang und am Schluss der Songs, ansonsten ist der Mix fast Studio-like. Die Sorge vor einem sterilen Klang bewahrheitet sich aber nicht. Stattdessen versprühen die Akteure auf der Bühne meisterhaft und zeitlos den Geist vergangener Epochen.
Einer der 'Hauptschuldigen' daran ist zweifelsohne Sänger Nad Sylvan, der ganz viel vom Charakter-Gesang des jungen Peter Gabriel hat, inklusive geflüstertem Sprechgesang im Break von "The Fading Ghosts Of Twilight", der in optimistischeren Passagen auch Einflüsse von Yes und Supertramp (dank des Klaviers) erkennen lässt. Das nachdenkliche "Jesus On The Barricades", eine wunderschöne Ballade, geprägt von den lyrisch-romantischen Klavierklängen Lalle Larssons und dem jazzigen Besen-Einsatz von Schlagzeuger Nick D'Virgilio ist dagegen eine perfekte Fish-Nummer. Nur nicht von Fish.
Es folgt das viertelstündige "Where Earth Meets The Sky" vom zweiten Karmakanic-Album "Wheel Of Life" (2003).Ex- Malmsteen-Sänger Göran Edman trumpft mit großer emotionaler Überzeugungskraft auf - live noch besser als als im Studio. Dieses Mal wird der Spieß umgedreht und Nad Sylvan liefert die Background-Unterstützung. Die beiden ergänzen einander bestens, weil sie so unterschiedlich klingen und machen den Refrain von "Where Earth Meets The Sky" zu einem Erlebnis zum Niederknien!
Richtig seinen Stempel aufdrücken kann dem Stück anfangs Nick D'Virgilio, denn die verproggten Rhythmen zur Orgel- und Bass-Frickelei sind wie für ihn gemacht. Auch im minutenlangen Instrumentalteil kann er sich nach Lust und Laune austoben und zeigt, was für ein guter Jazz-Drummer er ist. Auch Lalle Larsson verdient Anerkennung für seine sich ständig steigernden, ebenfalls ziemlich Jazz-lastigen Tasten-Exerzizien. Man kann die Musik zwar nur Hören, aber trotzdem irgendwie die Schweißperlen auf seiner Stirn sehen.
Es folgen längere Instrumentalstrecken. Das Karmakanic-Stück "Do You Tango?" mit Latin-Einschlag liefert zwar einige ziemlich abgedrehte Übermenschlichkeiten (vor allem Jonas Reingolds Brummelfrequenz im Bass ist grandios!). Der mehrminütige Solo-Part D'Virgilios eröffnet dem Prog-Liebhaber aber keine neuen Dimensionen. Anders Lalle Larssons Solo, zur Hälfte romantisch-virtuos im Klavierklang, zur Hälfte im spacigen Synthie-Sound, sorgt sicherlich für den ein oder anderen ausgerenkten Unterkiefer im Wartezimmer der Orthopädiepraxis - klasse Mann!
Es folgt das letzte Stück von Who's The Boss In The Factory und damit eine Gänsehautnummer vor dem Herrn. "Eternally" lässt einen in herrlich melancholischen Sphären schwelgen. Highlight ist sicherlich das wehmütig-schmerzerfüllte, neobarock anmutende Gitarrensolo Roine Stolts, das den ruhigen, atmosphärischen Part mit dem expressiven Power-Finale verbindet. Als Zugabe setzt man mit "Afterglow" noch einen Genesis-Klassiker aus der Post- Gabriel-Ära obendrauf... die Band erzeugt dabei diese warme, einlullende Atmosphäre; und Nad Sylvan klingt hier plötzlich wie Phil Collins. Nur besser.
Sagenhaft, was für eine Gruppe begnadeter Musiker hier zusammenspielt und -singt. Sich als Freund progrockiger Neo- und Retro-Klänge "The Power Of Two" nicht ins CD-Regal zwischen Genesis und den Flower Kings ins CD-Regal zu stellen, wäre sträflich.
Line-up:
Göran Edman (vocals)
Nad Sylvan (vocals, keyboard)
Roine Solt (guitar, keyboard, vocals)
Lalle Larsson (keyboard)
Jonas Reingold (bass)
Nick D'Virgilio (drums)
Tracklist |
01:The Fading Ghosts Of Twilight (8:21)
02:Heroes & Beacons (10:00)
03:Jesus On The Barricades (6:31)
04:Where Earth Meets The Sky (14:43)
05:Do You Tango? (8:39)
06:Lalles Solo (5:46)
07:Eternally (10:01)
08:Afterglow (6:36)
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