Amaranthe / The Nexus
The Nexus Spielzeit: 42:22
Medium: CD
Label: Spinefarm Records, 2013
Stil: Modern Metal

Review vom 05.04.2013


Boris Theobald
Wer hat, der hat. Amaranthe leisten sich gleich drei Angestellte für den Gesangsjob. Okay, es kommt darauf an, wie man 'Gesang' definiert ... jedenfalls sind drei Menschen mit vokalen Äußerungen beschäftigt - das ist und bleibt das Markenzeichen des schwedisch-dänischen Sechserpacks. Jake E sorgt für den männlichen Clean-Gesang, Andy schreit und growlt, und Goldkehlchen Elize Ryd ist die weibliche Stimme der Band und steht sowohl auf Bandfotos als auch auf der Bühne meist im Mittelpunkt. Sie ist das Aushängeschild von Amaranthe und mittlerweile auch ein gern eingeladener Gesangsgast für diverse Studioproduktionen im Melodic Metal-Bereich. Zuletzt war sie unter anderem auf dem Kamelot-Album "Silverthorn" zu hören, demnächst bei Timo Tolkki's Avalon.
Auf ihrem zweiten Album (das Debüt gab es 2011) bleibt sich die Band nicht nur treu, nein, "The Nexus" klingt wie das zweite Kapitel derselben musikalischen Story. Aber die Wenigsten dürften auch sonderlich Überraschendes erwartet haben. Es bleibt bei einer Art 'Modern Metal' - so nennt es die Band schon mal gern selbst - oder »Electro-influenced hybrid metal«, wie es die Promoter bezeichnen. Amaranthe klingen tatsächlich sehr 'perfekt' und bis ins kleinste Klangdetail mit allen Produktionstechniken durchgeschliffen und atmosphärisch aufgeputscht. Viele elektronische Effekte sorgen für einen mechanisch-modernen Futuro-Touch - Evanescence, Disturbed oder Linkin' Park kommen einem in den Sinn.
Aber genau diese unterkühlte Heaviness ist es, was Amaranthe ausmacht. Die Rhythmussektion röhrt mit gewaltigen Grooves und Double Bass-Gewittern und peitscht die Songs meist in hohem Tempo nach vorn. Die Gitarre ist wuchtig und böse und darf in jedem Song genau ein Mal ein kurzes und knackiges, aber hörenswert aufheulendes Solo beisteuern. Die Keyboards sind meistens dazu da, mit ruhelos-hektischen Begleitfiguren im oberen Frequenzbereich die Spannung zusätzlich zu erhöhen. Die Spannung greift Keifer Andy natürlich allerbestens auf und hat es drauf. Die cleanen Gesangsparts von Jake E und Elize sind dazu ein ziemlich gelungener Gegenentwurf.
Die Aufteilung ist sehr unterschiedlich. Oft wechselt man sich in den Strophen ab. Danach kommt kein Chorus ohne Elize aus, die mit ihrer klaren Stimme über allem thronen darf. Jake E macht meistens mit, ist aber stets ein Stück weit in den Hintergrund gemischt. Man muss auch ganz klar sagen: Seine Stimme ist nicht sonderlich prägnant, und er hat auch die wenigsten Solo-Spots - im Gesamtmix ist er aber schon ein Gewinn. Die Gesangsarrangements sind fein ausgetüftelt. Und wie die Chorus-Melodien hymnisch, lyrisch und harmonisch über dem Uptempo-Melodic Power Metal-Unterbau schweben, das geht richtig fein ins Öhrchen.
Man muss allerdings wissen: Die allermeisten Songs sind gleich eingängig und nach ein und demselben Muster gestrickt. Nach dem ersten Hördurchgang sind ein paar Stücke kaum voneinander unterscheidbar. Es gibt aber auch ein paar Highlights. Der Refrain im Titeltrack "The Nexus" wirkt besonders edel; und bei "Theory Of Everything" ist es die Strophe, wo die besonders aggressive und erdige Gitarre auffällt (hat ein bisschen was von einem modernen, Angst machenden Michael Romeo im Iconoclast-Style). "Razorblade" funktioniert mit seinem rastlosen Puls sicherlich als eine Nummer, bei der auf Metalfestivals Tausend Hände hochgereckt und gegeneinandergeklatscht werden.
Witzig bei "Electroheart" ist, dass das Stück nach ABBA klingt - Industrial Metal-ABBA. "Burn With Me" sticht als Powerballade ganz stark heraus und besitzt eine schöne Strahlkraft. Das sind (beinahe, bis auf ein paar Breaks) die einzigen Momente und Minuten, in denen der Druck im Kessel mal verringert wird. Ansonsten ist der Ausschlag konstant am Maximum - fast. Als absolute Übernummer der Platte entpuppt sich "Mechanical Illusion", das mit etwas zurückgenommenem Tempo, dafür nicht weniger bullig, aber eher atmosphärisch daherkommt (auch wenn die Keyboards von "Died In Your Arms" von Cutting Crew geborgt scheinen). Dieser Chorus ist der stärkste auf "The Nexus" und fräst sich, von Double Bass-Salven umgarnt, sofort ganz tief in die Synapsen - klasse!
Eine Hand voll andere Songs sind zwar für sich genommen austauschbar. Aber man legt dieses Album eigentlich nicht ein, weil man dieses und jenes Stück wieder hören möchte. Nein, "The Nexus" wirkt viel mehr als Ganzes und ist typisch Amaranthe. Die Band bleibt mit ihrem modern-melodisch-bösem Metalmix eine Bereicherung der Metalszene und macht mächtig Laune. Ein Freibrief für die Zukunft ist das freilich nicht - beim nächsten Mal muss vielleicht doch mal die ein oder andere Überraschung her.
Line-up:
Elize (vocals)
Andy (screams)
Jake E (vocals)
Olof Mörck (guitars & keys)
Johan Andreassen (bass)
Morten Løwe Sørensen (drums)
Tracklist
01:Afterlife (3:18)
02:Invincible (3:15)
03:The Nexus (3:19)
04:Theory Of Everything (3:38)
05:Stardust (3:12)
06:Burn With Me (4:01)
07:Mechanical Illusion (4:05)
08:Razorblade (3:10)
09:Future On Hold (3:21)
10:Electroheart (3:53)
11:Transhuman (4:01)
12:Infinity (3:05)
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