Spielzeit: 47:50 Medium: CD Label: Freeworld Records (Soulfood), 2012 (2009) Stil: Roots Rock Review vom 03.03.2012 Steve Braun

Mit etwas Verspätung kommt das vierte Album von American Aquarium, das in den US bereits 2009 erschien, nun auch hierzulande in den Handel. Den Nachfolger Small Town Hymns hatten wir ja bereits im vergangenen Dezember besprochen und für sehr gut befunden. Dieser war eher an Alternative Country bzw. Americana orientiert - "Dances For The Lonely" rockt deutlich stärker, erinnert gar gelegentlich sehr angenehm an Bands aus der Red Dirt-Szene.

Gleich der Opener "Katherine Belle" haut aus den Socken: Ein solcher Abrocker, in seiner rauen Direktheit an Herrn 'Springstein' erinnernd, war auf "Small Town Hymnes" nicht zu finden. Auch die Hommage an die "Queen Of The Scene" - in welcher gottverlassenen Kleinstadt auch immer - rockt ebenso lässig wie herzerfrischend geradlinig. Ein typischer Rocksong des 'American Way of Life', bestens für eine Reise in einem verbeulten Pickup auf irgendeiner staubigen Holperpiste geeignet...
Erstmals kommt mit "City Lights" die schwermütige Melancholie auf, die das oben genannte aktuelle Album vom ersten bis letzten Ton durchzogen hat. Es sind vor allem Whit Wrights klagende Pedal Steel sowie Ryan Johnsons und Zack Browns 'Tupfer' mit der Elektrischen und dem Grand Piano, die hier für die depressive Grundstimmung sorgen. "Louisiana Beauty Queen" sorgt für eine weitere positive Überraschung: Browns Art, das Wurlitzer zu bedienen, erinnert doch glatt an Rick Wright - ungelogen!

Auch wenn BJ Barham als Komponist und Texter aller Songs eine eindeutige Schlüsselfunktion zufällt, muss American Aquarium eindeutig als Band definiert werden - zu dicht verwoben ist der Sound und die traumwandlerische Selbstverständlichkeit, mit der die Musiker agieren, gewinnt man nur durch jahrelange Interaktion. Das Septett aus North Carolinas Hauptstadt Raleigh ist eine Live-Band, wie man bei jeder Nummer auf "Dances For The Lonely" nachvollziehen kann. Man lasse sich nur einmal durch die atmosphärischen Balladen "Downtown Girls" und "PBR Promenade" fesseln und entführen, um zu verstehen...
Schwachstellen sind diesmal höchstens an etwas eindimensionalen Texten zu bemäkeln. Es dreht sich wirklich alles um 'Beziehungskisten', aber sind wir ehrlich: Im Leben eines Mittzwanzigers geht es selten um mehr - das ist in North Carolina sicher nicht anders als in Mecklenburg-Vorpommern.

Zum Abschluss ziehen BJ Barham & Co. noch einmal alle Register ihres Könnens. Das kleine 'Eifersuchtsdrama' "I Hope He Breaks Your Heart" greift ganz tief in die Trickkiste des Roots Rock und beschert mehr als sechs Minuten lang intensive, fast herzzerreißende Emotionen. Bei "Tennessee" ist dann wieder die Melancholie von "Small Town Hymnes" zu vernehmen... als wenn man an einem am Appalachian Trail gelegenen stillen, tiefblauen See sitzen und die Abendstimmung in sich aufsaugen würde. Dabei geht es doch nur wieder um eine betrogene Liebe...

Während es sich bei "Small Town Hymnes" quasi um ein Konzeptalbum zum Thema 'Leben in der Kleinstadtwüste' handelt, ist "Dances For The Lonely" - wie der Titel bereits vermuten lässt - eine Aufarbeitung BJ Barhams zum Thema 'Beziehungsfähigkeit'. Ein 'Seelenstriptease' also, der gelegentlich in seiner ungeschminkten Offenheit etwas befremdlich ist. Die Stärke von "Dances For The Lonely" liegt eindeutig in der musikalischen Dichte, die vor allem in den straight rockenden Momenten - wie bspw. in "Good Fight" - die 'Kleinstadthymnen' übertrifft.
Unterm Strich ist dies erneut ein überzeugendes Album des amerikanischen Aquariums - dafür gehen dieses Mal 8 von 10 RockTimes-Uhren ins sonnige Carolina. Und ich muss die Jungs mal wirklich bei Gelegenheit fragen, was sie uns mit dem Bandnamen eigentlich sagen wollen.

Line-up:
BJ Barham (vocals, acoustic guitars)
Ryan Johnson (electric guitar)
Whit Wright (pedal steel guitar)
Zack Brown (piano, Wurlitzer)
Jay Shirley (Hammond B3)
Bill Corbin (electric & upright bass)
Chris Hibbbard (drums)

Additional Musicians:
Caitlin Cary (violin, background vocals)
Chip Robinson (background vocals)
Cary Ann Hearst (background vocals)
Brian Miller (saxophone)
Leroy Barley (trumpet)