Anathema / 10.11.2015 Mannheim, Capitol
Plakat
Anathema
Support: Conrad Keely
Capitol, Mannheim
10.11.2015
Stil: Acoustic Rock
Konzertbericht


Artikel vom 22.11.2015

       
Andrea Groh (Text)       Jens Groh (Fotos)
'Anathema acoustic', eine kleine Tour mit sieben Terminen, drei davon in Deutschland - das könnte mal etwas Anderes sein. Also warum nicht, nachdem wir sie bereits mehrfach 'regulär' (das heißt: mit Verstärkern) gesehen haben und sie uns sowohl live als auch auf Konserve immer wieder überzeugen und begeistern konnten.
Mannheim liegt für uns in annehmbarer Entfernung. Als Veranstaltungsort dort wurde das Capitol gewählt, ein ehemaliges Kino/Theater mit etwa 560 Plätzen. Eine Kirche wäre vermutlich von Optik und Akustik lohnenswerter gewesen, aber von den Sitzplätzen her vermutlich unbequemer. Sitzen bei einem Konzert? In diesem Fall nicht störend und zum Glück hatten wir Plätze im Rang bekommen und konnten schön auf die kleine Bühne heruntersehen. Um uns herum blieb es erstaunlich leer, lediglich die Mitte des Ranges war voll besetzt, rechts und links bestanden doch einige Lücken.
 Conrad KeelyZunächst dachten wir, dies könne am Support Act liegen. Hierbei handelte es sich um den in England geborenen, mittlerweile in den USA lebenden Conrad Keely, der sowohl solo (wie in diesem Fall) als auch bei der Band ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead Musik macht. Alleine tritt er ganz schlicht auf, ein Mann und eine akustische Gitarre, was für meinen persönlichen Geschmack die halbe Stunde, die er hatte, nicht so wirklich ausfüllen konnte. Er ist ganz bestimmt kein schlechter Musiker, was bzw. wie er teilweise spielte, war schon beeindruckend. Auch singen kann er, wobei ich es schade fand, dass er sich dabei meistens in höheren Stimmlagen bewegte als bei seinen Ansagen. Mir hätte besser gefallen, wenn er sie öfter, wie in dem Cowboy-Song "Bury Me Not On That Lone Prairie", eingesetzt hätte. Er bekam Applaus, dennoch denke ich eher nicht, dass er viele neue Fans gewonnen hat, dieser Eindruck kann natürlich auch täuschen…
 AnathemaDoch ich hatte den Eindruck, dass die Stimmung im Saal deutlich stieg (obwohl es immer noch nicht voll wurde) schon wenige Minuten nachdem Anathema (bzw. die Hälfte davon) die Bühne betraten. Anfangs war es schon ein wenig merkwürdig, nur drei der sechs Bandmitglieder zu sehen, nämlich Lee Douglas (die dieses Mal deutlich mehr Vocals übernehmen und häufiger Anwesenheit zeigte/zeigen musste, daher nicht so oft hinter den Vorhang huschen konnte), Vincent Cavanagh als zweite Gesangsstimme und an mehreren akustischen Gitarren, schließlich noch Danny Cavanagh, der Gitarre und Keyboard bediente, außerdem für die Einspielung von Loops sorgte. Hinter den Kulissen war der dritte Cavanagh zugange, Jamie sorgte für etwas Licht. Wenn ich hier schreibe 'etwas', dann ist das auch so gemeint, denn die Musiker wurden zwar oft in schöne Farben getaucht - insgesamt war es jedoch recht dunkel (was sich negativ auf die Qualität von Fotos auswirken sollte, sorry). Nun, wenn akustisch bedeutet, dass die Musik dezenter ist, gilt das dann vielleicht auch für das Licht, das dennoch die Stimmung gut untermalte.
 Anathema Kommen wir zur entscheidenden Frage: Anathema unverstärkt - funktioniert das? Wie nicht anders erwartet: ja, auch wenn manches schon anders klingt, beispielsweise "Distant Satellites", das Titellied der 2014er CD war so deutlich weniger trip-hoppig, aber Zeilen wie
»It makes me wanna cry, caught you as I floated by
It makes me wanna cry, just another distant satellite«

waren dadurch nicht weniger eindrucksvoll.
Material von genannter Scheibe dominierte den Abend, gefolgt von erstaunlich vielen Coverversionen - natürlich durfte dabei Pink Floyd (dieses Mal: "Another Brick In The Wall") nicht fehlen… wobei die Briten sich dies bis ganz zum Schluss aufhoben… ich hatte fast schon befürchtet, es käme gar nichts mehr…
Zuvor gab es "The Goldheart Mountaintop Queen Directory" zusammen mit Conrad Keely, für den Mannheim der letzte Abend war, beim finalen Termin der Tour in Sofia war er nicht mehr dabei.
Auch die Beatles wurden bedacht, mit diesen gemeinsam hat man schließlich die gleiche Heimatstadt (Liverpool). Mit Lee am Mikrofon lässt sich außerdem Portishead ("Glory Box") überzeugend covern - immer wieder erstaunlich, was eine gleichzeitig zerbrechlich und kräftig wirkende Stimme sie hat. Bei "Running Up That Hill" (Kate Bush) gab es erstaunlicherweise keine weibliche Stimme, sondern die von Vincent, die ich immer noch sehr schön finde - und mittlerweile auch meine Schwester, die durch unsere CDs/DVD zum Anathema-Fan und mit auf dem Konzert war. Wenn ich ihn bei manchen Songs höre, z. B."Deep" von der Judgement (aufmerksamen Lesern dürfte schon aufgefallen sein, dass ich von dieser Scheibe schwärme…) könnte ich dahinschmelzen:
»Feel my heart burning, deep inside, yearning.
I know it is coming«
 Anathema Die We're Here Because We're Here war ebenfalls mit zwei Highlights vertreten, dem rockigen "Thin Air" und dem verträumten "Dreaming Lights" - ja, es gibt viele tolle Songs und einige davon wurden geboten, auch wenn kurz nach zehn bereits ein Ende angetäuscht wurde, betrug die Spielzeit doch über zwei Stunden.
Dazwischen gab es teilweise humorvolle Ansagen und obwohl der Saal nicht ganz gefüllt hatte, entstand kein Mangel an Spielfreude. Ein besonderer Moment war, als Vincent aufforderte, dass alle nun »der Handy, the mobilphone« herausnehmen sollen und damit leuchten - viele kamen dem nach, dazwischen waren vereinzelt Feuerzeuge zu sehen, früher einmal das Standardgerät für solche Aktionen. Wobei die moderne Variante durchaus ebenfalls stimmungsvoll sein kann.
Fazit: Anathema wussten auch akustisch zu überzeugen und trotz dieser Voraussetzung waren doch einige Metalshirts/Patches im Publikum zu sehen. Dennoch denke ich, beim nächsten Mal doch wieder eine verstärke Show zu bevorzugen, weil dabei doch mehr Facetten der Musik gebracht werden können. Trotzdem war es keineswegs eine Fehlentscheidung oder ein schlechter Abend, im Gegenteil, es wurde bewiesen, dass sogar die Hälfte der Band auf der Bühne reicht, um zu begeistern… so war es mit Sicherheit kein Desaster, sondern Stücke wie "A Natural Disaster" funktionieren auch in dieser Form durch ihre Ausdrucksstärke in Zeilen wie:
»You've just slipped through my fingers
As life turned away
It's been a long, cold winter
Since that day.. «
Line-up Anathema:
Vincent Cavanagh (vocals, acoustic guitars)
Daniel Cavanagh (acoustic guitars, vocals, keyboards)
Lee Douglas (vocals)
Setlist Anathema:
01:The Lost Song, Part 2
02:Untouchable, Part 1
03:Untouchable, Part 2
04:Thin Air
05:Dreaming Light
06:Deep
07:Ariel
08:The Beginning And The End
09:Glory Box [Portishead cover]
10:Anathema
11:Are You There?
12:Running Up That Hill (A Deal With God) [Kate Bush cover]
13:Distant Satellites
14:Tomorrow Never Knows [The Beatles cover]
15:A Natural Disaster
16:Fragile Dreams
17:The Goldheart Mountaintop Queen Directory [Guided By Voices cover, zusammen mit Conrad Keely]
18:Another Brick in the Wall Part 2 [Pink Floyd cover]
Externe Links: