Katja Wittenstein & Folkert Koopmans
Von Musikern, Machern & Mobiltoiletten
40 Jahre Open Air Geschichte
Von Musikern, Machern & Mobiltoiletten - 40 Jahre Open Air Geschichte Die Geschichte der Deutschen Freiluft-Festivals aus erster Hand

Medium: Buch
Gebundene Ausgabe: 168 Seiten, zahlreiche Farb- und Schwarzweißfotos
Verlag: FKP Scorpio Konzertproduktionen; Auflage: 1 (2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 300021738X
ISBN-13: 978-3000217388
Preis: EUR 19,90
Stil: Rock-Literatur



Buchbesprechung vom 19.11.2007


Norbert Neugebauer
Das Buch war schon lange überfällig! Wir sind das Land mit den meisten Festivals (steht jedenfalls drin) und wohl Jeder der halbwegs ernstzunehmend über das richtige Live-Feeling der Rockmusik mitreden will, wird schon mindestens ein Open Air-Wochenende in Schlamm/und oder Hitze bei chaotischen organisatorischen Verhältnissen zugebracht haben. Und davon jahrzehntelang zehren, in den eingeweihten Kreisen mit Seinesgleichen schwärmen, spießigen Kindern samt Hip Hop-Enkeln damit auf die Nerven gehen und nur dünn über das lächeln, was heute als 'All Inclusive-Party-Weekends' bei "Rock am Ring" oder "Rock im Park" abgeht.
Bei den legendären Freiluft-Ereignissen der 60er-Jahre in USA beginnend, die dann nach Woodstock schnell ihre Fortsetzung vor allem in England, Dänemark und Deutschland fanden, von der Folk- und Liederurzelle Burg Waldeck, den frühen, voller Enthusiasmus, aber gleichfalls völliger Unerfahrenheit durchgeführten und entsprechend öfters katastrophal endenden Open Airs Made in Germany, den ersten richtig großen Festivals in den Siebziger Jahren, den "Monsters Of Rock"-Marathons bis hin zu den heutigen etablierten Rock- und artverwandten Festivals reicht der umfassende Überblick. Doch weitaus mehr als das. Dass Mehrtagesveranstaltungen unter freiem Himmel schon seit jeher wettermäßig in Deutschland eigentlich eine Unmöglichkeit sind und sich früher die Fans keineswegs von lustlosen Künstlern oder unfähigen Veranstaltern ausnehmen ließen, sondern schon mal Bühnen samt Bandequipment abfackelten, sind weitere interessante Erkenntnisse für die heutige Generation Rock.
Herausgeber Folkert Koopmans ist nicht nur einer der bis heute überlebenden Veranstalter (und mittlerweile einer der erfolgreichsten in Deutschland mit seiner Hamburger Firma FKP Scorpio Konzertproduktion), sondern hat die ganze Szenerie vom freiwilligen Kartenknipser bis zum Boss einer ganzen Serie großer Festivalreihen hierzulande sowie in Österreich und der Schweiz selbst mitgemacht. Er kennt alle und alles und ohne seine Erfahrungen und die entsprechenden Connections wäre der Autorin Katja Wittenstein wohl kaum so ein prächtiges und authentisches Buch über die Open Airs in Deutschland möglich gewesen. Doch das ist keinesfalls eine Selbstbeweihräucherung des Selfmade-Promoters oder ein typisches Auftragswerk. Die Story des ostfriesischen Bauernsohns, der neben Organisationstalent auch noch die Entschädigungssätze für landwirtschaftliche Ausfälle gegenüber den geldgeilen Anrainern der Festivals aus dem Effeff zu bieten hatte, ist nur eine von vielen. Interviews mit zahlreichen maßgeblichen Leuten, Augenzeugen, Veranstaltern, Managern, Platzwarten, Musikern, Bandbetreuern und Journalisten sowie Presseartikel, Plakate, hervorragende und aussagekräftige Fotos (weitestgehend unveröffentlicht) und noch viel Hintergrundinformation über das Rock-Business machen "Von Musikern, Machern & Mobiltoiletten" zu dem Standardwerk über die Open Airs in Deutschland, nicht nur wegen der fehlenden Konkurrenz.

Hervorragend recherchiert, umfassend von den ersten Frankfurter Jazz-Festivals in den 50er Jahren im Freien, über "Love&Peace" auf Fehmarn 1970, "Umsonst&Draußen" und "W:O:A" bis zum (»schönsten«) Techno-Open Air, dem "SonneMondSterne-Festival" im thüringischen Saalburg, dazu gut geschrieben, ist das Buch deutsche Rockmusik-Geschichte. Selbst langjährige Festival-Gänger werden hier nicht nur kopfnickend in ihren Erinnerungen schwelgen, sondern künftig noch mehr 'Insiderwissen' am Tresen an nachfolgende Generationen weitergeben können.
Dem Text vorangestellt ist ein Namens-Glossar, das sehr hilfreich ist. Einige wenige Fehler (z.B. war das "Anti-WAAhnsinn-Festival" in Wackersdorf und nicht Wacksersdorf) fallen kaum ins Gewicht, aber warum ausgerechnet das den ursprünglichen Festival-Geist noch immer lebende
Burg Herzberg-Festival fehlt, bleibt unverständlich (doch wohl nicht aus Konkurrenzgründen?!). Trotz dieser natürlich unverzeihlichen Unterlassungssünde ist "Von Musikern, Machern & Mobiltoiletten - 40 Jahre Open Air Geschichte" eine dicke Empfehlung für alle Rockfans und Rockliteratur-Liebhaber.
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