»Gonna take me right back where I belong...
So look out Baby, I'm comin' to get you one more time - goin' home...«
Hippie? Klar, das hat mit DEM Musikereignis zu tun und so beginnt das Buch auch damit, dass der Protagonist der Erzählung 1970, im Alter von 17 Jahren, im Kino sitzt und beim "Woodstock"-Film beschließt, Hippie zu werden.
Solche schwerwiegenden Entscheidungen im Leben eines jungen Mannes kommen aber nicht aus dem Blauen heraus, sondern reifen in der Regel einige Jahre früher. Der Rezensent, der zwar nie Hippie, sondern eher Rockstar werden wollte, kann ein Lied davon singen. Und so macht es unheimlich Spaß, im eigenen Langzeitgedächtnis Bekanntes zu finden. Lektüre in dem Alter zum Beispiel: Bessy, Fix & Foxy, Sigurd, Tibor, Felix, BRAVO. Mit Freunden Baumhäuser zu bauen und dort abzuhängen. Der Autor beschreibt schön chronologisch die Jugend des Helden, den sich wandelnden Musikfundus, der Anfangs aus eher 'harmlosen' Stones-, Beatles-, Turtles- und Rock'n'Roll-Singles bestand. Dazu die beiden damals wohl unvermeidlichen, weil nicht kompatiblen, Fronten: Auf der einen Seite die Eltern und gegenüber Haare, Kleidung und eben Musik.
Herrlich, wie man beim ersten Besuch bei den Eltern der Freundin sich in Schale wirft und dort angekommen feststellen muss, dass die Schwiegereltern in spe anscheinend noch lockerer drauf sind und den Hippiestatus bereits erreicht haben. Fast zu schön, um wahr zu sein, schießt es mir beim Erinnern an die eigene Jugend durch den Kopf. Zumal die obenrum wohlproportionierte Mutter der Freundin im weiteren Verlauf des Buches unseren angehenden Hippie und auch dessen Freund auch schon mal vernascht.
Überhaupt muss ich (neidvoll) sagen, dass unser Held wohl eine Ausnahme-Jugend hatte. Trotz strengem Vater gab es keine Probleme, im Alter von 15 Jahren mit Freundin und deren Eltern nach Spanien in den Urlaub zu fahren. Logisch, dass auch eine Band gegründet wurde und da die Kohle in dem Alter knapp war, ist ein Opa vorhanden, der mal eben eine Fender Jazzmaster auf dem Dachboden hat und später dem Enkel auch die Knete für den gebrauchten VW Bus gibt.
Eine Schlüsselszene des Romans ist die, als eine neue musikalische Ära entsteht: Das Ende des Beats und der Wechsel zu Bands wie Ten Years After, Led Zeppelin, Uriah Heep, Spooky Tooth usw.
Parties, Mädchen, Band und Joints. So war das zu jener Zeit, wenn auch ich anscheinend zur richtigen Zeit an den falschen Orten gewesen sein muss, denn die 'Zeit der freien Liebe' war in meinem Umfeld in diesen Ausmaßen nicht vorhanden.
Der unterstützende Opa stirbt und vererbt dem mittlerweile als Student der Betriebswirtschaft durchs Leben stolpernden jungen Mann 35.000 DM und damit soll es mit Freunden nach Goa gehen. Die Geschichte will, dass daraus nichts wird und so geht es nach San Francisco und man liest über Haight-Ashbury, Grateful Dead und Jefferson Airplane. Danach führt die Geschichte die vier jungen Leute auch nach Jamaica, wo sie ein paar Gangster überführen und dafür, wieder in Deutschland angekommen, 25.000 Mark Belohnung kassieren. Welche wunderbare Fügung des Schicksals, nachdem Opas Erbe aufgebraucht ist.
Das Studium wird beendet und eine weitere musikalische Schlüsselszene kann der lesende Zeitzeuge bestätigen: Der Hippie-Ära stellt sich ein neuer Zeitgeist gegenüber. Die Bee Gees erobern die Discos. Abba ist in aller Munde, der Hippie muss zum Bund und opfert seine Haare, was den Vater freut.
Kurzweilig ist es, das Buch und für meinen Geschmack eindeutig zu kurz, denn die 172 Seiten sind rasend schnell gelesen. Auch weil man sich in vielen Absätzen selbst findet bzw. sich an Situationen, Musik und Ereignisse erinnert. Daher ist es auch etwas 'schmerzlich', was die letzten Seiten vermitteln. Die unbekümmerten Jahre sind vorbei und außer Erinnerungen ist das Meiste unwiderruflich Geschichte. Wir und auch der Autor schreiben das Jahr 2008. Aus dem Hippie ist ein 55-jähriger Mann geworden. Verheiratet und Vater, aber wenigstens ist die Frau an seiner Seite die Gleiche, die ihn durch das Buch begleitet hat. Und wer DIESE Zeit mit DIESER Musik wirklich gelebt hat, der ist auch 2008 noch Rocker oder Hippie. Fehlende Haare, Bauch und Schlips sind da nur unwichtige Äußerlichkeiten, die es nicht schaffen, die innere Einstellung mitzuverändern.
So liegt unsere Romanfigur auch bequem im Sessel und schaut "Woodstock", Ten Years After auf dem Plasmaschirm, als es klingelt. Der Postbote bringt Nachschub: Alvin Lees Saguitar.
»... und die Musik klingt wie ...TEN YEARS AFTER... oder sollte ich besser sagen FOURTY YEARS BEFORE?«.
Roland Lieverscheidt-Pelzer ist eine kurzweilige Geschichte aus der Feder geflossen und diejenigen unter uns, die nach wie vor den Rock'n'Roll leben, freuen uns auch heute noch, wenn der Briefträger 'Nachschub' bringt. Diejenigen, die die 'alte Zeit' abgehakt haben, sollten unbedingt mal reinlesen. Vielleicht keimt die 'alte Saat' noch einmal auf, denn:
»Gonna take me right back where I belong...
So look out Baby, I'm comin' to get you one more time - goin' home...«
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