Was soll man eigentlich erwarten, wenn ein kauzig-schrulliger Alt-Punker und szenegefeierter, scharfzüngiger Journalist in Personalunion in einem Buch die "33⅓ Platten für die Ewigkeit" beschreibt? Etwa seriösen Musikjournalismus?? Leser mit dieser Erwartungshaltung dürfen bereits jetzt gerne diese virtuelle Seite 'umblättern'...
Wer dagegen die beiden Vorläufer von "Raketen in Feinripp" - "Raketen in Rock" (2003) und "Raketen in Dosen" (2007) - gelesen hat, und vielleicht sogar einzelne Kapitel aus Tom Tonks schreiberischem Wirken für das Fanmagazin OX kennt, wird wahrscheinlich ziemlich genau wissen, was mit diesem Taschenbuch auf ihn zukommt: 33⅓ als Musikrezensionen getarnte Kolumnen und Glossen, die Tonks - sagen wir mal - abenteuerliches Musikverständnis in einem überaus skurrilen Schreibstil transportieren.
Der Autor stammt aus dem 'Pott' - um es genau zu sagen: aus Duisburg - und so ist sein allgegenwärtiger Wortwitz manchmal der etwas poltrig-derben, direkten Art. Andererseits spielt er gelegentlich filigran-leicht, ja geradezu irrwitzig mit unserer Muttersprache und bricht dabei - da kann der 'alte Punker' nicht verborgen werden - rotzfrech anarchistisch sämtliche gängigen 'Regeln' für Musikreviews. So nennt
Tom Tonk beispielsweise im eröffnenden Kapitel "Win, Lose Or Draw" (allein DIESES Album auszuwählen, ist schon verdammt schräg!!) kein einziges Mal den Namen der
Allman Brothers. Stattdessen ergeht sich er sich in einer leicht zynischen Charakterstudie eines typisch-schluffigen Fans der Band. Nachdem man erst einmal die anfängliche 'geringfügige' Irritation abgeschüttelt hat, beißt man in einem brüllenden Lachkrampf in die Auslegeware des heimatlichen Wohnzimmers....
Dass hier vieles nicht ganz ernst gemeint sein kann, glaubt man bereits beim Studium des Inhaltsverzeichnisses zu erahnen.
Franz Ferdinand, Michael Holm, Die Phudys plus
Lou And The Hollywood Bananas = 3⅓ Platten für die Ewigkeit? Diese Gleichung kann doch wohl nur ein Schmarren sein? Oder etwa nicht?? Findet es selbst heraus - ich verrate nix...
Verwunderlich (und bemerkenswert) ist ebenfalls, wie der Freund der 'magischen drei Akkorde' hier geradezu liebevoll den keineswegs wesensverwandten Typen wie
Mitch Ryder,
Steve Marriot oder
Rory Gallagher ein prosaisches Denkmal setzt. Die autobiografischen Züge im Kapitel über
Black Sabbath lassen die tief wurzelnde Empathie für diese Musiklegende, die mehr als nur eine Generation prägte, erahnen:
»Gegen den schlechten Einfluss allerdings, den Black Sabbath ausüben, kann ich mich glücklicherweise bis heute noch nicht wehren.«
Wesentlich weniger überraschend und abwegig erscheinen da die Kapitel über
Die Krupps, die
Nina Hagen Band,
Zwakkelmann oder
Slime. Aber auch hier sollte sich keiner zu sicher vor Lach- oder Weinkrämpfen - je nach Sichtweise und Blickwinkel - fühlen...
Gelegentlich überzieht der Autor natürlich und der Leser kann sich in diesem Momenten des Eindrucks kaum verwehren, dass der Mann seine eigene Schrulligkeit etwas überstrapaziert. Ganz sicher wird "Raketen in Feinripp" polarisieren - zwischen purer Begeisterung und abgrundtiefem Unverständnis scheinen nur schwächere Differenzierungen vorstellbar. Nichtsdestotrotz ist Tonks Wortwitz von einer brillanten Scharfzüngigkeit, dass einem vor ungläubigen Staunen das Lachen manchmal im Halse steckenbleibt.