Früher war alles anders ...
Ja, früher hatte der Begriff 'Platte' oder auch 'Schallplatte' noch eine ganz andere Bedeutung.
Zitat Wikipedia: »Eine Schallplatte ist eine meist kreisrunde, schwarze Scheibe, die als analoger Tonträger für Schallsignale dient.«
Das zur Erläuterung für alle diejenigen, die heutzutage ihre Musik überwiegend über CDs (Zitat Wikipedia: »Die Compact Disc Digital Audio (kurz CD-DA, auch Audio Compact Disc, Audio-CD oder Digital-Audio-CD) ist ein optischer Massenspeicher, der seit 1979 von Philips und Sony zur digitalen Speicherung von Musik entwickelt wurde und die Schallplatte als wichtigstes zum Verkauf bestimmtes Medium von aufgezeichneten Sprach- und Musikaufnahmen ablöste.«), MP 3 usw. konsumieren.
Wer aber noch im Zeitalter des Vinyls aufgewachsen ist, wird sich bestimmt zurückerinnern, wie es damals war, als man erfuhr, dass die Lieblingsband eine neue Platte rausgebracht hatte. Schnell hin zum Plattendealer des Vertrauens, das Objekt der Begierde gekauft, nach Hause getragen und vorsichtig wie ein rohes Ei ausgepackt, die Scheibe geputzt, den Tonarm angehoben und die Nadel noch vorsichtiger aufgesetzt - der Immigrant Song rumpelte aus den Boxen. Und erst jetzt konnte man sich in aller Ruhe der Verpackung der schwarzen Scheibe widmen: helle Papphülle, glänzend, Format 30 cm x 30 cm, "Led Zeppelin III" prangt einem in großen verschnörkelten Buchstaben entgegen. Lustig anzusehen ist das Cover mit der darauf enthaltenen Ansammlung von Zeppelinen, Schmetterlingen und Blümchen, Flugzeugen, Sternen und Vögeln. Die Hülle enthält eine drehbare Scheibe, die innerhalb des Frontcovers postiert ist. Wenn man daran dreht, werden in den zehn kreisrunden Löchern auf der Vorderseite verschiedene Bilder der Band sichtbar. Auch die Innenseite des Covers ist genauso bunt gestaltet, versehen mit einem fliegenden Stuhl, einem Maiskolben, einem Kolibri.
Jimmy Page war damals von dem was ihm Zacron vorlegte überhaupt nicht erbaut: »Ich kannte den Künstler und beschrieb ihm, was wir haben wollten. Er riss es an sich und verschwand. Mit dem Endergebnis war ich nicht sehr glücklich, ich fand, dass es ziemlich teeniemäßig aussah. All diese albernen Dinge - Maiskolben und derartiger Unsinn.«
Heutzutage genießt dieses Cover Kultstatus.
Viele Plattencover sind wahre künstlerische Meisterwerke. Kein Wunder, wurden diese oft genug von den besten Zeichnern, Grafikern und Fotografen gestaltet, engagiert direkt vom Plattenlabel oder der Band, die sich das finanziell leisten konnte. Und ja, so ein Plattencover bot genug Platz, um sich darauf entsprechend 'austoben' zu können.
Dominique Dupuis hat sich des Themas Covergestaltung in Verbindung mit einer Art Zeitreise durch die Musikgeschichte angenommen und die 700 legendärsten Plattencover in seinem Buch vorgestellt. Gleich von Anfang an macht er klar, es sei »eine subjektive Geschichte des Rock, erzählt anhand von Plattencovern«. Und genau so sollte man auch an das Buch herangehen.
Sicherlich war es keine leichte Aufgabe, aus x-tausenden von Gemälden, Collagen, grafischen Arbeiten, Fotos und was der Fundus sonst noch so alles hergibt, eine repräsentative Auswahl zu treffen, zumal jeder musikalisch Interessierte weiß, dass die Ausrichtungen im Bereich 'Rock' recht breit gefächert sind. Ob Blues Rock, Glam Rock, Psychedelic Rock, Punk, New Wave, Gothic Rock, Hard Rock, Jazz, ja selbst den Metal-Bereich in all seinen Facetten hat Dupuis nicht ausgespart sondern versucht, stellvertretend für jede Stilart das kultigste oder auch wichtigste Cover vorzustellen.
Interessant wird das Buch auch durch die Anmerkungen des Autors zu den jeweiligen musikalischen Strömungen einer bestimmten Dekade. Angefangen mit dem Blues-Boom, den Einflüssen der Beatles, Zappa oder Andy Warhol als Coverdesigner geht die Reise hin zum Psychedelic Rock, dem Prog Rock und dem französischen Rock. Natürlich findet der 70er Jahre-Glam Rock genau so Erwähnung wie der Hard Rock und Southern Rock. Auch die verschiedenen Stile des Punk werden beleuchtet.
In den 80er Jahren tanzte man zu Wave und Elektro genauso wie zu Rockabilly. Der Gothic Rock hielt Einzug und der Punk erlebte eine neue Blüte. Für die Anhänger der härteren Klänge gab es Heavy Metal in seinen unterschiedlichsten Stilrichtungen auf die Ohren und Grunge wurde immer wieder mit Nirvana (gegründet 1987) in Verbindung gebracht, die mit dem Album "Nevermind" 1991 ihren Durchbruch hatten.
Es ist nicht von der Hand zu weisen: Jede Facette der Rockmusik spiegelt auch die gesellschaftliche Entwicklung wider.
Informativ wird von Dupuis der Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Plattencover in Verbindung mit dem jeweiligen musikalischen Inhalt auf dem Vinyl dargelegt, am Intensivsten zu beobachten im Heavy Metal-Bereich.
Zur Abrundung eines wirklich gelungenen Buches gibt es noch einen kleinen Artikel über den Abgesang auf die Vinyl-Platte und - und deren Wiederauferstehung.
Ob der Autor nun in jedem Fall konform mit dem jeweiligen Leser geht, wage ich zu bezweifeln. Dennoch gibt es ein paar Cover aus diesem Buch, die meine ganz persönlichen Favoriten sind, als da wären:
Hawkwind "In Search Of Space"
Big Brother & The Holding Company: "Cheap Thrills"
Pearls Before Swine: "One Nation Underground"
The Who: "Sell Out"
Grateful Dead: alles
Nazareth: "No Mean City"
Motörhead: "Bomber"
u.v.m., eine kleine, natürlich ebenfalls nur subjektive Auswahl, deren Scheiben zum Teil in unserer Vinyl-Sammlung stehen.
Zum Abschluss möchte ich noch Nick Hornby ("High Fidelity") zu Wort kommen lassen:
»Achtung, Platten sammeln, das ist nicht wie das Sammeln von Briefmarken, Bieruntersetzern oder alten Würfeln. Platten sammeln ist eine Welt für sich, ist zarter, dreckiger, gewalttätiger, friedlicher, farbiger, erotischer, brutaler, freundlicher als die Welt, in der ich lebe. Da gibt es Geschichte, Geografie, Poesie und tausend andere Sachen, die ich in der Schule hätte lernen sollen, sogar Musik.«
"Rock Vinyl" ist ein tolles Buch, das man sich nicht nur ins Regal stellt, sondern immer wieder gern zur Hand nimmt, um darin zu lesen und zu blättern und mit der eigenen Vinyl-Sammlung zu vergleichen. Empfehlenswert selbst für junge Leser, die sich Musik nicht nur downloaden um zu konsumieren, sondern sich auch intensiv mit deren Geschichte dazu befassen möchten.
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