Andromeda / The Immunity Zone
The Immunity Zone Spielzeit: 66:34
Medium: CD
Label: Silverwolf, 2009
Stil: Prog Metal

Review vom 05.03.2009


Boris Theobald
Für Dream Theater war es "Train Of Thought"; für Symphony X war es Paradise Lost - nun haben auch Andromeda ihr ganz besonders düsteres, ganz besonders hartes Album: "The Immunity Zone". Auf ihrem vierten Studiowerk gehen die Schweden ran wie Flocki ans Gehackte! Schon der Opener "Recognizing Fate" lässt den Prog-Hörer in Ehrfurcht erstarren: Einschüchternde Gitarren-Riffs und dazu auch noch dissonante Psycho-Effekte der Keyboards. Dazwischen knisternd spannende Clean-Gitarren-Atmos mit schaurigen Synthesizer-Effekten. Mein lieber Scholli, da drehste dich schön ofter mal um, wenn du nachts allein auf der Straße unterwegs bist, mit der neuen Andromeda auf dem Ohr...
Es gibt weiter heiße Ohren ohne Rücksicht auf Verluste unter den Zartbesaiteten... aber was wären Andromeda bei all der Härte ohne ihre Markenzeichen, die sie sich in den vergangenen Jahren wie kaum eine andere Prog Metal-Band in der Flut von Neuveröffentlichungen erarbeitet haben?! Inmitten fieser Metal-Brocken tauchen urplötzlich eingängigste, nahezu pop-taugliche Melodien auf, wie zum Beispiel in "Another Step" oder - vor allem - im genialen "Slaves Of The Plethora Season". Es ist schon fast als mutig zu bezeichnen, solche gleichermaßen Mitsing- wie Faust-in-die Luft-Gesangslines in hochverproggten Stoff einzubauen. Die ungewöhnlichen Staccato-Keyboards dazu sind eines von vielen Beispielen, wie diese Band es immer wieder versteht, durch gewagte Experimente ziemlich innovativ ins Schwarze zu treffen.
Dazu zeigen sie auf "The Immunity Zone" erneut - das war schon fast zu erwarten - dass jeder einzelne in der Band zu den allerallerbesten seiner Zunft gehört. Was Johan Reinholdz an der Gitarre und Martin Hedin auf den Tasten da melodisch und erstaunlich songdienlich an Kleinholz zusammenfrickeln, das wäre schon eine bronzene Statue auf dem Marktplatz des Heimatkaffs wert. Alte Schweden! Soloduelle zum Reinknien und dazu eine Rhythmussektion aus Drummer Thomas Lejon und Basser Fabian Gustavsson, die tighter sitzt als die Abendgarderobe von Stryper. Instinktive Spielereien und Weltklasse-Fills für runterklappende Unterkiefer.
Verkniffelt diffizile Rhythmen fallen Andromeda ungefähr so schwer wie der Omma das Häkeln von Topflappen mit Karomuster. "Ghosts On Retinas" lässt gleich mal im 9/8-Takt grüßen. Bei "Ceonsoring Truth", wo Schlagzeug und Gitarre zur polyrhythmischen Tanzveranstaltung für ausgewählte Genießer einladen, steige ich trotz redlicher Bemühungen nach ein paar Takten voller Demut aus. Nur mathematisch, versteht sich! Denn trotz des technischen Levels habilitierter Atomphysiker verstehen sich Andromeda darauf, keine Kunstwerke nach dem Motto 'Nur kucken, nicht anfassen' zu fabrizieren, sondern ihre Musik mit packenden Spannungsbögen und viel Emotion zu einem Endlos-Frisbee im CD-Spieler zu machen. Daran hat nicht zuletzt der gewohnt facettenreiche Gesang des einzigartigen David Fremberg einen Mörder-Anteil - für mich inzwischen einer der ganz Großen im Genre!
Bereits jeder kompaktere Song des Albums ist schon ein kleines Epos, gespickt mit Breaks oder unerwarteten Wendungen - ich denke da zum Beispiel an das psychedelische Outro im Brecher "Recognizing Fate" oder den immensen Energieanstieg in dem so zart und bedächtig beginnenden "Worst Enemy". Glanzstück ist jedoch der Siebeneinhalb-Minüter "Shadow Of A Lucent Moon", wo erst einmal drei Minuten lang rein instrumental auf den Gesangseinsteig hingearbeitet wird und nach wunderbaren vier Minuten der Refrain erklingt - zum ersten von insgesamt zwei Mal.
Mit dem rund 15:40 Minuten langen "Veils Of Illumination" (der Rest ist atmosphärischer Nachhall) haben Andromeda an letzte Stelle des Albums den bisher mit Abstand längsten Song der Bandgeschichte gestellt. Doch hier will der Funke bei mir nicht so recht überspringen. Das instrumentale Feuerwerk der ersten zehn Minuten, das mit und ohne Gesang gleichermaßen stattfindet, ist technisch zum Zungeschnalzen. Doch verliert sich hierbei der ansonsten so hoch gelobte rote Faden. Nach zehn Minuten folgt ein atmosphärisches Break, das durch ein edles und Gänsehaut erregend schön variiertes Leadgitarren-Thema besticht. Und doch erinnert mich genau diese Passage zu sehr an Dream Theaters "In The Presence Of Enemies". Beim Komponieren von Longtracks lassen sich Andromeda also selbst noch ein wenig Luft nach oben für's nächste Mal.
Das allein reicht aber bei weiten nicht als Entschuldigung, dieses Album nicht zu besitzen! Ein Album, das zeigt, wie moderner Progressive Metal klingen kann. Ein Album, das in die Diskografie einer wahrlich großen Prog Metal-Band passt; denn es bietet eine Weiterentwicklung, ohne mit Bewährtem zu brechen. Und es wächst mit jedem Hördurchgang noch ein bisschen weiter!
Line-up:
David Fremberg (vocals)
Martin Hedin (keyboards)
Johan Reinholdz (guitar)
Fabian Gustavsson (bass)
Thomas Lejon (drums)
Tracklist
01:Recognizing Fate (7:19)
02:Slaves Of The Plethora Season (5:35)
03:Ghosts On Retinas (4:28)
04:Censoring Truth (6:43)
05:Worst Enemy (6:02)
06:My Star (5:40)
07:Another Step (5:58)
08:Shadow Of A Lucent Moon (7:22)
09:Veil Of Illumination (17:26)
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