Es ist ja schon beinahe unbeschreiblich, wer dieser Tage so alles mit neuen Veröffentlichungen und/oder Live-Shows von sich reden macht. An jeder zweiten Ecke tauchen die alten Helden vergangener Zeiten auf, schieben nach Jahren mal wieder eine Scheibe auf den Markt oder gehen auf eine der unzähligen Reunion-Touren. Wer dem Metal der Urzeit nachtrauert, wer seine Idole vor so vielen Jahren zum letzten Male live gesehen hat, dass die Erinnerung daran schon verblasst ist, dem sei geraten, die einschlägigen Meldungen genau zu verfolgen. Es tut sich was, und zwar schon länger. Mitunter muss man zwar einige Anstrengungen unternehmen, um an diesem 'Sich Tun' teilhaben zu können, aber das kriegen wir doch hin, nicht wahr?!
Seit Monaten geisterte das Gerücht im Internet, dass erneut ein paar Heroen der NWOBHM den Weg in ein Studio gefunden hätten und auch in diesem Jahr wieder auftreten würden. Dann kam die Ankündigung der neuen Scheibe und die Gerüchte konkretisierten sich zu festen Terminen. Kevin Heybourne würde mit seinen Kollegen von Angel Witch auf Tour gehen und an einigen wenigen Orten Neues und vor allen Dingen Altes spielen. Keine Frage, da müssen wir hin! Fragt sich nur wohin. Opwijk in Belgien lautete die Antwort. Das liegt irgendwo auf dem platten Land hinter Brüssel und dort gibt es einen Club, in dem immer wieder mal etwas ganz engagiert auf die Beine gestellt wird. Wohlan, meine Damen und Herren Metalheads, let's do it!
Der Abend war als " Angel Witch supported by Sardonis" angekündigt, aber beim Eintreffen wurde ich gewahr, dass wir noch eine dritte Band zu hören und sehen bekommen würden. Neben dem belgischen Instrumentalduo Sardonis sollten noch die ebenfalls hier beheimateten After All auftreten und die einschlägige Meinung der Lokalexperten deutete auf eine gute Show hin. Beide Truppen hatte ich bis dato noch nicht live sehen können und war durchaus gespannt - wenn auch die Vorfreude auf den Top-Act am größten war. So wie mir ging es auch den anderen Gästen an diesem Abend, die sich vor der Halle oder im Barbereich zum Quatschen, Trinken und Rauchen eingefunden hatten. In der Hitze der Diskussionen über wahren Metal, Old School und bevorstehende Gigs ging dann auch der Auftritt der beiden Instrumentalisten von Sardonis ein wenig unter. Ihre Doom-Walze legte sich über die Halle und machte jede Unterhaltung vor der Bühne zunichte, so dass wir die Show aus einiger Entfernung als Hintergrundunterhaltung laufen ließen. Beim nächsten Mal werde ich mich hoffentlich mehr drauf einlassen können, denn das war gar nicht so schlecht, was die beiden Herren auf der Klampfe und am Schlagzeug da so rüberbrachten.
Mit After All stiegen dann ein paar Jungs mehr auf die Bühne und hauten uns ihren Thrash Metal perfekt inszeniert um die Ohren. Sänger Sammy Peleman war für mich dabei die größte Überraschung, denn seine stimmliche Bandbreite war schon erstaunlich und besonders in den oberen Tonlagen absolut überzeugend. Sie eröffneten ihren Auftritt mit "Forgotten", das ebenfalls Opener des 2005 erschienenen Albums The Vermin Breed ist. Man hatte ihnen Platz für sieben Songs eingeräumt und sie nutzten jede Sekunde des Sets für eine wirklich gute Show. Die Kollegen um mich herum waren allesamt alte Hasen in puncto After All und nickten zustimmend ob der Qualität des Dargebotenen. Auf jeden Fall hatten Band und Publikum mächtig Spaß an der Performance. After All können in ihrer Geschichte auf eine beeindruckende Vielzahl von Live-Auftritten zurückblicken und haben sich mit etlichen Größen der Rockmusik schon die Bühne teilen dürfen. Von dieser Erfahrung durften wir nun profitieren, denn sie lieferten ein rundes Set mit durchaus melodiösen Songs ab. Es war, wie man es ja leider öfter mal findet, nicht nur eine Aneinanderreihung wilder Shredder-Künste, sondern eine in sich runde Sache, die ihren wohlverdienten, wilden Applaus bekommen hat.
Was dann kam, war ein noch nicht einmal 90-minütiger Schlag voll auf die Zwölf. Die Umbaupause zum Nachtanken einiger Becher Jupiler (übrigens sind 5,- € für vier Becher Bier absolut unschlagbar - Respekt!) nutzend, bewegten wir uns dann wieder in Richtung der ersten Reihe und ich bekam einen Platz mitten zwischen Heybourne und seinem zweiten Gitarristen Bill Steer. Was will man mehr! Direkte Erwiderung: gute Beleuchtung. Und das war dann leider auch DAS Manko des Abends. War schon bei Sardonis das Licht nicht durchweg gut zum Fotografieren (für die Show als solche aber schon, nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht) und konnte zwar für After All erheblich verbessert werden, so wurde mir bei den ersten Tönen zu "Dead Sea Scrolls" klar, dass das hier kein Spaß werden würde. Nebel, Nebel und noch einmal Nebel, und dazu dann auch noch ständig Licht aus dem rückwärtigen Bühnenbereich.
Mit dem gerade angesprochenen Opener der neuen Scheibe As Above, So Below wurde der Auftritt grandios eingeläutet. Das Publikum sog jeden einzelnen Ton aus den zusammen zwölf Les Paul-Saiten auf und flippte schier aus. Obwohl die Band nicht gerade bekannt ist für spektakuläre Shows, machte das der Faszination des Gigs rein gar nichts aus. Man ließ halt die Instrumente sprechen, und wie! Unterstützt von Will Palmer am Bass, gaben sich sowohl Heybourne als auch Steer keine Blöße, nicht eine Sekunde lang. Im stetigen Wechsel bewiesen beide Gitarristen ihre Fähigkeiten mehr als eindrücklich und gaben dem Volk den Metal. In unscheinbarer Kleidung, wie gerade von der Straße kommend, standen, bzw. im Falle des Drummers Andrew Prestidge saßen sie auf der Bühne und machten den Saal platt. Egal, ob es eines der drei neuen Stücke vom brandaktuellen Album war ("Dead Sea Scrolls", "Into The Dark", "Guillotine") oder ein alter Kracher aus frühen Zeiten, es kam gut an - und das ist die Untertreibung des Jahres. Natürlich wurden die Ansagen gerade zu den älteren Songs mit lauterem Beifall und Gejohle quittiert und die Textsicherheit war logischerweise auch von einem anderen Kaliber.
Jeder der vier Musiker bekam seinen Platz für kleine Soloeinlagen im Set. Kurz und prägnant, nicht überfrachtet und der Show angemessen. Diese war genrebedingt zwar durchaus gitarrenorientiert, jedoch ohne große effektehaschenden Einlagen. Die Musik war und ist das Anliegen von Angel Witch und daran ließen sie keinen Zweifel. Die Ansagen sind bekanntermaßen sowieso auf das Wesentliche reduziert und da wird auch nicht über die Bühne gewirbelt oder sonst irgendein ein Spuk veranstaltet. Mehr als ein kurzzeitiges 'Anspielen' der Kollegen wird man von Heybourne eh nicht erwarten können und das ist auch vollkommen in Ordnung. Die Band brannte trotzdem ein Feuerwerk allererster Sahne ab und man darf sich eine komplett wild gewordene Horde bekloppter Metalheads gesetzteren Alters vorstellen, die wie ein Mann und eine Faust den Refrain zur alten Hymne "Angel Witch" mitbrüllte. Wer den Song kennt, weiß, was ich meine. Selten habe ich in der jüngeren Vergangenheit eine derart intensive Vorstellung miterlebt und so lange gebraucht, hinterher wieder auf den Boden zu kommen. So in etwas muss seinerzeit die Bravo- Beatles-Blitztournee abgegangen sein: Licht aus, Band auf die Bühne, eine Stunde Hits knüppeln, Licht an, fertig. Ganz großes Kino, herzlichen Dank - auch an Katrien Lefevre von Greenhouse Talent für die freundliche Fotogenehmigung!
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