Wenn eine Band Songideen und Lust auf Tonstudio hat, aber außer Gitarre, Bass und Schlagzeug nichts im Line-up und auch kein Sänger in Sichtweite ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Häufig ist die, dass sich einer der Instrumentaltäter auch zum Singen herablässt. Atlantyca, ansässig in Lyon, haben sich für die andere der beiden Möglichkeiten entschieden. Die Brüder Julien (Gitarre, Songwriting) und Maxime Putigny (Bass) und Drummer Laurent Falso haben sich Gastsänger geangelt, und dabei sogar namhafte Könner für ihr Projekt gewinnen können. Andy Kuntz( Vanden Plas), Edu Falaschi ( Angra, Almah), Paul Shortino und Session-Sänger David Steele sind dabei, außerdem zwei gar nicht mal so üble Sängerinnen, deren Namen bloß schlicht mit Tara und Michelle angegeben sind.
Mit der Stimmvielfalt können Atlantyca ein paar Punkte einfahren. Zum Glück, denn in Sachen Songwriting reißen sie nichts Großes. Doch erst einmal gehört sich der beworbene 'Prog'-Appeal der Scheibe etwas eingeordnet. Allein schon die Zusammenstellung der Vokalisten deutet eine muntere Mischung an, in der auch viel Melodic- und Hard Rock steckt. Dabei wirkt das Album allerdings ein wenig orientierungslos. Und egal, ob jetzt gerade Prog Metal oder Hard Rock angesagt ist - wirklich vom Hocker reißen können Atlantyca einen so oder so nicht. 'Progressive' geht es los mit dem Instrumentalstück "Impulse". Fein ineinander verwobene Clean-Gitarren, Bass und Klavier machen den Beginn vielversprechend - nur leider erinnert das auch sehr an The Divine Wings Of Tragedy. Aus den cleanen werden zwei Heavy-Gitarren - es kommt eine ordentliche Power rein, aber leider nichts Hochspannendes.
Mit "Standard Man" startet Andy Kuntz als erster Sänger ins Rennen. Der Song passt auch sehr gut zu seiner Stimme und hat dieses Knisternde in der Strophe (mitsamt passendem Gesangseffekt) und das Dramatische im Chorus, was zu Vanden Plas und auch zu Kuntz' Leidenschaft für Rock-Musicals passt. Der Gesang ist gewohnt klasse, auch die souveränen Stimmsprünge in hohe Gefilde. Doch die Spannung läuft etwas ins Leere - es fehlt dem Song an einer Überraschung. Bei Vanden Plas wäre die Nummer sicher am Cut gescheitert. Auch das Gitarrensolo ist ziemlich einfältig. Und diese Symptome ziehen sich durch die ganze Platte: Hast du einen Song bis zum Chorus gehört, dann kennst du ihn auch schon. 'Ah-ha'-Effekte kommen keine mehr.
Dafür ändert sich die Stilrichtung ab dem nächsten Song bis fast zum Schluss konsequent. Melodiöser Hard Rock wird geboten - mit teils starken Hooklines, aber ebenfalls überraschungsfrei. Edu Falaschi bleibt beim (verhältnimäßig schwachen) Quasi-Titeltrack "Nowhere And Beyond" unterfordert, "Beyond Infinite" mit Peter Steele am Mikro fixt den Hörer zunächst mit orientalischen Klängen an, danach mit einem feinen Aufbau, der durchaus ein bisschen verproggt ist (Elemente sind immer mal wieder vorhanden). Doch der Refrain zerstört wieder alle Hoffnungen auf einen klasse Song mit einer arg uninspirierten Melodie, die sich einfach vier Mal (fast) wiederholt und auch noch mit käsigen 80er-Keyboards verfettet wird.
Eine andere Steele-Nummer gehört dagegen zu den stärkeren Momenten des Albums: "Eternity" startet mit einem langen, verträumten Akustik-Part mit wehmutvollem Gesang. Klingt ganz zauberhaft und tiefgängig; später steigert sich das Stück nach und nach in eine emotionale Power-Nummer. Guter Spannungsbogen, muss man zugeben. Aber es wird wieder belangloser, wenn auch nicht wirklich 'schlecht'. "Time After Time" ist eine typische 80er-Melodic Hard Rock-Nummer, ganz im Stile von Civilization One, Rough Silk oder Ian Parrys Consortium Project, nur mit Frauengesang. Wobei man das wissen muss, denn Michelle klingt zuweilen so, als ob ein quäkender Parry einen Gastauftritt hätte.
Mit der Shortino-Nummer "My Road" (eher sehnsüchtig) und dem weiteren Steele-Teil "cEvilisation" (dramatischer Hard Rock mit Alternative-Anleihen) gibt es noch mehr Hard Rock-Konfektionsware - solide, aber ohne das Potenzial, die Affen von den Bäumen zu holen. Der Longtrack "Underworlds" weiß zum Abschluss des Albums gar nicht so recht, wo er hin will. Ein vertracktes Prog-Stück? Dafür wirken die abwechselnden ruhigen und dramatischen Heavy-Parts viel zu zusammenhanglos. Sehr positiv fällt bloß Sängerin Tara auf - enorm starke Vocals! Außer ihr treten beim Rausschmeißer nochmal Falaschi und Kuntz in Erscheinung, die aber leider wieder unter Wert verkauft werden. Es fehlt dem Ganzen eine große Struktur.
So bleibt von "To Nowhere And Beyond" am Ende nichts hängen, was das Album irgendwie unentbehrlich machen würde. Einigen selbst gesteckten Vorgaben werden Atlantyca gerecht, ohne Frage: dem Wunsch, authentische und organische statt endlos nachbearbeitete Aufnahmen zu machen sowie den produktionstechnischen Lautheits-Wahn zu durchbrechen. Das haben sie geschafft; ihr Album klingt differenziert und ehrlich. Ehrlich von Seiten des Autors dieser Zeilen ist es aber auch, zu sagen, dass das Songmaterial es trotz guter Ansätze nicht aus einem 5 von 10 RockTimes-Uhren zählenden Mittelmaß schafft. Diese Kritik hat nichts mit stilistischen Erwartungen zu tun. Ob es nun Prog Metal oder Hard Rock ist - ein guter Song bleibt ein guter Song bleibt ein guter Song.
Line-up:
Julien Putigny (guitars)
Maxime Putigny (bass)
Laurent Falso (drums and percussion)
Special guests:
Andy Kuntz (vocals - #2,9)
Paul Shortino (vocals - 7)
Edu Falaschi (vocals - #3,9)
David Steele (vocals - #4,5,8)
Tara (vocals - #9)
Michelle (vocals - #6)
Tracklist |
01:Impulse (5:01)
02:Standard Man (6:13)
03:Nowhere And Beyond (3:44)
04:Beyond Infinite (4:37)
05:Eternity (5:14)
06:Time After Time (4:50)
07:My Road (4:36)
08:cEvilisation (4:06)
09:Underworlds (9:00)
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